Nierstein-Bacharach

71,6 km

 

Das Frühstück heute wurde in der Gaststube des „Klabautermanns“ serviert, inmitten allerlei maritimer Dekoration und mit Blick auf den Rhein und die zahlreichen vorbeifahrenden Lastschiffe. Dabei wird einem bewusst, wie stark befahren dieser Fluss ist.

Bereits kurz nach unserem Start stießen wir wieder einmal auf eine Umleitung. Der Radweg führte nicht am Rhein entlang, sondern durch die Weinberge – eigentlich sehr schön, aber diesmal ging es ein ganzes Stück nach oben, also hieß es erstmal kräftig in die Pedale treten, dabei kam auch die Gangschaltung zu vollem Einsatz. Außerdem schien man uns mit Vögeln zu verwechseln, denn ab und zu knallten um uns herum die Vogelvergrämungsanlagen. Nachdem wir uns Weinberge und Rhein eine Weile von oben angesehen haben, führte der Weg in Nackenstein wieder direkt an den Rhein. Der Weg war sehr idyllisch (wenn man von dem Lärm der in der Nähe befindlichen Bundesstraße absieht), hatte jedoch den Nachteil, dass er unbefestigt war. So mussten wir doch eine ganze Menge Schlaglöcher und ähnliche Hindernisse umfahren. Hinter Laubenheim ging es auf einem asphaltierten Weg weiter und so dauerte es nicht lange bis wir Mainz erreichten. Die Nähe der Stadt machte sich auch durch die Vielzahl der Freizeitsportler (auf Rennrädern, joggend, mit Nordern-Walking-Stöcken oder rudernd auf dem Rhein) bemerkbar. Durch die Fußgängerzone kamen wir zum Dom, der uns mit Orgelklängen empfing. Es fand gerade eine Messe statt, so dass wir uns nur still im hinteren Teil dieses imposanten über 1000jährigen Bauwerks umsahen. Neben Worms und Speyer ist dies der dritte Kaiserdom und ein beeindruckendes Werk romanischer Baukunst.

Auf dem Liebfrauenplatz vor dem Dom befanden sich zahlreiche Buden und Festzelte verschiedener Bevölkerungsgruppen, Religionen und Initiativen, die sich vorstellten und für Toleranz und friedliches Miteinander warben.

Wir zogen weiter zum Gutenberg-Museum. Wie der Name vermuten lässt, ist es Johannes Gutenberg und seiner Erfindung, dem Buchdruck gewidmet. Erstaunlicherweise erfährt man über Gutenberg nicht viel. Es gibt einige Gemälde mit seinem Konterfei, die aber sehr unterschiedlich aussehen und erst nach seinem Tod entstanden sind. Daher ist man sich nicht sicher, ob er wirklich so aussah. Außerdem ist auch nicht sicher, ob seine Erfindung nun in Mainz oder Straßburg erfolgte. Vor allem im 16. Jahrhundert gab es darüber zahlreiche Diskussionen. Den größten Schatz des Museums, die 1452-55 gedruckte Gutenberg-Bibel ist zusammen mit einer handschriftlich hergestellten Bibel und zwei anderen gedruckten Exemplaren (von denen das Museum eines in den 1980er Jahren bei einer Auktion in New York für 3,7 Millionen DM-Mark – aus heutiger Sicht fast ein Schnäppchen – ersteigert hatte) in einem speziellen Tresorraum zu bewundern. Neben der Entwicklung des Buchdrucks und der Papierherstellung gab es eine interessante Ausstellung über die Geschichte der Zeitung und ihre Rolle in der Politik. Dabei erfuhren wir, dass die erste Zeitung 1650 in Deutschland erschienen ist. Zum Abschluss des Museumsbesuches sahen wir noch eine Vorführung in der rekonstruierten Gutenberg-Werkstatt. Wenn man bedenkt, welche Revolution die Erfindung des Buchdrucks für die Gesellschaft hatte, wundert es nicht, dass das amerikanische Life-Magazin Gutenberg und Mann des Jahrtausends krönte.

Unser Bildungshunger war nun erst einmal gestillt, und wir schwangen uns wieder auf die Räder, um unseren Weg rheinabwärts fortzusetzen. In Mainz überquerten wir die Rheinbrücke, denn der Hauptweg führte auf der rechten Flussseite bis Rüdesheim. Bekanntlich liegt auf der Mainz gegenüber liegenden Seite die hessische Landeshauptstadt Wiesbaden. Mit Verwunderung nahmen wir dabei zu Kenntnis, dass es zumindest zwei Wiesbadener Stadtteile mit der Vorsilbe Mainz gibt.

Unser Weg führte durch verschiedene Grünanlagen und sogar über eine Insel. Auf dem Nebenarm des Rheins fand gerade ein Ruderwettkampf statt, der eine ganze Menge Besucher angelockt hat und von uns etwas Geduld erforderte, da es nur langsam voranging. Wir fuhren an Schloss Bieberich vorbei nach Eltville, einem hübschen Städtchen mit mittelalterlichem Flair und einer beeindruckenden Burg. Weiter ging es nach Hattenheim sowie Oestrich-Winkel. Beide Orte streiften wir jedoch nur, da der Radweg direkt am Rhein verlief und von der Stadt durch eine starkbefahrene Straße getrennt wurde. Zwischen Oestrich und Winkel fand das Kirchweihfest direkt am Rhein statt. Es gab eine ganze Menge Buden und Weinstände. Aber so verlockend das auch war, wir wollten lieber erst unser heutiges Ziel erreichen, ehe wir nochmal von dem köstlichen Wein probieren würden. In Geisenheim kehrten wir im „Bootshaus“ ein und stärkten uns mit Schokoladenkuchen und Saft bzw. Espresso. Nachdem wir gestern feststellen mussten, dass es nicht unbedingt immer einfach ist, eine Unterkunft zu finden, suchten wir uns im Reiseführer schon mal eine Unterkunft für die heutige Nacht raus und riefen an, um ein Zimmer vorzubestellen. Das klappte dann auch beim zweiten Anlauf.

Frisch gestärkt machten wir uns wieder auf den Weg. In Rüdesheim nahmen wir die Fähre nach Bingen. Den – sicher auch sehenswerten Ort – ließen wir links liegen und fuhren auf dem neugestalteten Radweg aus der Stadt heraus. Es folgte der bisher romantischste Teil des Radweges. Das Rheintal ist hier von relativ hohen Bergen umgeben, auf denen stolze Burgen – manchmal auch nur noch deren Ruinen – thronen. Das Wetter meinte es auch gut mit uns und so konnten wir diesen Teil der Fahrt wirklich genießen. Es dauerte auch nicht lange und wir erreichten unser heutiges Etappenziel – Bacharach. Hoch über der Stadt liegt die Burg Stahleck, in der sich heute eine Jugendherberge befindet. Wir machten es uns in der Pension Winzerhaus bequem. Auf Empfehlung der freundlichen Wirtin begaben wir uns zum Essen wieder hinunter in den Ort, in die Weinstube „Grüner Baum“. Nach Zwiebelkuchen und Federweißem probierten wir noch jeweils einen trockenen Wein (Riesling und Scheurebe) und einen etwas lieblicheren Riesling, begleitet von einer „Winzerplatte“ (verschiedene Wurstsorten, Käse, Oliven, Kapern und Brot). Gesättigt und gut gelaunt begaben wir uns in unser Domizil.