Morgantown – Columbia (58,3 km)
Die heutige Etappe war eine besondere. Zum Einen war sie sehr anstrengend. Zwar hatten wir endlich mal wieder Sonnenschein. Der war aber von starkem Westwind begleitet und da unsere Route uns heute nach Westen führte …. Dazu kamen einige ganz ordentliche Anstiege. Da fühlte ich mich heute nach 30 km kaputter als gestern nach 83. Jetzt ist aber auch genug geklagt.
Unser Tag begann mit einem guten Frühstück mit Spiegelei, Bagel/Toast und frischem Obst und das alles auf richtigem Geschirr mit richtigem Besteck.
Zunächst ging es noch einige Kilometer auf der Hauptstraße entlang. Der Verkehr war feiertagsgemäß, viele Autos, aber auch eine ganze Menge Motorräder, die größtenteils in Gruppen unterwegs waren. In Churchtown, das seinen Ort der Vielzahl an Kirchen bei seiner Gründung verdankt, verließen wir die Hauptstraße und fuhren nun auf Nebenstraßen durch Lancaster County. Heute ist Sonntag und sonntäglich war auch die Atmosphäre. Wenn man hier über das Land fährt, fällt als erstes die Ordnung und Sauberkeit auf. Die Häuser sind gut erhalten, die Gärten gepflegt, die Felder bestellt, dazu der Sonnenschein, es war wie im Werbefernsehen (Den Wind sieht man ja nicht, sondern spürt ihn nur). Es gibt jede Menge Kirchen und da heute Sonntag ist, waren die Leute offensichtlich beim Gottesdienst, denn zunächst haben wir kaum Menschen gesehen. Es fahren hier natürlich auch ganz normale Autos. Bis auf eine Ausnahme fuhren alle langsam und rücksichtsvoll. Wir sahen erst ein Pferdegespann der Amish bzw Mennoniten, aber dann wurden es immer mehr. Offensichtlich war der Gottesdienst zu Ende. In den Gespannen, die zum Teil sehr unterschiedlich waren, saßen mal Einzelpersonen, mal Paare, auch zwei ältere Damen, Familien, aber uns begegnete auch ein offener Planwagen mit einer Großfamilie. Die meisten winken uns zu und grüßten. Schulkinder und Teenager waren mit dem Fahrrad unterwegs. Sie trugen ihre traditionelle Kleidung (die Jungen schwarze Hose, schwarzes Hemd, Hut, manche trugen eine schwarze Jacke, deren Schnitt aber ganz modern war, die jungen Damen trugen lange Kleider, manche mit bunten Mustern, darüber eine schwarze kurze Jacke und viele eine schwarze Haube) hatten aber alle moderne Fahrräder mit Gangschaltung. Die Jungen- und Mädchengruppen fuhren getrennt. Ab und zu kamen uns auch einzelne Jugendliche entgegen. Viele grüßten uns, manche schauten interessiert oder skeptisch. Auf den Grundstücken sieht man manchmal neben den traditionellen Kutschen, moderne Fahrräder mit den auch bei uns üblichen Fahrradkindersitzen und-anhängern und auch moderne Spielgeräte (Plastikrutschen).
Wir kamen an einem Teich mit einem Park vorbei und legten erstmal eine Pause ein. An verschiedenen Seiten des Teiches standen Väter (ganz normal gekleidet) und versuchten offensichtlich, ihre Söhne in die Kunst des Angelns einzuweihen.Eine Entenmutter schwamm mit ihren Küken in unsere Nähe und auch eine Schildkröte tauchte kurz aus dem Wasser auf.
Auf dem Friedhof hinter New Holland fand offensichtlich gerade eine Trauerfeier oder so etwas statt. Wir haben natürlich nur aus der Ferne geschaut. Es standen sehr viele Menschen, getrennt nach Männern und Frauen auf dem Gelände, es waren Fahrräder zu sehen, aber das faszinierendste war ein großer Parkplatz, auf dem die Kutschen ordentlich in Reihen geparkt waren.
An einem Friedhof sahen wir Spuren der ersten deutschen Siedler. Eine Informationstafel wies auf die letzte Ruhestätte von Abraham C. Myer hin, der „1758 hier 100 Morgen Land nördlich und südlich dieses Punktes erwarb“. Ihm folgten 8 Generationen von Farmern. Nach 237 Jahren in Familienbesitz überschrieben die Erben das Ackerland dem Lancaster Farmland Trust. Auf dem Friedhof lagen ganze Reihen von Grabsteinen einer Familie, wobei auf vielen deutsche Inschriften „starb den“ gemischt mit englischen Datumsangaben und deutschen Altersangaben zu finden waren. Der Familienname hatte sich offensichtlich über Generationen hinweg verändert von Kinnig (noch nahe an „König“) zu Kinney bis zu King.
Es ging anstrengend weiter, aber obwohl auf dem Feld neben uns und in der Luft schon die Geier lauerten, gaben wir nicht auf.
Nach etwas über 40 km erreichten wir Lancaster, die Hauptstadt des County. Auf dem Weg in die Innenstadt kamen wir an einigen sehr schönen Grundstücken vorbei. Die Trinity Lutheran Church von 1761 mit ihrem knapp 60 m hohen Turm ist die älteste Kirche Lancasters.
Das Stadtzentrum hat einige sehr hübsche historische Gebäude. Bekannt ist vor allem der Markt, der hier schon seit 1830 abgehalten wird. Leider haben wir am Sonntag davon nichts mitbekommen. Doch wir haben in der King Street die South County Brewery entdeckt, die einen sehr schönen Biergarten hat. Dort haben wir jeder eine sehr reichhaltige und leckere BBQ Platte (mit Hühnchen bzw. Pulled Pork) gegessen. Auf das Bier mussten wir leider verzichten, da uns noch einige Kilometer Radeln auf der Hauptstraße bevorstanden und alkoholfreies gab es leider nicht. Zum Abschluß teilten wir uns noch eine interessante und ganz leckere Interpretation einer Strawberry Cheesecake, dazu einen Kaffee und nun waren wir gerüstet für die letzten 15 km. Glücklicherweise hatte der Wind etwas nachgelassen und so kamen wir relativ schnell zu unserem Hotel. Auf dem Weg sahen wir noch einen Wegweiser nach Wheatland, wo James Buchanan, 15. Präsident der Vereinigten Staaten (und bisher einzige Präsident aus Pennsylvania) von 1848 bis zu seinem Tode lebte.