Lawrenceville – Philadelphia ( 65,6 km)
Da es in der näheren Umgebung unseres Hotels keine Frühstücksgelegenheit gab, beschränkten wir uns wirklich auf ein „petit dejeuner“, mit den Resten, die wir noch so hatten: Tillamook-Käse, Blaubeerjoghurt mit weiteren zusätzlichen frischen Blaubeeren und Kaffee aus der Hotel-Lobby. So mussten wir erstmal nicht mit leerem Magen los; bei nächster Gelegenheirt wollten wir „nachtanken“.
Vom Hotel waren wir zum Glück schnell wieder auf dem Trail entlang des Raritan-Delaware-Kanals. Der separate und schöne breite Fußweg vom Hotel endete genau auf der Grundstücksgrenze, danach mussten wir über Wiese und Tankstelleneinfahrt bis zur Querstraße des Highway 1.
Aber dann wurde es wieder idyllisch – das fand auch eine Hirschkuh, die auf dem Weg stand und uns ungläubig anstarrte, d.h. so lange bis der Fluchtinstinkt die Neugier überwand.
Die Idylle hielt auch nicht lange an, jetzt ging es durch Trenton, die Hauptstadt von New Jersey. Es gab eigentlich nichts besonderes zur sehen, außer dem weithin sichtbaren Trenton Battle Monument, einer Säule mit einer Statue von George Washington, die an die Schlacht von Trenton am 26. Dezember 1776 erinnert. Der Sieg der Truppen unter George Washington markierte einen Wendepunkt in den amerikanischen Revolutionskriegen.
Dann kam noch die Feuerwehr um die Ecke gefegt und schon bald ging es zur Brücke über den Delaware River. Hier hatte am 21. April 1789 George Washington den Fluss noch per Fähre auf dem Weg zu seiner Amtseinführung als Präsident übergesetzt.
Vom New Jersey State Capitol hatten wir bisher nichts gesehen; aber da war es nun: in der Ferne leuchtete die goldene Kuppel. Vor der Brücke war die Radspur unvermittelt abgebrochen, also wie weiter? Gerade hatten wir den separtaten Fußweg an der rechten Seite der Brücke entdeckt, da rief uns ein Mann in einem Auto der Straßenverwaltung zu, wir sollten unsere Räder auf dem Fußweg über die Brücke schieben – was auch noch durch ein Schild an der Brücke bekräftigt wurde. Also schoben wir, obwohl der Weg breit genug und sicher war … Hinter dem Fluss lag Pennsylvania – also hätten wir doch fahren und über die Bundesstaatengrenze flüchten können (wie man das von Roadmovies mit Gangstern oder unschuldig Verfolgten so kennt).
Gleich hinter der Grenze kam ein Deli und Diner, wo es alles gab: Mittagessen, Frühstück, Catering… Zu bester „Brunchzeit“ entschieden wir uns für Omeletts, Kaffee und eine halbe Portion („short stack“) von 3 Stück Blaubeer-Pancakes.
Und das war dann auch tatsächlich erstmal die letzte Gelegenheit für ein spätes Frühstück, denn jetzt ging es wieder am Kanal entlang. Der 60 Meilen lange Delaware Canal mit 24 Schleusen war 1831 gebaut worden, um die Steinkohle aus den Gruben von Pennsylvania Richtung Ostküste zu verschiffen. Heute zieht sich entlang des Kanals der Delaware Canal State Park. Wir waren auf dem ehemaligen Treidelweg am Kanal unterwegs. Früher waren die Schleusen von 04.00 Uhr bis 22.00 Uhr geöffnet, dazwischen ruhten Mensch und Maultier aus. Heute lag der Kanal ruhig da und so konnten wir etliche Schildkröten entdecken, die es sich auf aus dem Wasser ragenden Baumstämmen und Ästen bequem gemacht hatten. Aber genauso schnell wie wir sie entdeckt hatten, war eine nach der anderen wieder im Wasser und abgetaucht. So wie gestern auf Streifenhörnchen, machte ich heute „Fotojagd“ auf Schildkröten.
Aber irgendwann endet leider die schönste Strecke. Nach dem Bristol Park gab es noch ein kleines Stück auf einer ehemaligen Bahnstrecke, mit einer Gedenktafel: Hier hatte der Zug mit Lincoln am 21. Februar 1861 auf dem Weg zur Amtseinführung in Washington D.C. gehalten und der künftige Präsident hatte sich an die hier Versammelten gewandt.
Und noch ein Gedenkort: In der Feuerwache Nr. 3 hatten Jugendliche aus Bristol zu rockiger Musik mit rhythmischem Stampfen getanzt, dem sogenannten „Bristol Stomp“, der später berühmt wurde.
Mit der ruhigen Fahrt war es jetzt aber vorbei. Wir mussten nun meistens auf der Straße fahren und der Verkehr wurden immer dichter und die Autofahrer immer rücksichtsloser je näher wir Philadelphia kamen. Man musste höllisch aufpassen. Kurzzeitig ging es mal auf einem separaten Weg durchs Industriegebiet am Hafen, dann aber wieder über belebte Straßen. Es waren zwar immer mal wieder Radspuren markiert, sie waren aber sehr schmal und wurden oft nicht ernst genommen. Immer wieder mussten wir geparkten oder dort haltenden Autos auf die Hauptfahrspur ausweichen. Sehr nervig. Nach einem kurzen Schlenker und Blick auf den Delaware River fuhren wir geradewegs zum Hotel. Nach Duschen und Umziehen gingen wir noch Richtung Stadtzentrum. Im belebten Victoria-Brauhaus probierten wir lokale Biere vom Fass zu Steak und Hühnchen Caprese. Großflächig an der Wand war eine Anspielung auf die Verfassung zu sehen, dort hieß allerdings im bekannten Schriftzug nicht „We, the People…“, sondern „We, the Brewers… „
In der Brewery war es kühler als auf der Straße und so konnten wir noch einen schönen Spaziergang machen, vorbei am General-Koscioszko-Denkmal (Held Polens und der Amerikanischen Revolution) und einer Skulptur des jüdischen Künstlers Nathan Rapaport zum Gedenken an die Märtyrer des Holocaust. Vor dem angestrahlten historischen Freimauer-Tempel sah man Franklin und Washington (in Bronze) beim Händedruck als Zeichen der Verbundenheit der beiden Logen-Brüder und ihres Beitrags zur amerikanischen Unabhängigkeit. (Gestiftet übrigens von General Lafayette als Vertreter der französischen Regierung). Aber mehr Details zur Geschichte und Rolle Philadelphias bei der Erringung der amerikanischen Souveränität vielleicht morgen…