Doolin – Salthill (94 km)

Trotz des Regens am gestrigen Abend wurden wir heute wieder von blauem Himmel und Sonnenschein geweckt. Nach einem gemütlichen Frühstück wurden die Zelte abgebaut, die Räder beladen und los ging’s – oder zumindest fast… denn bei Steffens Schutzblech hatte sich eine Schraube gelockert, also musste erst noch kurz das Hinterrad ausgebaut, die Schraube festgezogen und das Hinterrad wieder eingebaut werden. Aber dann waren wir endlich startklar. Zuerst ging es auf einer der North Clare Cycle Routes von Doolin nach Fanore, durch den Burren Nationalpark. Dabei handelt es sich um ein riesiges Gebiet, das vorwiegend aus Kalkstein besteht. Abgesehen von einem relativ kleinen Gebiet, das forstwirtschaftlich genutzt wird, wirkt die ganze Gegend sehr karg und eigenartig. Es gibt riesige Hügel, die aus der Ferne betrachtet nur aus grauem Stein bestehen, Doch die Felsen sehen aus, als hätte sie jemand mit viel Sorgfalt gerade Stufen hinein gebaut und zwischen den einzelnen Felsen regelmäßige Zwischenräume gelassen. Darin wachsen dann unzählige Kräuter, Gräser und Blumen. Offensichtlich haben wir die richtige Zeit für unsere Tour gewählt, denn es gibt richtige Blütenteppiche. Die herrliche Vegetation und phantastische Ausblicke auf malerische Buchten waren der Lohn für mächtige steile Anstiege, die wir uns vor allem am Anfang unserer heutige Etappe hinaufquälen mussten. Doch wir haben es geschafft, gelegentlich zwar wie Dampfmaschinen schnaufend, aber naja. Ab und an plagten uns nicht nur die Anstiege, sondern auch der uns entgegenblasende Wind. Da leistete Jürgens breites Kreuz gute Dienste als Windschattenspender. Nach etwas über 30 km kamen wir nach Ballyvaghan, wo wir uns auf der Terrasse der Monk’s Bar ein Mittagessen gönnten – wir teilten uns jeweils eine Suppe (Jürgen+Doro) bzw. Seafood Chowder – eine sehr cremige Fischsuppe, die uns bereits am Pazifik begeisterte, und Fish and Chips. Übrigens wird behauptet. Boris Jelzin hätte die Austern in diesem Restaurant als die besten Europas bezeichnet – wer weiß ob’s stimmt? Zum Abschluss noch einen Kaffee und dann ging’s weiter. Ein paar Kilometer hinter dem Ort war plötzlich die Straße gesperrt – wegen eines Unfalls. Als Radfahrer konnten wir zwar vorbeifahrend, aber beim Anblick eines auf dem Dach liegenden zusammengedrückten Pkws und eines Traktors sowie der offensichtlich schwerverletzten Fahrer, die zum Glück schon von der Polizei versorgt wurden, wurde uns doch ganz schön mulmig. In dieser dünn besiedelten Gegend dauert es natürlich auch ziemlich lange bis endlich der Krankenwagen kommt. Als dieser uns entgegenkam, hatten wir schon wieder etliche Kilometer zurückgelegt.

Leider waren wir heute über weite Strecken auf die Hauptstraße angewiesen. Es macht nicht allzu viel Spaß, wenn man auf den engen Straßen von Bussen, Lkws und anderen Fahrzeugen überholt wird.

In Kinvarra fand Jürgen endlich einen Fahrradladen, wo er seinen Lenker feststellen und eine neue Pedale erwerben konnte (beide hatten während des Fluges gelitten). Wir anderen drei fuhren schon mal vor zum Dungaire Castle, einer Burg aus dem 16. Jahrhundert. Nach dem Krieg wurde die Ruine von einer englischen Lady erworben, die sie sanieren ließ und hier bis in die 70er Jahre lebte. Man kann den Speisesaal besichtigen, wo heute täglich mittelalterliche Bankette veranstaltet werden, sowie Wohnräume und sogar den Wehrgang entlanggehen – aber nur wenn man nicht zu dick ist, denn es ist mächtig eng da oben. Insgesamt steigt man 77 Stufen nach oben – was bei schönem Wetter unbedingt zu empfehlen ist.

Nach dieser Bildungs-Pause ging es wieder auf’s Rad. Glücklicherweise gab es einige Nebenstraßen, über die wir relativ entspannt Galway entgegenradeln konnten. Zweimal querten wir einen Bahnübergang – beim zweiten Mal ging gerade die Schranke runter und wir konnten den Zug sehen, der von Dublin nach Galway fährt. Er sieht aus wie eine Art S-Bahn mit nur 3 Waggons, da wundert es nicht, dass man nur 2 Räder pro Zug mitnehmen kann.

Kaum waren wir wieder auf den Rädern, mussten wir schon wieder absteigen, denn die Straße wurde von Kühen versperrt, die sich beim Anblick unserer bepackten Fahrräder nicht weiter trauten und uns anstarrten. Eine Kuh war etwas mutiger und ging auf Jürgens Rad zu, um es ganz aus der Nähe zu bestaunen und daran zu schnuppern. Schließlich gingen sie doch alle an uns vorbei bzw. wurden vorbei getrieben und wir konnten unseren Weg fortsetzen.

Bald gab es kein Entrinnen mehr und wir mussten die Hauptstraße nehmen. Doch es war entspannter als befürchtet, erst gab es einen breiten Randstreifen und später eine gemeinsame Bus- und Fahrradspur. Nur in Galway wurde es wieder etwas eng, zumal ein irrer Verkehr herrschte, vor allem Richtung Salthill, dem Amüsier- und Badevorort.

Wir hielten noch an einem Supermarkt, um uns für Abendbrot und Frühstück einzudecken und nahmen dann die letzten Kilometer zum Zeltplatz in Angriff.

Der Zeltplatz hier ist ziemlich klein, aber sehr hübsch – für die Dusche braucht man keine Duschmarken (Tokens), und es gibt Tische mit Bänken, wo man wesentlich gemütlicher Essen kann, als auf der Wiese sitzend. Außerdem gibt es eine Küche mit Kühlschrank.

Nach einem leckeren Abendessen, setzte ich mich in die Küche, um meinen Chronistenpflichten nachzugehen, während die drei anderen noch zu einem kurzen Spaziergang aufbrachen.