Edinburgh – Peebles
72,6 km
Gestärkt von gutem schottischen Lachs und allerlei anderen Leckereien brachen wir zur nächsten Etappe auf. Obwohl unser Hotel sehr zentral lag (unweit des schottischen Parlaments), konnten wir die Stadt fast ohne auf Autoverkehr zu treffen, verlassen. Dabei waren wir so sehr auf Berge eingestellt, dass wir uns beinahe noch auf Arthur’s Seat, den Hausberg Edinburghs hochgekurbelt hätten. Doch natürlich haben wir unseren Irrtum schnell bemerkt und sind nach einem kurzen Schwenker über die Straße zum Innocent Railway Cycle Path gekommen. Dieser folgt der Strecke der „innocent railway“ (unschuldige Eisenbahn) und geht zurück auf die erste von Pferdewagen gezogene Eisenbahn, die Kohle aus den Minen bei Dalkeith nach Edinburgh brachte, zu einer Zeit als dampfbetriebene Wagen noch mit sehr großer Skepsis betrachtet und gefürchtet wurden.
Wir konnten so ganz entspannt die ersten Kilometer unserer heutigen Etappe hinter uns bringen. Später ging es dann auch auf kleinen verkehrsarmen Straßen durch Vororte von Edinburgh. In einem nutzten wir die Gelegenheit, unsere Vorräte aufzufüllen, damit wir später ein schönes Picknick machen konnten. Das Wetter mit vielen sonnigen Abschnitten lud dazu ein. Und allmählich änderte sich auch die Strecke. Erst ging es noch auf einem städtischen Wanderweg entlang, dabei führte ein Abschnitt durch einen zauberhaften Märchenwald. Dann wurde es ernst. Es gab einige heftige Steigungen, bei denen ich trotz meines tollen Rades irgendwann aufgeben und absteigen musste. Steffen hat es geschafft, sich im niedrigsten Gang hochzukurbeln. Dann ging es auch mal ein Stückchen bergab, so konnten wir wieder etwas Kraft sammeln, denn später ging es noch ordentlich nach oben. Am Rande eines Getreidefeldes packten wir wieder unsere Klappstühle aus und ließen uns Wraps, Joghurt und Aprikosen gut schmecken. Frisch gestärkt traten wir wieder kräftig in die Pedalen. Je weiter hoch wir kamen, desto tollere Blicke eröffneten sich uns. Wir sahen in der Ferne Edinburgh und den Firth of Forth. Nun ging es bei moderater Steigung mit 6-7 km/h kilometerlang bergauf. Es war zwar anstrengend, aber gut machbar. Der Lohn waren herrliche Ausblicke. Irgendwann hatten wir es auf über 400 m geschafft. Nun ging es erstmal kilometerlang wieder leicht bergab. Welch ein Genuß, wenn man einfach auf seinem Rad sitzen und die Gegend an sich vorbeiziehen sehen kann. Aber dann kann noch eine Bergkette, es ging nochmal etwas nach oben, doch diesmal bei ordentichem Gegenwind. Die Berge links und rechts formten eine Art Windkanal, leider in die falsche Richtung. Das kostete Kraft. Aber schließlich rollten wir wieder bergab und erreichten das Teil von Leithen Waters. Es war einfach herrlich, rechts und links die hohen Berge, das Flusstal und herrlich blühende Wildblumen und Kräuter. Wenn im September das Heidekraut blüht, ist das sicher auch eine Augenweide. Als wir uns Innerleithen näherten, fuhren wir auch wieder an einem Golfplatz entlang, bzw. durch diesen hindurch, mit den üblichen Hinweisschildern. In Innerleithen sahen wir zahlreiche mit blau-weißen Girlanden geschückte Häuser mit Schildern Sash Girl, die sich auf die diese Woche im Ort stattfinden St. Ronan’s Border Games beziehen, das älteste organisierte Sportfest in Schottland. Es wurde 1827 ins Leben gerufen. Wir hielten uns nicht lange in Innerleithen auf, sondern fuhren gleich auf den Radweg nach Peebles, der hier der Strecke der Tweed Valley Railway Line folgt. Diese 1864 in Betrieb genommene Eisenbahnlinie führte zum industriellen Aufschwung und brachte der Stadt auch zahlreiche Besucher, unter anderem zwei Premierminister, William Gladstone, der eine Rede hielt und Herbert Asquith, dessen Frau aus der Gegend stammte. Leider wurde die Bahn 1962 aus Wirtschaftlichkeitsgründen stillgelegt. Schade für die Bahn, ein Glück für Radler und Spaziergänger. Nach mehr als 70 km, inkusive einer Tunnelfahrt kurz vor Peebles erreichten wir dann endlich unser heutiges Etappenziel. Wir hatten uns ein Zimmer in Tontine Hotel, einem drer ältesten Gebäude in der High Street, gebucht. Unsere Räder sind in einem eigenen Gebäude, in einer Art Metallkäfig untergebracht, was Steffen zu der Bemerkung veranlasste: sicherer als in der Bank of Scotland. Wir haben hier noch sehr gut gespeist und genießen nun den Blick aus unserem Zimmer auf die Berge.