Harwick – Cheswick

100 km

Ja wir haben sie genknackt, die 100-Kilometer-Marke! Nach einer überlangen Etappe sind wir in Cheswick angekommen. Unser Hotel „The Island View“ liegt vor der „Heiligen Insel“ Lindsifarne, die wir uns morgen anschauen wollen.

Heute am – ja richtig Sonntag! (man verliert die Zeitechnung ein wenig aus den Augen) – gab es leider erst ab 09.00 Uhr Früstück, also drehten wir unsere Morgenroutine um und packten alles und bepackten schon mal die Räder, damit wir nach dem Frühstück gleich losrollen konnten. So ganz klappte das dann doch nicht, weil uns der „Herbergsvater“ des Christian Center, der es sich nicht nehmen lassen wollte uns persönlich zu verabschieden, in ein Gespräch verwickelte. Er war beeindruckt von unserem Sportsgeist und unserem Radurlaub. Auf die übliche Frage woher wir kämen, entspann sich dann doch ein längeres Gespräch über Ost und West, da sein Vater bei der Berlin Brigade der britischen Streitkräfte stationiert gewesen war und er als Jugendlicher schon mal in Ostberlin war. Aber nun mussten wir wirklich los…

Die Berge waren uns diesmal gnädig, nur ein größerer Anstieg am Anfang; ansonsten gab es das übliche Auf und Ab mit noch ein paar schönen Ausblicken. Es war frisch, ab zu ließ sich die Sonne mal kurz blicken. Wir fuhren an einigen Herrenhäusern mit Parks vorbei, aber die Besichtigung z.B. von Monteviot Hous and Gardens mussten wir diesmal auslassen. Stattdessen wollten wir uns Kelso anschauen, den historischen Markflecken, der sich durch Land- und Viehwirtschaft und sicher auch die günstige Lage am Zusammenfluss von Tweed und Teviot entwickelt hatte. Straßennamen wie „Horsemarket“ und „Woodmarket“ zeugen noch heute davon. Von der Abtei von Kleso, gegründet 1128, die wichtigste der vier Abteien der Grenzregion und Prägestätte für Silbermünzen, steht nur noch eine beeindruckende Ruine, die man bereits von Ferne sehen kann. Der Wohlstand der Stadt machte sie zum lohnenswerten Ziel für englische Angriffe. Von 1297 bis 1450 war sie englisch besetzt. Der schottische König James II kam bei der Belagerung zu Tode, sein Sohn James III wurde wenige Tage später in der Abtei gekrönt, die Regentschaft für den noch jungen König übernahm seine Mutter Marie von Geldern. Sie ließ im Gegenzug die Burg und die Stadt des Duke of Roxburgh am gegenüberliegenden Tweed-Ufer zerstören. Überhaupt sieht man hier im schottisch-englischen Grenzgebiet viele Zeugnisse der Auseinandersetzungen. So wie die Ruine von Norham Castle im englischen Northumberland, das wir nach unserer Mittagspause und weiteren Kilometern und Überquerung der schottischen Grenze erreichten. Ein Erinnerungsfoto als Reminiszenz an unsere Radtour mit unseren Kindern vor vielen vielen Jahren musste schon sein.

Wir stießen wieder auf den Radweg NCN 1, der zum Teil die Straßen entlangführte aber auch sehr reizvoll (aber bergauf und bergab eben auch „leidvoll“) durch die Landschaft mäanderte. Ein kleines Stück mussten wir angesichts des „fortgeschrittenen Kilometerstandes“ (bereits über 80 km!) doch abkürzen – wir blieben auf der Straße und erreichten Berwick-upon-Tweed mit seiner noch gut erhaltenen Stadtmauer aus dem 16. Jahrhundert. Beeindruckend grüßt bereits von Ferne das Eisenbahn-Viadukt, erbaut von Dampflok-Stephensons Sohn. Auch dieser Ort war Teil der wechselvollen Geschichte – 13mal wechselte sie den Besitzer.

Hier stiegen wir wieder in den Radweg 1 ein, der hinter der Stadt an die Küste führte. Wir waren wieder an der See! Die Strecke bot reizvolle Ausblicke, aber auch schwieriges Gelände. Auf Asphalt folgte ein zerfurchter Schotterweg, dann ein Grasweg. Später ging es auf schmalem Weg durch die Felder. Ein heftiger Anstieg führte uns vom Radweg weg hoch zur stark befahrenen A1. Auf der anderen Seite lag unser Hotel, wo wir wegen des drohenden Küchenschlusses schnell in Radklamotten etwas aßen.