Glen Rock – Owing Mills (66,3 km)
Unsere tolle Unterkunft hatte leider einen Haken: da das dazugehörige Restaurant montags und dienstags geschlossen ist, war das Frühstück für ein Bed&Breakfast mehr als bescheiden. Es gab einen Kühlschrank, indem diverse fertige Breakfast-Muffins mit Käse und Schinken oder Speck oder Ei zum Aufwärmen in der Mikrowelle, einen(!) Fruchtjoghurt, etwas frisches Obst, O-Saft und Butter sowie Blaubeer- bzw. Apfel-Karamelmuffins bereitstanden. Kaffeemaschine, Mikrowelle und ein kleiner Kühlschrank befanden sich im Zimmer. Steffen nahm sich einen Schinken-Käse-Muffin (sieht aus wie ein Miniburger) und wärmte ihn sich auf. Gestern Abend hatten wir uns noch Käse und einen zweiten Joghurt geholt, Brötchen hatten wir noch aus Philadelphia und Ananasstücke aus dem Lidl. So wurde es doch noch ein ganz passables Frühstück.
Kurz nach neun waren wir mit allem fertig und konnten starten. Da unsere Unterkunft direkt am Trail lag, waren wir auch gleich auf unserer Route. Ehe wir wieder in den Trail einstiegen, kamen wir noch an einem Denkmal für die Original Glen Rock Carol Singers vorbei. William Heathcote, der als Erbauer der Mühle die Entwicklung der Siedlung voranbrachte, teilte seinen Brüdern mit, dass er ins Textilbusiness einsteigen möchte und Hilfe benötigte. Daraufhin trafen seine Brüder James und Mark mit den benötigten Maschinen aus England ein. 1848 kamen noch zwei Neffen dazu. Wahrscheinlich vermissten sie ihre englischen Weihnachtstraditionen und begannen daher für ihre Nachbarn traditionelle englische Weihnachtslieder zu singen. Punkt Mitternacht am Weihnachtsabend begannen sie ihren Zug durch die umliegenden Dörfer. Am 25.12.2024 jährte sich dieser zum 177sten Mal.
Und wo wir schon bei Feiertagen sind, soll auch erwähnt werden, dass heute der Weltfahrradtag ist (Danke Ines für den Hinweis!). Wir haben unsere Fahrräder aus diesem Anlass zwar nicht besonders herausgeputzt, aber wir sind ihnen sehr dankbar, dass sie uns bis hierher so treue Dienste geleistet haben (und dies hoffentlich noch ganz lange tun werden). Das Wetter heute war herrlich. Es ging zwar erst einmal einige Kilometer leicht bergan, aber es fuhr sich trotzdem sehr gut. Links waren die Eisenbahnschienen, rechts begleitete uns ein Bach.
Wir kamen an ehemaligen Bahnstationen wie Seitzland und Railroad vorbei, von denen heute gerade mal der Name oder das ein oder andere Gebäude erhalten sind. Am Ende des Trails, kurz vor der Grenze zu Maryland, liegt New Freedom. Hier erinnert noch sehr viel an die einstige Eisenbahnzeit. Wir sahen alte Loks und Waggons. An einem wurde gerade gearbeitet. Bill (wie wir später erfuhren) stammt aus Kalifornien und ist Eisenbahner aus Leidenschaft. Ihm gehören zwei Eisenbahnwaggons (ein normaler Waggon von Union Pacific aus dem Jahre 1950 und ein Luxuswaggon von Southern Pacific aus dem Jahr 1949), die er für besondere Ereignisse vermietet. Dazu gehören ein Tender und eine Dampflok, die sich aber gerade zur Zertifizierung in der Werkstatt befindet. Wir durften uns die beiden Waggons von innen anschauen. Die Ausstattung hat sich inzwischen verändert, denn als die Züge nach in Benutzung waren, saßen immer zwei Personen nebeneinander und alle in gleicher Fahrtrichtung. Viererplätze oder gegenüberliegende Sitze wie bei uns, gibt es nicht („we love our privacy“). Jetzt sind die Sitze in Vierergruppen angeordnet, aber jetzt nutzt man die Wagen ja auch für Feiern oder Ausflüge). Der Luxuswaggon ist noch Original, am beeindruckendsten dabei ist der dazugehörige Barbiersalon (wenn der Zug so wackelt, wie wir es damals an der Westküste erlebt haben, möchte ich meinen Kopf nicht in der Nähe eines scharfen Messers wissen). Wir kamen noch ins Fachsimpeln übers Bahnfahren und die Attraktivität der Bahn sowie die finanziellen Probleme und fehlenden Investitionen, wobei die Lage hier noch deutlich schlimmer ist als bei uns, aber hier wird die Bahn noch viel stiefmütterlicher behandelt als bei uns. Aber auch das interessanteste Gespräch geht mal zu Ende, Bill musste weiterarbeiten, denn im Juli werden die Waggons auf Reisen gehen und bis dahin ist noch viel zu tun. Deshalb war übrigens gestern auch die Brücke in Seven Valleys gesperrt, denn es wird mit Hochdruck gearbeitet, damit der Zug dann sicher darüber fahren kann. Das Spektakel würde ich mir gerne ansehen, wenn der riesige Zug durch das enge Tal fährt.
Und wir hatten auch noch eine weite Strecke vor uns. Der eine Trail ging gleich in den nächsten über, nämlich den Northern Country Railroad Trail im Gunpowder Falls State Park. Während wir gemütlich vor uns hin fuhren, inzwischen ging es ganz zart bergab, hatten wir unbemerkt die nächste Staatengrenze überschritten, von Pennsylvania nach Maryland. Der Bach neben uns war etwas breiter geworden und hatte einige Stromschnellen. Kurz bevor wir den Trail verlassen mussten, nach etwas über 30 km, hielten wir an der Station Monkton und machten ein Picknick. Es gab Käse und Tomaten, Fenchelsalat mit Erdbeeren und Blaubeeren und O-Saft. Nun waren wir für die weiteren Herausforderungen gewappnet, denn auf den Straßen sind deutlich mehr Höhenmeter zu überwinden als auf den Trails. Da ging es ganz ordentlich nach oben, aber danach konnten wir glücklicherweise auch wieder mit ordentlichem Tempo bergab rollen. Wir fuhren größtenteils auf wenig befahrenen Straßen, aber wenn dann mal am Berg ein Auto hinter uns war, zeigte der Fahrer bzw. die Fahrerin viel Geduld und blieb hinter uns, bis klar war, dass nichts entgegenkam. In Butler sahen wir am Straßenrand ein blaues Fahrrad auf einer Stange in der Luft – Werbung für Veloccino, einen Fahrradladen mit angeschlossenem Café. Da konnten wir natürlich nicht vorbeifahren. Bei einem Eiskaffee (kalter Kaffee mit Eiswürfeln) und einer Apfeltasche bzw. Aprikosenhörnchen (kein Streifenhörnchen!), ruhten wir uns aus und kamen noch mit einem anderen Radler ins Gespräch. Je weiter wir vorankamen, desto dichter wurde auch der Verkehr, denn die Schule war aus und so fuhren zahlreiche Schulbusse, die schnell mal den Verkehr zum Erliegen bringen, denn wenn ein Schulbus hält, darf man weder überholen noch aus der Gegenrichtung vorbeifahren. In Reisterstown kurz vor unserem heutigen Etappenziel kamen wir noch an einer Eisdiele vorbei (d.h. wie hielten an). Das versprochene echt italienische Eis war eher Granita, also gefrorenes Wasser mit Geschmack – auch eine Erfahrung).
Nun waren es nur noch ein paar Kilometer bis zu unserem Holiday Inn.
Da es hier nichts gab, wo man Abendessen kann, bestellten wir uns eine Maryland Crab Soup und Chilipommes bzw. Hühnchenciabatta beim nahegelegenen Foodtruck. Während ich schon anfing zu schreiben, holte Steffen unser Essen, das übrigens sehr reichlich und sehr lecker war.