Kirkwall – Insel Roussay
65,71 km Radfahren (inklusive Roussay-Rundtour)
5 km Wanderung
Da wir heute noch etwas Strecke vor uns hatten, gingen wir zeitig zum Frühstück. Es gab zwar ein Full Orkney Breakfast (Ei, Würstchen, Schinken, Blutwurst, Haggis, Bohnen), wir aber entschieden uns gegen das Übliche und wählten Räuchlachs und Rührei auf Toast. Die Bedienung – der Portier vom Vortag- fragte uns, ob wir schon nach unseren Fahrädern gesehen hätten, aber kein Problem: die Polizei war die ganze Nacht unterwegs.
Wir hatten nämlich nach überpünktlicher Ankunft der Fähre gestern gegen 23.00 Uhr am Kirkwall Hotel eingecheckt, wobei der Mann an der Rezeption bedauerte, dass es im Hotel keine Aufbewahrungsmöglichkeit für unsere Räder gäbe. Er erkundigte sich aber noch bei einem Kollegen und empfahl uns, die Räder am Busbahnhof gegenüber dem Polizeirevier oder hinter dem Gebäude gegenüber am Fahrradständer anzuschließen. Und da waren sie auch noch heute früh als wir uns nach einem angenehmen Aufenthalt im auch sanitärtechnisch offensichtlich frisch aufgemöbelten Kirkwall Hotel auf den Weg machten. Zunächst ging es ein Stück durch die Altstadtgassen mit einem kurzen Einkaufsstopp bei coop. Vor dem Früstück hatten wir noch blauen Himmel, jetzt war es ein Stück grau bis dann wieder auf der Strecke die Sonne durchkam. So hatten wir auf der Fahradroute 1 (= Nordseeradweg) gen Westen schöne Ausblicke auf das Meer, den Loch of Kirbister und die Hügel und Heide. In der Ferne sahen wir die drei großen Steine von Stenness und später auch den Ring of Brodgar am anderen Ufer des Loch of Harray – wir fuhren östlich davon. Diese Steine werden wir uns auf der Rücktour näher ansehen. Dafür stand jetzt rechts von uns etwas ganz Besonderes: ein Austernfischerdenkmal – ein hoher Stein gekrönt mit einem der rotschnäbeligen Vögel, welcher sich sogar bewegte 😉 (siehe Bildergalerie). Inzwischen hatte sich das Wetter leider wieder eingetrübt, wir fuhren jetzt auf schmaler Straße durch ein hochgelegene wunderschöne Heidelandschaft – leider in den Wolken! Es wurde auch bis zum Hafen und Fähranleger in Tingwall nicht besser. Da wir bis zur nächsten Fähre nach Roussay noch reichlich Zeit hatten, fuhren wir ein Stück zurück zum Fernvalley Wildlife Centre mit Tearoom und gönnten uns dort eine warme Suppe, Tee und Scones. Auf der Fähre waren anscheinend außer uns nur Einheimische. Da es draußen außer trübem Wetter ohnehin nichts zu sehen gab, nutzten wir die Überfahrt, um unsere nächste Unterkunft in Stromness zu buchen. Als wir nach dem Aussteigen auf Roussay noch unsere Sachen zur Weiterfahrt ordneten – wir wollten ins nahegelegene Hostel mit Campinggelegenheit – hielt ein Auto neben uns und es stellte sich heraus, das die beiden Insasssen die Betreiber des Hostels waren, die eigentlich keine Übernachtungsgäste erwarteten und die Gelegenheit für Wartung und Reparaturen nutzen wollten. Am Hostel angekommen stellte sich heraus dass wir eigentli
ch die einzigen Gäste waren, so dass wir uns doch ein Zimmer im Haus auswählten, um morgen früh nicht erst ein möglicherweies nasses Zelt abbauen müssten. Bei Nutzung der eigenen Schlafsäcke war die Übernachtung mit 15 £ pro Nase doch günstig. Dafür konnten wir den schönen Aufenthaltsraum/Küche und Bad/Dusche nutzen. Alles ist ziemlich neu und praktisch eingereichtet. Aber jetzt ging es gleich weiter – Gepäck abladen und mit nur einer Tasche als „Marschgepäck“ mit Werkzeug, Notration und weiterem Pulli bzw. Regenjacke ging es los zur Rundtour über die Insel Roussay, wofür uns die Herbergswirtin auch noch einige Tipps gab. Denn es gibt viel zu sehen auf der Insel, die man zusammen mit den Nachbarinseln Egilsay und Wyre wegen der Zahl der archäologischen Stätten (166) das „Ägypten des Nordens“ nennt. Hier sind etliche Hügelgräber aus der Jungsteinzeit zu finden, und wir konnten ja unmöglich alle besichtigen! Aber einige lagen direkt an unserem Rundkurs über die Insel. Erster Halt war das (ungewöhnliche) zweistöckige Stein-Hübelgrab von Taversoe Tuick (über 5200 Jahre alt), das oben runde Grabkammern aufweist und unten mehrere Kammern, die mit senkrechten Steinplatten abgetrennt sind. Zu erreichen war der Innenraum über eine wacklige Leiter von oben, diesen Weg gab es ursprünglich nicht. Beide Teile hatten separate Eingänge, mit Steinen verschlossen. Blackhammer dagegen ist ein eher längliches Grab eine Stück oberhalb der Straße. Dieses Grab wurde, wie etliche andere vom Hobbyarcheologen und Whiskymagnaten Walter Grant (Highland Park) zusammen mit dem Direktor des schottischen Nationalmuseums Graham Callander 1936 ausgegraben. Grant investierte einen beträchtlichen Teil seines Gewinns aus der Whiskyproduktion in die Sicherung und Erhaltung etlicher Hügelgräber auf Roussay.
Die Fahrt über die Insel lohnte sich auch wegen der reizvollen Landschaft. Im Zwielicht zwischen Sonne und Wolken konnten wir das gegenüberliegende Mainland (die Hauptinsel Orkney) sehen und hatten einen tollen Blick auf die vorgelagerte Insel Eynhallow. Das Beeindruckendste Ensamble von Landschaft und historischen Stätten lag aber nun unter uns: Midhowe mit den gut erhaltenen Überresten eines alten Rundturms aus der Eisenzeit, die an vielen Stellen in Nord- und Westschottland als ehemalige befestigte Wohngebäude an strategisch günstigen Stellen zu finden sind. Am beeindruckendste war aber das Steingrab von 3000 v. Chr. In einem langen lagerhallenartigen Gebäude standen von der Witterung geschützt die Mauern einer 23 m langen Grabanlage mit etlichen Kammern. Hier hatten die Dorfbewohner aus der Jungsteinzeit ihre Toten geehrt und bestattet, offensichtlich ein wichtiger Prestigebau, der größer sein sollte als vergleichbare Gräber an anderen Orten. Die Stege entlang und über der fragilen Konstruktion boten einen guten Eindruck von den Dimensionen. Ein Weg führte vom Grab zum Broch (Steinturm) mit noch relativ hohen Mauerresten. Wieder vorbei an der Halle führte ein Pfad zu einigen Mauerresten aus den Zeiten der Wikinger. Das Land gehörte im 12. Jahrhundert Sigurd von Westness. Auch die Farm, deren Überreste hier im grünen Gras standen, war auf Vorgängern aus der Wikingerzeit begründet worden. Auch die Kirche St. Mary aus dem 16. Jh. wurde an der Stelle eines mittelalterlichen Vorgängerbaus errichtet.
Nicht weniger beeindruckend waren die durch die Natur geschaffenen Steinterassen am Ufer. Dort räkelte sich eine dicke Robbe, von anderen im Wasser plantschenden Robben vergeblich animiert, ihren Ruheplatz zu verlassen.
Wir stiegen wieder den steilen Hang über die Weiden hinauf zu unseren Rädern am Parkplatz und genossen die nächsten tollen Ausblicke auf unserer Rundfahrt bis … ja bis wir wieder in den Wolken landeten, die wir erst wieder nach einer langen steilen Abfahrt wieder hinter uns ließen. Wir erreichten wieder unser Quartier und ließen uns Suppen, Brot und Käse, Mango und einen schönen heißen Tee munden.