Speyer – Nierstein

86 km

 

Nach einem ausgiebigen Frühstück – einige Kalorien wurden gleich wieder beim Gepäckschleppen und Fahrradaufbau verbraten – radelten wir ganz mutig ohne Regenklamotten los. Auf dem Rheindamm passierten wir eine Infomationstafel zur Geschichte der Rheinvermessung und -kartierung, derer man sich schon ab 1860 international im Interesse der Rheinschifffahrt verstärkt angenommen hatte. Hier an dieser Stelle sollte eigentlich ein Myriameterstein zu finden sein, eine 10.000-Meter-Marke, aber vielleicht war er nur im hohen Gras versteckt.

Der Rheinradweg führte uns auf diesem Abschnitt nur selten an den Rhein. Das nächste Ziel war Worms, aber dazwischen lagen noch einige Kilometer, auch durch Ludwigshafen. Dank einer neuen Umfahrung mussten wir aber nicht mitten durch die Stadt und die Industriegebiete direkt am Rhein. Allerdings nahm Ludwigshafen praktisch kein Ende: alle Ortsteile die wir passierten gehörten noch dazu. Trotz der allgegenwärtgen Industrie, besonders BASF führte der Radweg durch grüne Waldstücken und Auen. Im Wald kam uns ein österreichischer Fernradler entgegen, der sich besorgt erkundigte ob es denn auf unbefestigten Wegen weiter bis Speyer ginge. Da konnten wir ihn beruhigen, weil die Strecke, auch auf dem Rheinhauptdamm, meist asphaltiert ist. Warum sie die Strecke verlegt hatten, konnten wir ihm allerdings nicht mit Sicherheit sagen, vielleicht wegen der landschaftlich schönen Strecke. Er blickte kurz mal hoch ins grüne Blätterwerk über uns und meinte „Noaja…“

Worms wollte uns wohl nicht empfangen, jedenfalls blies uns der Wind recht heftig ins Gesicht. Aber es regnete nicht, und gelegentlich blinzelte schon einmal etwas Helles durch den noch ziemlich verhangenen Nebel.

Im Stillen dachte ich mir, welche Tourismuswerbung in Englisch bei diesem Stadtnamen erfolgreich sein kann. „VISIT WORMS“ – wohl kaum, „City of Worms“ klingt auch nicht so toll, außer für Angler… Naja, wir müssen dieses Problem ja nicht lösen. Der Dom war beeindruckend, auch wenn man kaum einen unverstellten Blick hatte, da gerade etliche Bühnen und Veranstaltungszelte aufgebaut wurden, für den landesweiten, d.h. rheinland-pfälzischen „Ehrenamttag“. Auch rund um den Dom war nicht mehr viel alte Architektur erhalten. Innen war der Dom mit der fast tausendjährigen Geschichte – 2018 wird das Jubileum gefeiert schon ehrfurchteinflößend. Ebenos die Gruft mit Särgen von Verwandten von Kaiser Konrad II aus den Jahren vor 1000 n.Chr.

Auffällig: das Lutherdenkmal, in deren Mitte der Reformator überlebensgroß aufrecht steht – mit dem Spruch „Hier stehe ich, ich kann nicht anders, Gott helfe mir“ – umringt von den viel kleineren, weil kleingeistigen geistlichen und weltlichen Fürsten. Die 1521 auf dem Reichstag gegen Luther verhängte Reichsacht konnte die Reformation nicht aufhalten.

 

Ganz weltich gönnten wir uns noch einen Kaffee und Kuchen und setzten unsere Tour fort. Ausgeschildert war einen Umleitung des Rheinradwegs über den Rheinterasssenweg durch Weinberge und Hänge bis Nierstein. Wir folgten dieser Empfehlung, weil wie ja auch schon etliche Umleitungen am Rheinufer wegen Dammbauarbeiten erlebt hatten.

Der Weg führte durch Osthofen, nach einem „Tankstopp“ für 2x 1,5 Liter Wasser, folgten wir der Empfehlung einer Dame und hielten nach dem Schloss Ausschau. Eigentlich sollten wir den englischen Schlosspark passieren, aber wir mussten doch vom Radweg kurz abweichen und schließlich zu Fuß noch einen Blick in den Schlosspark werfen. Das Schloss nunja, ganz nett, aber da es sowieso halb eingerüstet war, befanden wir es einer näheren Betrachtung nicht für würdig und verließen wieder den Park.

Hatten wir anfangs gewisse Zweifel, warum dieser Rheinterassenweg so wärmstens empfohlen worden war, wurden diese im weiteren Wegverlauf zerstreut. Der Weg führte fast durch die Weinberge, rechts und links hingen in langen Reihen von Rebstöcken volle blaue und weiße Trauben. Außerdem durchquerten wir malerische Ortschaften wie Guntersblum, Oppenheim – ich erinnerte mich dunkel, dass wir schon einmal einen Wein „Oppenheimer Krötenbrunnen“ erworben und tatsächlich auch getrunken hatten – un schließlich Nierstein. In Nierstein traf die Ausweichroute wieder auf den richtigen Rheinradweg. Und wir begannen unsere Suche nach einem Quartier, was sich als schwierig erwies: die Hotels am Rhein waren alle ausgebucht, selbst „Vater Rhein“,der zum Verkauf stand. (Was ist wenn die Japaner oder Amerikaner den Vater Rhein kaufen? Ist dann der Rheinradweg auch weg?) Schließlich versuchte ich im „Klabautermann“ noch mein Glück. Ich betrat den Gastraum – niemand da. Ich folgte den Stimmen bis in den Innenhof („Biergarten“) wo sich auf meine Frage nache einem Doppelzimmer ein älterer Herr hochschraubte und mir das Zimmer zeigte. Der große Flachbild-Fernseher ließ das Zimmer vielleicht noch einen Tick kleiner aussehen, aber wir hatten ein Dach über dem Kopf! Nach der erneuten Menschwerdung qua Dusche begaben wir uns noch einmal in Richtung Nierstein, aber wir bleiben an einer Straußen wirtschaft hängen, die auch ein kleines Speisenangebot mit unschlagbaren Preisen bereit hielt. Bei einer ganzen Flasche Riesling (10 €), einer Kartoffel-Maronen-Suppe und einem eingelegten Camembert ließen wir die Kilometer Kilometer sein. Den Abend beschlossen wir mit einer eher kurzen Runde durch den Ort, und dann Schlafenszeit!