New York 2
Leider mussten wir uns heute nach dem Frühstück wieder von Birgit verabschieden, da morgen für sie der normale Arbeitsalltag weiter geht. Für uns stand heute erstmal „housekeeping“ auf der Tagesordnung, wir brauchen frische Sachen. Nach Steffens Waschabenteuer in Portland waren wir gespannt, wie die guest laundry hier funktioniert. Um nicht viel Zeit zu verlieren, bin ich vor dem Frühstück mit unserer Schmutzwäsche in den Keller gefahren, wo sich die kostenlos nutzbare Waschmaschine befand. Tatsächlich gab es in dem Raum vier Waschmaschinen und Trockner. Als ich kam, waren alle frei. Ich habe einfach alle Sachen mit etwas Waschmittel in eine Maschine getan, Feinwäsche eingestellt und Start gedrückt in der Hoffnung, dass das alle Sachen vertragen. Zuhause läuft das natürlich anders, aber hier muss es so gehen. Und das tat es auch, noch einer reichlichen halben Stunde war alles gewaschen und geschleudert. Nun noch alles in den Trockner, das empfindlichste Programm eingestellt und los ging es. Während wir uns noch beim Frühstück und einem extra Kaffee unterhielten, war die Wäsche schon erledigt.
Wir hatten kurz überlegt, zur Freiheitsstatue und nach Ellis Island zu fahren, aber die Tickets waren ausverkauft, was wir erst so ziemlich am Ende eines komplizierten und langwierigen Buchungsvorgangs erfuhren. Manchmal ist es hier ganz schön kompliziert. Wir griffen auf unseren ursprünglichen Plan zurück und fuhren zum Whitney Museum of American Art. Da ist nun endlich mal schönes Wetter und wir gehen ins Museum. Aber das Tolle an diesem Museum, das am Anfang der Highline liegt, ist sein Café in der 8. Etage mit Außenterrasse. Allein dafür hat sich der Eintrittspreis gelohnt. Man hat einen herrlichen Blick auf den Hudson River und die New Jersey Seite, auf Midtown und Downtown Manhatten und natürlich die unmittelbare Umgebung. Wir genossen unseren Kaffee ausgiebig. Doch auch die Ausstellungen im Museum waren sehr sehenswert, leider war die 7. Etage wegen Umbauarbeiten geschlossen und damit die interessante Epoche von 1900 bis 1965 nicht zugänglich, aber es gab trotzdem genug zu sehen. Zum Einen war da Christine Sun Kim, die sich in ihrer Ausstellung All Day all Night mit Gehörlosigkeit, mit der farblichen Umsetzung akustischer Signale, vor allem aber mit dem sozialen Umfeld und dem Umgang mit Gehörlosen auseinander setzt. Es gibt einige Videoinstallationen, z. B. mit einer Gebärdendolmetscherin, die die Nationalhymne in Gebärdensprache übersetzt, aber auch Tafeln, auf denen die Erlebnisse der Künstlerin in verschiedene Kategorien eingeteilt werden (Unaufmerksam, unverschämt, gedankenlos, unwissend etc.). Manches lässt einen Schmunzeln, manches macht wütend …, auf jeden Fall ein Thema, das einen noch eine Weile beschäftigt. Die Ausstellung Shifting Landscapes beinhaltete vor allem Installationen und setzt sich mit unserem Umgang mit Ressourcen, aber auch mit anderen Kulturen und deren Werten auseinander. Mir hat die Ausstellung von Amy Sherald am besten gefallen. Die Künstlerin malt sehr realistische großformatige Bilder, in denen sie dunkelhäutige Amerikaner mit uramerikanischen Motiven verbindet und somit auch die Ausblendung ihrer Rolle in ikonischen Momenten der amerikanischen Geschichte thematisiert. So sitzt zum Beispiel ein Mann in luftiger Höhe auf einem grünen Eisenträger. Beim Betrachten dieses Bildes denkt man sofort an das Foto der (weißen) Arbeiter aus den 20er Jahren, die hoch oben beim Bau eines Wolkenkratzers gerade auf so einem Balken ihre Pause verbringen. Es wird ein Film über die Künstlerin gezeigt, wie sie ihre Motive auswählt und wie sie arbeitet. Besonders beeindruckend war ein Bild einer jungen Frau, die durch Polizeigewalt getötet wurde. Die Geschichte wurde sogar von der Vogue aufgegriffen, Amy Sherald hat für das Motiv mit der Familie, vor allem der Mutter der Getöteten gesprochen, und ihr mit ihrem Bild ein bewegendes Denkmal gesetzt. Es gäbe noch viel mehr zu berichten, ich möchte nur noch erwähnen, dass A. S. auch Michelle Obama porträtiert hat.
Nach so viel Kunstgenuss wollten wir nun doch noch etwas von dem schönen Wetter genießen und beschlossen nach Brooklyn zum Narrows Botanical Garden zu fahren und von dort mit der Fähre wieder zurück. So ganz übersichtlich sind die Metropläne hier nicht, oder wir hatten nicht genug Geduld, sie eingehend zu studieren. Jedenfalls saßen wir in der falschen Bahn und fuhren stattdessen Richtung Coney Island. Naja, wo wir schon mal fast da waren, konnten wir uns diesen legendären Vergnügungsort wenigstens mal anschauen. Auf Achterbahn- und Karussellfahrt verzichteten wir, aber einen Hot Dog bei Nathan’s genehmigten wir uns, und tauchten unsere Füße wenigstens kurz in den Atlantik. Mit Umsteigen kamen wir doch noch zur richtigen Haltestelle (Bay Ridge Ave.). Für den Park war es nun zwar zu spät, aber die Fährfahrt von dieser Seite auf Manhattan zu genossen wir bei dem schönen Wetter sehr, und den Blick auf die Freiheitsstatue gab’s obendrein. An der Wallstreet angekommen, fanden wir auch noch ein nettes Restaurant mit sehr zivilen Preisen und toller Küche. So ging unser 2. „Unruhetag“ zu Ende.