40,45 km
Sumburgh – Lerwick
Nach einer geruhsamen Nacht in Doppelstockbett und Schlafsack bereitete ich ein kleines Frühstück vor, das uns für die Anstrengungen der Rückfahrt nach Lerwick rüsten sollte: ein leckeres Müsli, frische Erdbeeren und Fudge-Joghurt, Brot und Käse und natürlich Tee. Auch wenn für morgen Südwind angesagt war, der uns bei der Rückfahrt geschoben hätte, wollten wir lieber heute schon nach Lerwick um dort einen kleinen Ruhetag einzulegen.
So kämpften wir stattdessen tapfer gegen den Wind an, ersparten uns aber weitestgehend die kleinen sehr bergigen Umwege, die der Radweg von der Hauptstraße machte; dort waren wir schon auf dem Hinweg entlanggeradelt und hattten die schönen Ausblicke bei besserer Sicht genosssen.
Einen kleinen Schlenker machten wir jedoch, zum Shetland Crofthouse Museum – dem Haus einer Kleinbauernfamilie aus den Jahre 1880. Gleich am Eingang wurde vor den niedrigen Türen gewarnt, aber auch so war es nicht sehr groß. Im Hauptraum brannte im Kamin ein kleines Feuerchen. Als Brennstoff diente Torf, wie auch in unserer letzten Unterkunft. Der jüngere Mann, der das Eintrittsgeld entgegennahm, gab bereitwillig Auskunft über den Alltag einer Kleinbauernfamilie. Im wesentlichen musste und konnte sich eine Familie selbst von dem ernähren, was das kleine Stück Land, Viehzucht und Fischfang abwarfen. Der im Haus gelegene kleine Stall war im Winter für die Kuh und eventuell noch ein paar Schweine „reserviert“, nur wenn die Schafe Nachwuchs bekamen wurden sie hereingenommen. Ansonsten blieben die Schafe das ganze Jahr draußen. Im späten Frühjahr bis Sommer werfen die Shetland-Schafe die dicke Wolle ab – sie musste also nur eingesammelt oder einfach abgezogen werden; die Schafe wurden nicht geschoren. Und wir hatten uns schon über die seltsamen vermeintlich unvollständig geschorenen Schafe gewundert, die wir überall gesehen hatten! Mit einem besonderen Kamm wurden die Wollfasern in eine Laufrichtung gebracht, dann wurde ein Faden gesponnen, der in einem weiteren Arbeitsgang mit einem zweiten oder dritten Faden zu einem Garn versponnen wurde, z.B. für einen warmen Pullover für den Mann, der draußen den Acker zu bestellen hatte oder sich beim Torfstechen mühte. Torf konnten die Bauern in der Heide stechen, sie zahlten dafür eine kleine Pacht an den Grundbesitzer. Mit einem „Torfspaten“, einer länglichen Eisenklinge mit einem langen seitlichen Zinken, wurden längliche Torfziegel herausgestochen und gestapelt. Die Torfstapel müssen erst einige Wochen trocknen, dann können sie gewendet werden bis sie zu kleinen Pyramiden aufgerichtet werden. Dann müssen sie noch zum Hof gebracht werden: ein Ochsenkarren war Luxus, Ponys mit einem Korb an jeder Seite auch nicht schlecht, aber meistens trugen die Kinder und Frauen den Torf mit der Kiepe auf dem Rücken nach Hause. Und die Frauen strickten dabei noch auf dem Weg. In der Schlafstube des Hauses standen schrankartige Betten, die auch zugeschoben werden konnten um es wärmer zu haben. Die Schlafstube war der sauberste und aufgeräumteste Ort im Haus, deshalb wurden Gäste hierher gebeten und nahmen vor dem Kaminfeuer Platz, das nur dann angezündet wurde. Im Hauptraum brannte durchgehend ein Torffeuer, das Wärme und Licht spendete. Aber es gab auch Öllampen, die an eine Leine quer durchs Haus aufgehängt werden konnten, wo auch immer man gerade Lichte brauchte. Das Öl wurde gekauft oder als Nebenprodukt aus der Robbenjagd gewonnen. Aus Robbenfall wurden auch wasserdichte Schuhe gefertigt.
Nach diesen interesssanten Einblicken schangen wir uns wieder auf die Räder und kehrten zur Hauptstraße zurück. Wir kämpften weiter gegen Steigung und Wind, letzterer bremste uns sogar bergab derartig, dass wir auch bei den Abfahrten treten mussten um einigermaßen voranzukommen. Bis zum angekündigten Café „McKenzies Fram and Café“ war es noch ein Stück und jetzt kam leider auch der angekündigte Regen, der uns zum Teil wie Nadelstiche ins Gesicht schlug. Da wir vorankommen wollten, pellten wir uns nicht noch extra in unsere Regenjacken und -hosen. So betraten wir schließlich triefnass das Café. Nach einem Tee, warmer Tomatensuppe, Quiché bzw. Fisch-Burger und Kuchen und mit einer frisch gebuchten trockenen Hotelunterkunft nahmen wir die letzten 16 Kilometer in Angriff. Das Hotel lag mitten in der Altstadt. Vom Eingang führte eine lange Treppe zu einem kleinen Rezeptionstresen, an dem aber niemand stand oder saß. Eine Klingel gab es auch nicht, aber in der Bar nebenan war ein junger Mann, den man mit dem Hotel alleingelassen hatte, obweohl er erst frisch angestellt und noch gar nicht richtig eingewiesen war. Er half uns mit unseren Rädern und dem Gepäck, als eine Dame erschien und aufgeregt berichtete, dass sie den Wasserhahn in ihrem Zimmer nicht mehr zudrehen könne. Wir hatten Verständnis, das er sich erst einmal um diesen Notfall kümmern musste. Als er zurück kam immer, noch mit dem Telefon in der Hand, fragte ich ob er einen Klempner gefunden hätte – nein der „Chéf“ (also der Koch!) würde sich gerade darum kümmern. Klang alles irgendwie nach Fawlty Towers…
Wir warteten in der Bar, bis uns ein anderer Hotelangestellter unseren Schlüssel aushändigte mit dem wir die verwinkelten Gänge des Grand Hotel bis zu unserem Zimmer gingen. Nach einem Bad endete der Tag versöhnlich mit einem soliden, leckeren Abendessen – einschließlich einem kleinem Whisky.