Owing Mills – Bethesda (76,8 km)
Heute die vorletzte Radfahretappe! Zuerst ging es eine ganze Weile auf der Straße entlang. Ein Radfahrer, dem wir gestern beim Veloccino begegnet waren, hatte uns vor der Wards Chapel Road gewarnt, aber wenn wir nicht so früh losfahren, würden wir nicht in den Berufsverkehr kommen. Also sind wir gemütlich gegen 10.00 Uhr los.
Es waren zum Glück wirklich nicht viele Autos unterwegs. Die Landschaft war auch sehr schön; freiere Strecken mit Wiesen und weiden wechselten sich mit Waldstrecken ab. Rechts und links lag auch der eine oder andere State Park. Was sich allerdings auch abwechselte waren die Höhen. Die Straßen – größtenteils als Maryland-Radroute 1 ausgewiesen „wellten“ sich durch’s Gelände. Immer wieder mussten wir lange Steigungen überwinden und dann rauschten wir in ausgedehnten Kurven bergab. Leider half der Schwung selten über die nächste Steigung hinweg. Blöd auch, wenn der Schwung verpuffte, weil wir an einer Kreuzung oder Stop-Straße halten oder zumindest bremsen mussten. Die Autofahrer waren aber fast alle sehr geduldig und fuhren an unübersichtlichen Abschnitten einfach ruhig hinter uns her.
Abgesehen von kleineren Trink- und Energiepausen (Nüsse oder Mandarinen) hatten wir noch gar keine größere Pause gemacht – und wir hatten schon über 50 km „auf der Uhr“ und das bei 30 Grad Celsius. So nutzten wir die allererste Gelegenheit in Ashton und „tankten auf“: natürlich das obligatorische Wasser, was immer kostenlos gereicht wird, dann noch einen großen Cranberrysaft und Pancakes mit Erdbeeren dazu. Die Pancakes waren größer als die üblicherweise servierten und so konnten wir gut gesättigt unseren Weg fortsetzen.
Bald musste doch der Trail kommen – einen kurzen Vorgeschmack bekamen wir, aber dann doch wieder Straße!
Endlich! Weg von der Straße und ab durch’s Grüne auf dem Matthew Henson Trail. Der Trail erinnert an den schwarzen Abenteurer und Polarforscher, der Robert E. Peary 1887 bei einer Expedition nach Nicaragua begleitet hatte, wo die Chancen zum Bau eines Kanals als Abkürzung zwischen Pazifik und Atlantik geprüft wurden. Wir wissen, wie die Sache ausging. Auch wenn zahlreiche wirtschaftliche Interessen und Konkurrenzen letzlich dem Kanal durch den Nicaraguasee entgegenstanden, wird noch eine andere Begebenheit angeführt, die vermeintlich auch Einfluss hatte. Eine nicaraguanische Briefmarke zeigte den rauchenden Vulkan Momotombo, und eine solche wurde jedem US-Senator zugespielt, um auf die Bedrohung durch Erdbeben und Vulkanausbrüche hinzuweisen.
Matthew Henson jedenfalls begleitete Peary 1891 noch auf eine Grönland-Expedition (!) und lebte ein Jahr bei den Inuit. Nach mehreren Anläufen war er erfolgreich und erreichte 1909 mit Peary den Nordpol und hisste dort das Sternenbanner. 1944 wurde er vom Congress mit der Peary-Polar-Medaille geehrt, 1954 empfing ihn Präsident Eisenhower im Weißen Haus.
Nun von Polar war auf dem Trail nichts zu spüren, aber der Schatten sorgte, anders als bei den vorherigen Straßenabschnitten, für angenehme Kühle. Auch das Wild hatte es sich bequem gemacht und zeigte keine Anstalten zu flüchten.
An den Henson-Trail schloss sich der Rock Creek Trail an, auf dem wir gut Richtung Bethesda vorankamen. Es fuhr sich so schön, dass wir sogar ein Stück über unsere Route hinausschossen und auf dem Weg zurück zur Route „einfach eine andere Perspektive genossen“, wie Birgit es ausdrückte. Zum Glück gab es jetzt auch einen separaten Rad- und Fußweg neben der Straße, auch wenn es manchmal ganz schön eng wurde. Ein Stück Stadtverkehr auf der Straße mussten wir noch erdulden, bis wir – etwas verschlängelt wegen Baustellen und Tiefgaragen – an unserem Hotel ankamen. Unsere Fahrräder „schlafen“ diesmal im Gepäckraum, der ausnahmsweise groß genug ist. Wir beschlossen den Abend mit einem leckeren Essen in einem Naturkostrestaurant (True Food Kitchen) bei einem Gläschen Wein aus Oregon bzw. Kalifornien.