Bar Harbor
Nachdem die ersten drei Etappen doch etwas anstrengender waren als gedacht, haben wir uns heute Ruhe und Entspannung verordnet. Also ließen wir es gemütlich angehen. Das Frühstück im Hotel konnte man kaum als solches bezeichnen. Es gab Kaffee, O-Saft, Joghurt, Müsli (allerdings keine Milch dazu) und Muffins bzw. Croissants, die aber, wie Steffen feststellen musste, wahrscheinlich aus einer archäologischen Ausgrabung eines Franzosenlagers stammten. Außerdem gab es keine Sitzgelegenheiten fürs Frühstück, so dass wir die Sachen mit aufs Zimmer nehmen mussten. Es zeigt sich immer wieder: die Vorstellungen was Frühstück bedeutet, weichen hier deutlich von unseren ab. Aber wir waren einigermaßen satt, was wahrscheinlich an dem hohen Zuckergehalt liegt. Eigentlich wollten wir eine kleine Wanderung zur Bar Island machen, allerdings hatten wir dabei nicht an die Gezeiten gedacht, denn die Insel ist nur jeweils 1,5 Stunden vor und nach der Ebbe erreichbar, ansonsten muss man 9 Stunden dort ausharren. Als wir ans Wasser kamen, war gerade Flut, also fiel diese Wanderung buchstäblich ins Wasser. Aber Bar Harbor ist ein hübscher Ferienort und dank Vorsaison auch sehr ruhig. Es gibt ein Open Street Museum, d.h. an zahlreichen Stellen in der Stadt gibt es Hinweistafeln, die etwas über die Geschichte des Ortes, ihre Gründung, frühere Bewohner etc. erzählen. So erfuhren wir zum Beispiel, dass das Haus der Historical Society 1903 gebaut worden war und „La Rochelle“ (Kleiner Felsen) getauft wurde. Später erwarb es Dr. John Dorrance, ein Chemiker und Erfinder der Dosensuppe, der später Präsident der Campbell Soup Company wurde, die Kunstinteressierte gleich an Andy Warhol denken lässt.
Der erste große Kai wurde 1857 errichtet und so konnten auch große und schnelle Dampfschiffe aus Boston hier anlegen. Sie brachten wohlhabende Sommerfrischler, die hier ihre Villen errichteten. Einige sind noch erhalten und als Denkmale registriert. Da die Schiffe hier zwischen den Inseln fuhren, konnten auch Leute, die unter Seekrankheit litten, die Fahrt auf der ruhigen See genießen. Bar Harbor schrieb Geschichte, als der Kapitän der MS Kronprinzessin Cecilie, die mit 1216 Passagieren und Goldbarren und Münzen im Wert von 15 Mio. US-Dollar von New York nach Bremerhaven unterwegs war, hier vor Anker ging, weil ihm wegen des Kriegsbeginns die Weiterfahrt nach Europa untersagt wurde und er erfahren hatte, dass die amerikanischen Häfen überwacht wurden.
Wir spazierten am Ufer entlang und kamen zu einem ausgewiesenen Uferweg, der ca. 1,5 Meilen lang ist. Sehr schön gelegen, befindet sich dort das sehr noble Harbor Inn Hotel, in dessen Reading Room sich heute ein Restaurant befindet. 1874 wurde hier ein Club eröffnet, mit dem Ziel Literatur und Gesellschaftskultur unter seinen Mitgliedern zu fördern. Zu seinen besten Zeiten hatte der Club 415 Mitglieder, darunter der Gründer der Kaufhauskette Macy’s, der Präsident der Harvard University etc. Und obwohl 1861 in Maine die Prohibition begann „wurde viel durch den Boden der mit Hochprozentigem gefüllten Gläser gelesen.“
Wie bereits geschrieben, ist Maine vor allem durch seine Hummerfischer bekannt. Doch Hummer waren anfangs nicht die Delikatesse, als die sie heute gelten. Um 1800 waren sie störender Beifang und wurden als Dünger genutzt oder Gefangenen als Essen vorgesetzt. Heute gibt es genaue Vorschriften für den Fang, Hummer müssen zwischen 1 und 5 Pfund wiegen und weibliche Hummer mit Eiern unter dem Schwanz müssen gekennzeichnet und ins Meer zurückgeworfen werden, um den Nachwuchs zu sichern. Der größte Hummer der hier je gefangen wurde, wog übrigens 43,6 Pfund!
Am Ende des Uferwegs gingen wir wieder in die Stadt zurück. Wir bummelten durch ein paar Geschäfte und wären gern in ein gemütliches Café gegangen, um uns etwas Leckeres zu gönnen. Doch die hübschen Cafés hatten entweder noch gar nicht geöffnet (Saisonbeginn frühestens am nächsten Wochenende) oder hatten bereits ab 14.00 Uhr wieder geschlossen (es war gerade 14.05 Uhr – so ein Pech). Im Bioladen (mit Regenbogenfahne davor!) kauften wir etwas Proviant für unsere morgige Etappe und in der Lobby unseres Hotels holten wir uns einen Kaffee und Gebäckriegel. Nachdem wir Strecke und Unterkunft für morgen geplant hatten, gingen wir nochmal los. Zunächst in die Outdoorläden, denn bei dem Regen an den ersten Tagen musste ich leider feststellen, dass meine Regenjacke trotz frischer Imprägnierung einiges an Wasser durchlässt. Und nun bin ich stolze Besitzerin einer schönen neuen Regenjacke….
Zum Abendessen gingen wir heute in das Restaurant neben dem gestrigen. Es ist etwas gediegener, aber auch sehr hübsch und das Essen (Crab Cakes mit Spargel bzw. Salat und Dessert) war sehr lecker! Auf dem Rückweg gingen wir wieder am Ufer entlang, jetzt hätten wir auch auf die Bar Island gehen können, aber wir gaben uns mit einem Blick auf den Weg hinüber zufrieden. Gute Nacht!