Prospect Harbor – Bar Harbor (66 km)
Ab 08.00 Uhr sollte es Frühstück geben und so hatten wir auch schon unsere Fahrradtaschen runtergetragen und bereitgestellt. Ein älteres Ehepaar saß bereits am Nebentisch. Sie waren auf einer kleinen Rundreise nach Norden bis zu den Niagarafällen und wollten auf dem Weg dahin noch Verwandte besuchen, z.B. zwei Cousins die jeweils am entgegengesetzten Ufer eines großen Sees wohnten und sich das ganze Jahr nicht sehen, außer wenn Besuch kommt. Das gibt es hier im Norden sehr häufig bestätigte die Wirtin; jeder ist mit seinem Leben, seinen Dingen beschäftigt, also „living off the grid“ (abkoppelt, unter dem Radar). Das Ehepaar wollte noch einen Laden mit Kunst und Kunstgewerbe der Fisher-Familie (US Bells) aufsuchen, die trotz Berühmtheit und Reichtum bescheiden und zurückhalten auftreten, wie die Wirtin betonte. So sei das eigentlich in Maine und hier auf dieser Seite; man zeigt seinen Reichtum nicht – ganz anders in Bar Harbor, betonte sie.
Wir kamen noch auf (wie die Wirtin sagte) „He who must not be named“ (bei Harry Potter ist es Voldemort) und was seine Politik auch für die kleinen Leute, die ihn gewählt haben, bringen wird. Der Klimawandel – den es ja nicht gibt – wird zur Bedrohung für die Existenz der Hummerfischer, weil sich durch die Erwärmung die chemische Struktur des Wassers, der Lebensraum für die Muscheln, die das Wasser rein halten und damit auch für die Hummer ändert. Und: Die Massenentlassungen von Staatsangestellten bringen gerade mal 2% Einsparung im Haushalt.
Wir hätten noch viel mehr Themen dikutieren können, aber wir mussten los, begleitet von den guten Wünschen der Wirtin.
Da wir wieder eine ordentliche Etappe vor uns hatten, nahmen wir nicht die landschaftlich interessantere Strecke über Winter Harbor, sondern über die Pond Road bis wir wieder zur Radroute entlang des East Coast Greenway kamen. Die Strecke führte nun wieder ein ganzes Stück auf dem US Highway 1 entlang; zum Glück gab es meist einen breiten Randstreifen. Auch wenn die meisten sehr rücksichtsvoll fuhren, war den Verkehr doch recht anstrengend. Außerdem gab es auch immer wieder langgezogene Anstiege. Aber wir wurden schon durch tolle Ausblicke auf die Küste und die Inseln und Halbinseln belohnt, und die eine oder andere Kuriosität am Rande.
An einem kleinen Supermarkt genossen wir ein Krabbenbrötchen und den Ausblick. Dabei fiel ein Steinsockel ins Auge – ein Denkmal für Paul Sargent, ein Kampfgefährte von Lafyette und George Washington und Mitbeteiligter an der Boston Tea Party, der sich in Sullivan zur Ruhe gesetzt hatte. Er hatte sich schon frühzeitig für eine Brücke über den Card Mill Stream eingesetzt, scheiterte aber wie viele andere nach ihm. Eis, Strömung und das Wetter verhinderten immer wieder den Brückenschlag und so mussten lange Jahre alle (Menschen, Vieh, Fracht) bei Wind und Wetter auf kleinen Fährbooten übersetzen.
Wir kamen noch an einem großen Gelände mit Lagerhalle vorbei, auf der ein großes Bild an den Erfinder der „Kettensägeschnitzkunst“ erinnerte. Von aktuellen Akteuren wird die Kettensäge derzeit eher weniger kreativ, sondern destruktiv eingesetzt.
Wir bogen jetzt von der Hauptstraße ab und fuhren auf der Muddy Creek Road weiter, die deutlich weniger befahren war. Hinter einer verschlängelten Brücke machten wir es uns auf einer Wiese am Fluss gemütlich und picknickten. Auf einer Plattform oberhalb eines Leitungsmastes nistete ein American Goshawk (eine Habichtsart). Weit oben kreiste ein anderer Raubvogel, ein Weißkopfseeadler (wie auf dem Telefoto erkennbar). Nun ging es wieder auf einer belebteren Straße weiter, aber da saß plötzlich ganz seelenruhig ein Pirat am Straßenrand! Und hinter ihm hatten zwei Piratenschiffe angelegt. Weiter hinten weitere Türme und Bauten, dazwischen Bahnen für Minigolf…
Aber nicht die Piraten mussten wir fürchten sondern eher die widrigen Winde, die uns das Vorankommen sehr erschwerten. Die Strecke zog sich daher etwas und wir waren froh als wir in Bar Harbor an unserem niedlichen Hotel angekommen waren. Frisch geduscht schlenderten wir noch durch den Ort, schauten noch mal in einen Outdoor-Laden und gingen dann zum empfohlenen Lokal „Geddy’s“, einem Pub wo es Seafood, Burger und Pizza gab. Wir entschieden uns für den „Lobster Bake“ – mit Muschelsuppe, einem ganzen Hummer, Maiskolben und als Dessert ein Stück Blaubeerkuchen. Birgit probierte sogar ein Blaubeerbier. Damit hatten wir nun auch die „Nationalgerichte“ und Haupterzeugnisse von Maine (Hummer und Blaubeeren) gebührend genießen können.