Dublin

Trotz Doppelstockbett haben wir ganz gut geschlafen und konnten nun den Bloomsday in Dublin genießen. Bloomsday? Der weltweit einzige Feiertag, der einem literarischen Helden gewidmet ist – Leopold Bloom aus dem Roman „Ulysses“ von James Joyce, der am 16.06.1904 in Dublin spielt.

Das im Hostel angebotene Frühstück bestand aus Toast mit Marmelade und Tee oder Kaffee, die in der Gemeinschaftsküche selbst zuzubereiten waren. Darauf hatten wir keine große Lust, zumal schon ein ganz schönes Gewusel herrschte. Also machten wir uns auf den Weg, um uns irgendwo in einem Café ein Frühstück zu gönnen. Laut Reiseführer sollte man sich bei einem Dublin-Besuch unbedingt einen Kaffee in Bewley’s Oriental Café gönnen, was wir dann auch taten. Steffen entschied sich für ein Full Irish Breakfast, während ich einen Obstsalat mit Joghurt und ein frisches Croissant mit Marmelade wählte, dazu gab es frisch gepressten Orangensaft und den berühmten Bewley’s Kaffee. Es war vorzüglich.

So gut gestärkt gingen wir nun zum Trinity College. Ursprünglich wollten wir nur die Old Library und das Book of Kells sehen, doch als wir durch den Torbogen traten und die sehr schönen Gebäude sahen, beschlossen wir, erstmal an einer Führung über den Campus teilzunehmen. Unser Guide, David ein Englischstudent, hatte gerade seine Abschlussprüfungen hinter sich gebracht und wartete nun nur noch auf die Abschlussfeier. Die Zeugnisausgabe erfolgt entsprechend der Benotung, die Besten zuerst, das alles findet in Latein statt und das verstehen seine Eltern zum Glück nicht …

Das Trinity College wurde 1592 von Elisabeth I gegründet mit dem Ziel „Irland zu zivilisieren sowohl durch Wissenschaften als auch die protestantische Religion“. Seit Mitte des 19. Jahrhunderts studieren auch Katholiken an dieser Universität, und seit 1903 auch Frauen, obwohl dies Anfangs bei einigen Dozenten wenig Begeisterung hervorrief. Zu den Absolventen gehören unter anderem Jonathan Swift, Oskar Wilde, Samuel Beckett und auch Irlands erste Präsidentin Mary Robertson.

Auch eine altehrwürdige Universität muss mit der Zeit gehen und so gesellten sich zu den schönen alten Gebäuden des 18. und 19. Jahrhunderts ein paar moderne Gebäude, deren nackter Beton – wenn auch von einem renommierten Architekten entworfen, meiner Meinung nach nicht besonders schön anzusehen ist, aber mit dem Geschmack ist das ja so eine Sache. Wegen ihrer kastenartigen Erscheinung wurde z.B. die Berkeley Library von den Studenten auch treffend Fotokopierer getauft.

Nach der Campus-Führung brauchten wir erst einmal etwas Geduld, denn die Schlange vor der Old Library – der Alten Bibliothek – war lang. Während Steffen sich anstellte, nutzte ich die Gelegenheit, um noch schnell ein paar Karten zu schreiben. Nach etwa einer halben Stunde Wartezeit war es dann soweit: Eine Ausstellung über alte Manuskripte, ihre Bedeutung und Entstehung stimmte uns auf das Highlight ein – das Book of Kells. Dieses Meisterwerk der Schriftkunst wurde um 800 von Mönchen im Kloster Kells geschaffen. Es enthält die vier Evangelien in vier Bänden und hat insgesamt über 600 Seiten. Zwei Bände werden ständig ausgestellt. Dabei sind eine Text- und eine Bildseite zu sehen, die regelmäßig umgeblättert werden, um zu vermeiden, dass die Seiten durch die Lichteinstrahlung verblassen.

Um die ganzen Details auf nur einer Seite wahrzunehmen, müsste man stundenlang schauen. Doch wir sind schließlich nicht die Einzigen, die dieses Werk bestaunen und so können wir es nur kurz bestaunen. Von diesem Heiligtum geht es weiter in den Long Room. Wie der Name schon sagt, ist es ein langer Raum, der fast wie ein Tunnel wirkt. Die Pfeiler an den Seiten sind jedoch Regale voller alter Bücher und so riecht es auch. In der Mitte des Gangs sind Schaukästen, in denen besondere Bücher ausgestellt sind, aber auch interessante Informationen zur Restaurierung alter Bücher vermittelt werden. Wer würde hier nicht gerne einmal stöbern. Doch das geht natürlich nicht.

Soviel zu lernen und zu schauen macht natürlich durstig und so machten wir von dem „2 Kaffee zum Preis von 1“ Coupon Gebrauch, der auf unserer Eintrittskarte war, und „verdauten“ die vielen Infos zusammen mit einem Stück Kuchen.

Inzwischen war es Nachmittag geworden, also nicht mehr viel Zeit für Kultur, denn gegen 17.00 Uhr schließen die Museen. Bei den verschiedenen Angeboten fällt es schwer, sich für etwas zu entscheiden. Am Ende gingen wir ins National Museum. Wie auch in der National Gallery ist der Eintritt frei. Das National Museum hat mehrere Filialen, u.a. für verschiedene Themenbereiche. Wir besuchten das für Archäologie und Geschichte. In der Abteilung Prähistorisches Irland ist ein 5000 Jahre alter Einbaum zu bestaunen. Dann gibt es noch die Schatzkammer, eine Abteilung über das Alte Rom und Ägypten sowie die Wikinger. Eine wichtige Attraktion hätten wir fast verpasst – die Moorleichen. Für jede gibt es Infotafeln aus denen u.a. ihr Alter zum Zeitpunkt des Todes, die Todesursache bzw. vermutete Todesursache, die Zeit in der sie gelebt hat, Zeit und Ort ihres Auffindens angegeben sind sowie die Verfahren, die angewandt wurden, um so viel wie möglich über diese Personen herauszubekommen,. Die meisten stammen noch aus vorchristlicher Zeit und sind erstaunlich gut erhalten. Bei einer Person, die im Kampf starb, konnte sogar ermittelt werden, was sie zuletzt gegessen hat (vor mehr als 2000 Jahren!)

Nach einem kurzen Stopp im Museumsshop brauchten wir unbedingt frische Luft, uns rauchten die Köpfe. Im Stadtzentrum herrschte natürlich reger Betrieb. Gelegentlich sah man dem Anlass (Bloomsday) entsprechend gekleidete Leute – mit Hut, Smoking, die Damen im langen Kleid – die entweder als Literaturkenner auf den Spuren von James Joyces Helden wandelten oder als solche erscheinen wollten.

Wir ließen uns treiben, gönnten uns bei Murphy’s ein Eis und schlenderten über die Brücke des Liffey auf die andere Seite in Richtung Schriftstellermuseum. Das hatte zwar schon zu, aber es sollte da ein nettes Restaurant geben… das allerdings Sonntags geschlossen ist. Inzwischen regnete es ziemlich stark, so dass wir uns schnell ein trockenes Plätzchen suchen wollten. Das fanden wir auch in der O’Connell Street – eine Brasserie. Die Speisekarte klang verlockend, also nichts wie rein. Das Essen schmeckte auch wirklich lecker – Steffen hatte ein großes Steak gewählt und ich Seezunge mit gedünsteten Prinzessbohnen und zum Nachtisch Bread and Butter Pudding bzw. Apple Crumble. Offensichtlich war das Personal etwas überfordert, denn wir warteten ewig auf die Rechnung, aber wenigstens waren wir satt, während unsere Tischnachbarn noch hungrig auf ihr Essen warteten. Wenn man später noch etwas vorhat, sollte man lieber auf ein Essen hier verzichten.

Nachdem wir lange hin- und her überlegt hatten, ob wir mit dem Bus oder der Straßenbahn zum Hostel zurückfahren sollten, entschlossen wir uns doch noch für einen Abendspaziergang.