Salthill-Mweenish Island (82,49 km)

Ich sitze gerade im Wintergarten unserer heutigen Unterkunft – zur Abwechselung mal wieder ein B&B – mit Blick auf das Meer und die untergehende Sonne und lasse dabei den Tag Revue passieren:

Auch heute wurden wir wieder von blauem Himmel und Sonnenschein geweckt. Nachdem wir gefrühstückt und zusammengepackt hatten, ging’s los Richtung Connemara. Die Straße führte dicht an der Galway Bay entlang. Wären da nicht die vielen Autos und Busse gewesen, hätten wir die Aussicht auf die Bucht, den auf der anderen Seite gelegenen Burren und später die Aran-Islands wesentlich besser genießen können. Aber so mussten wir uns stark auf den Verkehr konzentrieren. Dennoch begeisterten uns zahllose kleine Buchten, blühende Wiesen (Sumpflilien, Rhododendron, Margariten, um nur Arten einige zu nennen), strahlend weiße Häuser und die charakteristischen Feldsteinmauern, die seit jeher die einzelnen Grundstücke bzw. Weideflächen voneinander trennen.

Mit leichtem Rückenwind ging es rasend schnell voran und auch der Verkehr ließ langsam nach, je weiter wir uns von Galway entfernten. Wo immer es möglich war, nahmen wir den Umweg über Nebenstraßen, so auch über Rossaveel, wo noch einmal eine Fähre auf die Aran-Islands abfährt.

So langsam wurde das Land wieder hügeliger, also gab es auch wieder den ein oder anderen Anstieg. Die Landschaft wurde noch abwechslungsreicher. In der Ferne ragten die Berge auf, die bis auf über 800m hochragen, die weit geschwungene Galway-Bucht hat viele kleine Einschnitte, die tief ins Land hineinreichen. Der saure Boden eignet sich nur als Weideland und zum Torfabbau. In der Ferne sahen wir Bauern beim Torfstechen, und beiderseits der Straße waren Torfziegel zum Trocknen aufgestapelt.

Unsere Route führte uns auch über einige Inseln, die wir über Brücken erreichten. Voller Faszination bestaunten wir das darunter fließende glasklare Wasser, das in vielen Blautönen schimmerte.

Nach etwa 50 km hielten wir bei einem Café für eine Mittagsrast an. Die Spezialität des Tages – Salat mit warmen Räucherlachs war für einen hungrigen Radfahrer eher ein Witz, aber wir waren zumindest erstmal etwas gestärkt. Außerdem hatten wir Bekanntschaft mit einem Radler aus British Columbia gemacht, der unsere Strecke in entgegengesetzter Richtung fuhr.

Unser nächster Stopp war Padraic Pearse’s Cottage – das Sommerhaus eines irischen Nationalhelden. Inspiriert durch das bilinguale System in Belgien, wollte er etwas Ähnliches für Irland schaffen, um die irische Sprache, die fast dem Untergang geweiht war, am Leben zu erhalten. 1905 gründete er die Schule St. Edna, wo er seinen Traum in die Tat umsetzen wollte. Ein paar Jahre später ließ er das Cottage in Connemara bauen, das seiner Familie als Sommersitz diente und wo er gleichzeitig seine Schüler unterrichtete und ihnen die Möglichkeit bot, in eine Umgebung einzutauchen, wo die Sprache noch aktiv angewandt wird, wie es in diesem Teil Irlands bis heute der Fall ist. Durch seine Beschäftigung mit der irischen Sprache wurde auch sein politisiert und setzte sich für die Unabhängigkeit Irlands ein. Als der irische Aufstand 1916 niedergeschlagen wurde, wurde er verhaftet und später hingerichtet.

Heute wird Gälisch in ganz Irland als Pflichtsprache unterrichtet, für Kinder und Jugendliche gibt es Sommerlager, bei denen Gälisch intensiv gelernt wird und traditionelle irische Sportarten, Musik und Kultur vermittelt werden. An der Strecke hatten wir ein großes Schulgelände mit Sportplatz passiert, wo Jugendliche gerade irischen Football (eine Mischung aus Fuß- und Handball übten).

Wir setzten unseren Weg auf der R340 Richtung Südwesten fort. An einem Supermarkt füllten wir unsere Vorräte auf und genehmigten uns noch ein Dessert (Kuchen bzw. Eis) ehe es auf die Schlussetappe ging. Eigentlich wollten wir einen Abstecher zur Finish Island machen, einer unbewohnten Insel mit verlassenen Häusern, die nur bei Ebbe erreichbar ist. Doch als wir dort waren, war gerade Flut und somit fiel dieser Abstecher aus. Der nächste Ort war Carna – unser heutiges Etappenziel. Das Hostel, in dem Jürgen und Doro bei ihrem letzten Irlandurlaub vor 22 Jahren übernachtet hatten, ist jetzt eine Gaststätte ohne Übernachtungsmöglichkeit. Doch kurz dahinter gab es ein Hinweisschild für ein B&B auf der Insel Mweenish 3 Meilen weiter. Wir fuhren nochmal durch eine tolle Landschaft und fanden hier schließlich eine Unterkunft. Die Wirtsleute sind beide in der Gegend hier aufgewachsen und haben sich nach 38 Jahren in den Staaten hier ihren Altersruhesitz geschaffen. Die Zimmer sind wie im Märchen – mit viel Rüschen und allerlei Nippes. Gleich nach dem wir ankamen, wurde uns Tee und Kaffee sowie Kuchen angeboten. Wir nahmen den Tee auf der Terrasse mit Meerblick. Anschließend gingen wir nochmal zum Strand und wagten sogar ein Bad. Der Gang ins Wasser kostete zwar etwas Überwindung, aber wenn man einmal drin war, war es herrlich.

Auf dem Rückweg sahen wir noch zwei im Wasser spielende Robben.

Zum Abendbrot gab es eine Gemüse-Nudelsuppe aus der Tüte, die Steffen in der Küche unserer Gastgeber kochte, sowie Obst, Gemüse, Brot und Käse dazu Tee mit Milch – all das wieder auf der
Terrasse mit Blick auf das Meer und die langsam darin versinkende Sonne.

 

Jetzt ist der Sonnenuntergang vorbei daher: Gute Nacht! Und ganz liebe Grüße an die Wanderer in China!