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Chanaz-Vertrieu (110,1 km)

Über die stolzen 110 km dieser Etappe kann man sich wundern, freuen oder den Kopf schütteln. Es ging einfach nicht anders. Zurückblickend auf ein sehr angenehmes Abendessen mit zwei weiteren Radreisenden aus der Nähe von Braunschweig in einem herrschaftlichen Haus aus dem Jahre 1680 war das durchaus nicht das Schlechteste was uns passieren konnte. Das es passiert ist, lag vielleicht auch am Namen der Unterkunft: Relais du Destin – etwa "Raststätte des Schicksals". Montag war offenbar genauso wie Sonntag ein blöder Tag, um sich am frühen Abend ein Quartier und etwas zu Essen zu suchen. Aber immer der Reihe nach…
Nach einer trockenen Nacht auf dem Zeltplatz erledigten wir in routinierter Teamarbeit Abbau und Einpacken, so dass wir schon zeitig gegen 07.50 Uhr losrolllen konnten. Wir hatten beschlossen, in Belley zu frühstücken, da wir ohnehin den Abstecher vom Radweg in die Stadt machen wollten. Der Radweg führte schön abgetrennt an der Rhone entlang, die sich an einigen Stellen zu Stauseen weitete.  Ins alte Zentrum der historischen Regionalhauptstadt Belley hinauf bis zur Kathedrale und zum alten Bischofspalast, der heute Bibliothek ist, mussten wir ganz schön klettern. So eine kleine Bäckerei oder Café mit Sitzgelegenheit lag leider nicht auf dem Weg, genausowenig wie Zeugnisse der römisch-gallischen Zeit als wichiger Handelsknotenpunkt. Nur die Skulptur einer Wölfin – Symbol der römischen Kriegsgöttin Bellone – wies darauf hin. Zurück am Ausgangspunkt, einem stark befahrenen Kreisverkehr entdeckten wir eine Boulangerie, wo wir frühstücken konnten.
Jetzt führte die Route als eigener Radweg, nur kleine Abschnitte als Nebenstraße, an Maisfeldern vorbei, im Hintergrund hohe Felswände. An einem kleinen Gebäude hatte sich eine Gruppe E-Bike-Fahrer versammelt, die sich später als Niederländer herausstellten. Das Objekt des Interesses war ein überdachter Ziegelbrennofen aus dem 19. Jahrhundert, daneben Reste eines seinerzeit mit Pferdekraft angetrebenen Mahlwerks für pflanzliche Stoffe (wie wir aus der Beschriftung auf Französisch errieten), wahrscheinlich pflanzliche Beimengungen zu Lehmziegeln. Die niederländische Gruppe erradelte auch den Rhoneradweg, allerdings vom jeweiligen Wohnmobilstandort (Achtung! Klischee!) mal nach links und am nächsten Tag nach rechts. Es ging wieder an der Rhone entlang, die sich immer mal wieder zum See oder Stausee öffnete, begleitet von Brücken, Burgruinen oder Burgen. Über eine Seitentür in einer langen Mauer um einen ausgedehnten Park gelangte man zur Grabstätte des Diplomaten und Schriftstellers Paul Claudel, jüngerer Bruder der Bildhauerin Camille Claudel, deren Talent von Rodin leidlich ausgebeutet wurde.
Ein  Höhepunkt war noch einmal die Altstadt von Morestel mit einem mittelalterlichen Turm, Häusern aus dem 15. Jh. und der Kirche St. Michael, deren Ursprünge auf die erste Hälfte des 15. Jh. zurückgehen. Ein weiterer Höhepunkt waren Crépes und Kaffee, den wir auf der Terasse eines alten Steinhauses mit Blick auf einen Teich genießen konnten. Es ging weiter über die Felder, bis wir an eine merkwürdige Konstruktion kamen, die uns etliche Kilometer begleiten sollte: Ein Betonschacht mit 2 innenliegenden Förderbändern. Im Tal endeten diese in einer riesigen Anlage, wahrscheinlich zur Gewinnung von Kies, Mörtel oder Gesteinsmehl.
Ähnlich zermürbend gestaltete sich die Suche nach Unterkunft und Abendessen. Ein Hotel hätte zwar Zimmer (Bitte anrufen!) aber keine Küche. Das Restaurant auf der Rhoneinsel, wo der Zeltplatz als Alternativunterkunft lag, war geschlossen. Das Hotel/Restaurant am anderen Rhoneufer (wir schenkten uns die Schleife über die Insel) hatte zwar Restaurantbetrieb aber wegen Umbau keine Zimmer. Laut GPS-Unterkunftsliste gab es ein Hotel in unserer Fahrtrichtung, wir hätten aber am gegenüberliegenden Ufer wieder einige Kilometer zurück fahren müssen. Und ob es dann Zimmer und etwas zu Essen gegeben hätte? Also Handy raus, Datenroaming an und bei b**king.com in der App gesucht. Und siehe da: in Vertrieu gab es ein B&B in einem alten Herrenhaus. Gebucht, bestätigt und mit letzter Kraft hingeradelt. Wir trafen eine französisch sprechende Dame in Begleitung an, auch nur Gäste! Und dann kam die Wirtin, die sogleich darauf verwies, dass die Reservierung über das besagte Portal eigentlich nur bis 18.00 Uhr gilt, aber das sei jetzt ok, wir hätten das Zimmer und um 20.00 Uhr gäbe es Abendesssen, es seien auch schon  zwei deutsche Herren – auch mit Fahrrad – da. Es wurde ein schöner Abend mit gutem Essen und netten Gesprächen. Das Schicksal meinte es doch gut mit uns …