Ruhetag in Galway (21,87 km zu Rad und zu Fuß)
Da wir gestern Abend spät angekommen waren, gönnten wir uns noch einen „Ruhetag“, um uns die Stadt anzusehen, die inzwischen einen Ruf als aufstrebende Stadt mit ausgiebigem Kultur- und Freizeitangebot gilt. Das Galway-Kulturfestival ist zwar erst im Juli, trotzdem war in der Stadt allerhand los. Wir radelten die Küstenpromenade entlang in die Stadt, am Vormittag war das auch noch gut möglich, auch wenn Jogger und Spaziergänger unterwegs waren. In einem Uferpark stießen wir auf ein Denkmal mit den Namen aller Schiffe, die von Galway aus irische Auswanderer im 19. Jahrhundert zur Zeit der großen Hungersnot („Great Famine“) über den Atlantik brachten.
Überhaupt spielen die See und das Wasser in Galway eine bestimmende Rolle, auf jeden Fall im Stadtbild: Hier mündet der Fluss Corrib aus dem gleichnamigen See in die Bucht von Galway, der Eglington-Kanal und zahlreiche Nebenarme und ehemalige Mühlenfließe bieten schöne Spazierwege und Liegewiesen entlang des Ufers, auf denen sich gegen Nachmittag auch immer mehr vor allem junge Leute tummeln..
Auch die alten Gassen im Zentrum, heute meist Einkaufsstraßen, waren bevölkert. Wir hatten unsere Fahrräder am Corrib-Kai angeschlossen und erkundeten die Stadt nun zu Fuß. Ganz gefährlich: Buchläden – wir kamen an dreien nicht vorbei, leider mussten wir Rücksicht auf unsere Tourgepäck nehmen und beschränkten uns beim Einkauf daher auf Postkarten und einen kleinen handlichen Straßenatlas, damit Birgit endlich auch „á la carte“ Rad fahren konnte.Es kostete einige Überwindung, zumal der eine Buchladen rundum durch die ganze Passsage Regale mit antiquarischen Büchern und auch sonst eine große Vielfalt in allen möglichen Fachgebieten bot.
Schweren Herzens, schließlich waren wir mit dem Rad unterwegs und konnten uns nicht weiter mit „Lesegepäck“ belasten – setzten wir unseren Stadtrundgang fort. Von weitem war die große Kathedrale zu sehen. Obwohl großzügiger angelegt wirkte sie innen genauso düster und respekteinflößend wie jede andere altehrwürdige Kirche mit massiven grauen Sandsteinmauern. Allerdings war diese Kirche erst 1954 gebaut worden. Für kleine Farbtupfer sorgten einige „Quilting“-Wandbilder zu religiösen Themen, die anlässlich des internationalen Quilting-Festivals hier ausgestellt wurden. Mit verschiedensten Stoffen, Farben und Kunststichen hatten Künstler aus mehreren Ländern ihren Bezug zu Religion und Spiritualität beeindruckend in Szene gesetzt; uns hatte besonders die verblüffend plastische Darstellung eines alten Klosters beeindruckt.
Zwei Teilnehmerinnen des Festivals standen den Besuchern für Fragen zur Verfügung, eine Amerikanerin berichtete ihren Landsleuten gerade von ihrer Überraschung und unbändigen Freude über den 1. Preis im Wettbewerb.
Inzwischen waren wir reif für eine Pause, sie führte uns ins Goya’s ein wirklich guter „Geheimtipp“ aus dem Reiseführer – die Spezialität sind leckere Pies (Pasteten) und Quiches und Kuchen, Scones …
Den Ruhetag wollten wir mit einem kulturellen Erlebnis beschließen, also suchten wie die drei im Stadtplan verzeichneten Theater, um uns über den Spielplan zu informieren. Eine Theatertruppe war leider auf Gastspiel unterwegs, im Town Hall Theatre wurde eine irische Komödie „The real McCoy“ gespielt. Der Titel spielt auf eine englische Redewendung an, die sich am ehesten mit „Der wahre Jakob“ übersetzen lässt. Die Vorstellung begann 20.00 Uhr, wir hatten also noch reichlich Zeit. Nach einigen weiteren Schlenkern durch die Stadt, unter anderem mit einem Blick auf die alen mittelalrterlichen Grundmauern des Hauses, des „Roten Grafen“ (Red Earl), kehrten wir zum Kai zurück, wo unsere Räder angeschlossen waren und „mischten uns unter die Menschen“ die dort den strahlendem Sonnenschein auf der Wiese, den Steinstufen oder Bänken genossen. Wir nutzten die Gelegenheit zu einem kleinen Picknick und ruhten uns ein wenig von den ganz anderen Strapazen einer Stadterkundung aus. Lange hielt es uns aber nicht in der prallen Sonne, also spazierten wir noch ein wenig bis zum Ende einer Landzunge und zurück bevor wir uns auf unsere Räder schwangen und uns schon langsam in Richtung Theater auf den Weg machten. Im Galway Arts Centre in einem restaurierten alten Gebäude fand gerade eine Ausstellungseröffnung statt, wie man uns am Empfangsschalter erklärte. Das klang bombastisch, beschränkte sich allem Anschein erst einmal darauf, dass der Künstler selbst eintreffenden Gästen ein Gläschen Sekt, Wein oder Alkoholfreies anbot und dabei gleich in ein Gespräch verwickelte.Angesichts der, nun ja, eigenwilligen und düsteren Kunstobjekte hätten wir das Getränk lieber nehmen sollen; ein großer schwarzer Ball zwängte sich bedrohlich durch einen Türrahmen und auf einer großen Leinwand waren in schwarz-weiß und grau etliche Metaphern und Bedrohungen versammelt. Dazu gab es ein Schwarzweiß-Video zur Entstehung und zur Vernichtung der Welt…
Auf diesen Schreck und vor allem noch vor dem Theater mussten wir unbedingt eine Kleinigkeit essen. Wir landeten ganz untypisch bei einem Italiener nicht weit vom Theater. Wir genossen draußen am Tisch Pizza bzw. Pasta und das auf Kosten des Hauses gereichte Glas Wein. Dabei kamen wir, wie sollte es anders sein in Irland, mit den Leuten am Nachbartisch ins Gespräch, eine fröhliche Amerikanerin aus Massachusetts mit ihrem irischen Ehemann. Sie bekannte sich als „Pazifistin“ und sagte, sie sei froh, dass ihre Kindern weit weg in Irland aufwachsen konnten. Die offene Art der Iren erklärte der Ehemann mit Ehrlichkeit, auch wenn sie dich hassen merkst du es und weißt woran du bist.
Mehr irische Folklore gab es nun im Theater; wobei wir den Altersdurchschnitt erheblich drückten.
Als erstes gab es eine Lautsprecherdurchsage wie im Flugzeug, man wurde begrüßt und erfuhr gleich alles:Flug- äh Spielzeit, Pause und dass es noch eine Tombola mit Geld- und Sachpreisen nach dem Stück gibt, für die man in der Pause Lose erwerben könne.
Das Stück war eine volkstümliche Komödie mit Slapstick-Momenten und irischen Sprüchen.
1964, nach 43 Jahren, die Molly ihre Tochter und Haus und Hof allein versorgt hatte, taucht plötzlich, und das noch unter den Augen der streng religiösen und moralistischen aber penetrant neugierigen Nachbarin, ihr nach 6 Wochen Eheglück verschwundener Ehemann auf, dem sie es nie und nimmer verziehen hat, dass er neben ihrer Aussteuer auch den nagelneuen Torfspaten mitgenommen hatte. Zu allem Überfluss will die Tochter den Postboten heiraten und mit ihm weit weg, nach Dublin, ziehen. Und da ist noch die Vertretung für den in den Ruhestand gegangenen Pfarrer, Father McCoy, der auch ein Geheimnis hat…Kurz, alle irischen Traditionsklischees werden bedient und auf die Schippe genommen.
Ein intensiver Tag endete, wie sonst, mit eine paar Kilometern auf dem Rad zu unserem Zeltplatz draußen vor der Stadt.