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Stromness-Kirkwall

32,84 km

Nach einem guten warmen Frühstück („cooked brekfast“), begleitet vom Frühstücksfernsehen mit einer Diskussion über die Fernsehdebatte der konservativen Kandidaten für Theresa May’s Amt – ohne Boris Johnson, der unter fadenscheinigen Gründen nicht teilnahm, ging es hinaus in die Natur. Wir verließen Stromness und wählten statt der ausgeschilderten und von uns zum Teil schon gefahrenen Inland-Strecke die Südroute, in der Hoffnung noch einen schönen Ausblick auf die Küste zu erhaschen. Und wir wurden nicht enttäuscht. Das Wetter war zwar durchwachsen, zum Teil mit leichtem Nieselregen, aber Sicht und Licht waren gut. In der Ferne sahen wir die Bucht und den Leuchtturm von Stromness noch einmal und nach einigen Kilometern mit mäßigen Anstiegen hatten wir einen tollen Blick auf Scapa Flow und Birgit merkte an: „Da liegt sie die Kaiserliche Marine, für die wir immer noch Sektsteuer zahlen!“ Vor hundert Jahren hatten nämlich die internierten Besatzungen die von der Royal Navy aufgebrachten restlichen Schiffe in Scapa Flow selbst versenkt und so unfreiwillig ein dankbares Revier für nachfolgende Generationen von Wracktauchern geschaffen. Einige davon, Engländer und Deutsche, hatten wir gestern abend im Pub gesehen. In Stromness war der 100. Jahrestag allgegenwärtig: überall lagen Bücher oder Hinweise aus, ja es hatte gestern sogar ein Konzert mit eigens dazu komponierter Musik gegeben (wie wir erst später feststellten).

Wir aber waren auf anderen historischen Spuren unterwegs – denen der Wikinger. An der eigens deshalb von uns so gewählten Strecke südlich von Orphir lagen nämlich die Reste einer Rundkapelle aus dem 12.Jahrhundert und einige Fundamentreste einer Trink- oder Festhalle am Gutshaus (Earl’s Bú) von Earl (Jarl) Paul. Über die historischen Begebenheiten in dieser Trinkhalle berichtet die Orkneyinga Saga (die Orkney-Saga): Anlässlich eines Gelages fühlte sich einer der Gäste benachteiligt. Jarl Paul stachelte diesen noch an und so kam es beim Verlassen des Gelages zu einem Mord. Statt aber seinen vermeintlichen Widersacher zu töten, wurde im Handgemenge ein treuer Gefolgsmann getötet: eine Axt spaltete ihm den Schädel bis zu den Schultern. Über diese und viele andere Begebenheiten konnte man etwas in dem Ausstellungsraum mit kleinem Kino erfahren, wo der Hintergrund der Orkney-Saga in einem 15minütigen Video eindrucksvoll dargestellt wird.

Wir wandten uns wieder der Landschaft und erfreulicheren Themen zu – ein kleiner Schlenker führte uns zur Scapa Distillery. Auf eine Führung (und Verkostung) verzichteten wir, aber die junge Frau im Shop erläuterte uns die aktuelle Produktion mit ihren limitierten Editionen. Da wir mit dem Rad da waren, konnten wir leider weder probieren, noch etwas mitnehmen. Aber für die Kraftfahrer unter den gerade zurückgekehrten Teilnehmern der Führung gab es ein kleines Fläschchen mit – sehr löblich.

Wir erreichten Kirkwall relativ zeitig und so hatten wir ausgiebig Gelegenheit, die wichtigsten historischen Bauten zu besichtigen: die Kathedral St. Magnus sowie den Fürsten- und den Bischofspalast. Von letzteren waren allerdings nur Überreste erhalten. St. Magnus wurde 1137 von dessen Neffen Fürst Rognvald gestiftet. Magnus wurde auf Geheiß seines Cousins Hakon auf Egilsay ermordet. Rognvald kam von Norwegen um das Erbe seines Onkels anzutreten und versprach ihm zu Ehren eine prächtige Kirche zu errichten.Die sterblichen Überreste von St. Magnus wurden nach Kirkwall („Platz der Kirche“) überführt und bestattet, tragischerweise 1158 gefolgt von denen von Rognvald, der ebenfalls ermordet wurde. Beide Heilige sind in den Wänden des Chors von St. Magnus beigesetzt, inmitten des beindruckenden Bauwerks aus rotem Sandstein, für das Steinmetze aus Durham angeworben wurden. Die Kathedrale gehörte zur Diozöse von Nidaros (Trondheim) in Norwegen. Erst 1468 kam wurde sie wie die Orkney-Inseln schottisch, als Mitgift für die dänische Prinzessin Margarete von Dänemark, die mit James III, König von Schottland, verheiratet wurde.

Neben der Kirche über die Straße liegt der Bischofspalast, bzw. dessen Überreste. Er war im 12. Jahrhundert für Bischof William the Old errichtet und später im 16. Jh.erweitert worden. Der Stewart Earl Patrick nutzte ab 1600 den inzwischen verwaisten Bischofspalast als „Steinbruch“ um nebenan seinen Earl’s Palace zu errichten, einen unvollendeten Renaissancepalast, der mit Zwangsarbeit der Einwohner errichtet wurde. Patrick, zugleich Earl of Shetland, war wegen seiner drastischen Maßnahmen und seines ausschweifenden Lebenswandels sehr verhasst, der ihn Schulden von bis zu 150.000 Pfund anhäufen ließ, eine nach damaligen Maßstäben nicht rückzahlbare Summe. Patrick wurde 1615 in Edinburgh wegen Rebellion verurteilt und enthauptet.

Wir gönnten uns nach soviel Geschichte eine Pause im Judith Glue Café, eigentlich ein großer Laden mit Erzeugnissen von den Orkneys – Lebensmittel, Kunsthandwerk und Souvenirs. Wir genossen Kaffee und Orkney Fudge, letzteres „versteckt“ im Cheescake bzw. Chocolat Cake.

Nach einer kleinen Erkundungstour durch den Shop machten wir uns mit unseren Rädern auf zum Kirkwall Hotel. Nach dem Checkin und einem kurzen „Kostümwechsel“ gingen wir noch einmal auf einen Spaziergang durch die Stadt.

Den Abend beschlossen wir mit einem leckeren Abendessen im Hotelrestaurant, das nicht umsonst im Reiseführer als kulinarische Empfehlung gehandelt wird. Und es waren etliche Tische reserviert. Hier werden klassische Gerichte wie Lachs, Jakobsmuscheln und Ochsenbäckchen auch als Augenschmaus angerichtet. Ein gelungener Ausklang!