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Brig – Saillon (83,5 km)
Nach einem guten Frühstück im familiengeführten Hotel du Pont – wir wurden am Platz bedient mit Schinken, Käse, Brot, Brötchen und Croissant, reichlich Kaffee und Orangensaft – holten wir unser Gepäck und ich bezahlte. Wir wurden freundlich von den Wirtsleuten verabschiedet, der Wirt stellte fest, dass wir ja genau seine Radstrecke abfahren würden, nur etwas weiter, und es wurde uns Sonnenschein versprochen. Gewitter gäb's dann ab vier Uhr – quasi das vom Tourismusverband georderte 4-Uhr-Gewitter, damit sich bis dahin alle Reisenden ihre Unterkunft gesucht haben. Wir verließen nun Brig, den Hauptort des deutschsprachigen Teils von Wallis. Wir fuhren direkt am rechten Ufer der Rhone auf einem Nebenweg, der später wieder etwas vom Fluss weg auf Nebenstraßen gelegt war. Auf Höhe Lalden ging der Wege eigentlich rechtsseitig weiter, aber es war auch ein Abzweig der Route Richtung Visp ausgeschildert. Wir querten erneut die Rhone und machten einen Schlenker durch die Altstadtgassen bis hoch zum Blauen Stein, einem glatten dunklen Stein auf der Platzmitte, der an die Schacht bei Visp 1388 gegen Amadeus VII, Graf von Savoyen ("roter Graf") erinnerte. Weitere Zeugnisse der Geschichte waren die Burgerkirche, jetzt Dreikönigskirche, mit Ursprüngen im 13. und Erweiterungen aus dem 18. Jh., sowie die Sust – ein Lagerhaus und Warenkontor von 1352. Das Gericht residierte auch in einem altehrwürdigen Gebäude mit Arkaden. An der Mündung der Vispa in die Rhone wurde heftig gebaut, so dass die neue Wegführung und Ausschilderung nicht mehr mit der urspünglichen (und den Tracks) übeeintimmten. Aber zumindest hatte man die Radfahrer nicht vergessen, die neue Strecke war sogar besser ausgebaut.
Allgegenwärtig waren jetzt auch schon Weinberge, die sich bis in höchste Felslagen hochzogen. Walliser Weine hatten wir ja auch schon bei einem früheren Aufenthalt rund um Sion/Sitten verkostet und für gut und mitnahmewürdig befunden – was mit dem Fahrrad leider ausfallen musste. In Raron erblickten wir bereits von weitem auf dem Felsen eine Kirche und zugleich war eine Felsenkirche ausgeschildert. Oben auf dem Felsen stand die Burgkirche und die Felsenkirche war unten in den Fels gesprengt und ausgehöhlt worden. Außen ragte bloß ein Querriegel mit den Glocken und dem Eingangsbereich hervor, innen wirkte es wie eine Gletscherhöhle. Eröffnet wurde die Kirche 1974 (Baukosten 2 Millionen Franken) und später sukzessive weiter ausgeschmückt – u.a. mit Glasfenstern, einer mechanischen Pfeifenorgel – sie bietet 500 Menschen Platz. An der Burgkirche (eine im 16. Jh. umgebaute Fluchtburg aus dem 11. Jh.) befindet sich das Grab von Reiner Maria Rilke, der hier gemäß seinem letzten Willen zur letzten Ruhe gebettet wurde. Weiter führte der Weg in das "Ritterdorf" – so die Inschrift am Ortsschild – Niedergestein. Und in der Tat thront hoch über dem Ort die Gestelnburg, gefolgt von einem tiefen Felsspalt, in dem sich wohl die auf der Karte verzeichnete Eiszeithöhle befindet.
Mit Blick zurück waren immer noch die Wolken zu sehen. Auf unserer Strecke schien immer mal wieder die Sonne, aber da der Weg zum Teil durch Waldstücke führte, wurde es auch nicht zu heiß. Die Rhone war inzwischen schon mächtig in die Breite gewachsen und vor uns lagen rechts und links vom breiten Tal imposante Felshänge. Zum Teil waren sie wohl von den Naturgewalten, zum Teil von Baggern im Steinbruch "angenagt" worden. Am rechten Ufer grüßte oben am Berg die Ortschaft Leuk und nach reiflicher Überlegung – wir hatten noch einige Kilometer vor uns – grüßten wir von Ferne zurück und ersparten uns den von hier gut einsehbaren endlosen Anstieg. Allerdings mussten wir jetzt wohl oder übel ein Stück entlang der ausgeschilderten Hauptroute auf der vielbefahrenen Fernstraße fahren, die den hier noch fehlenden Autobahnabschnitt ersetzt, so dass der Fernverkehr hier entlangrollt. Gute Nachricht: Es ging jetzt über weite Strecken stetig bergab. Schlechte Nachricht: Gegenwind, der uns auf den flacheren Abschnitten den Schwung nahm, so dass wir selbst bergab treten mussten. Wir erreichten Sierres (Siders) wo wir eine kleine Runde durch die Altstadt drehten, ein wenig durch Bauarbeiten und den Aufbau zu einem Weinfest am Wochenende behindert. Am historischen Rathaus entschieden wir uns für Mittagessen. Inzwischen hatten wir ja die "Esskulturgrenze" überschritten und waren im französischen Teil angekommen: Das bedeutete "Plat du jour"! Es gab ein reichhaltiges erschwingliches Tagesmenü mit Vorspeise, Hauptgericht und Dessert für nur 20 Franken. Und man konnte kostenlos einfach eine Karaffe Leitungswasser bestellen, die auch nachgefüllt wurde. Also bestellten wir zum Abschluss nur noch einen Espresso, zahlten und machten uns wieder auf den Weg. Eigentlich wollten wir noch das Schloss aus dem 19. Jh. mit Garten besuchen, aber Einbahnstraßen und Baustellen machten uns einen Strich durch die Rechnung. Also schlängelten wir uns wieder am Bahnhof vorbei zurück auf die Hauptroute. Jetzt führte der Weg wieder die ganze Zeit nahe der Rhone entlang, mal auf einem separaten Damm oberhalb der Autobahn, mal auf einem baumbesäumten Asphalt- oder Schotterweg. Links ein schöner blauer See, dann ein weiterer See im Naturschutzgebiet mit einem Ausguck auf die vielen Enten und Blesshühner.
Den Abstecher nach Sankt Leonhardt mit dem unterirdischen See schenkten wir uns, hier waren wir schon einmal vor Jahren mit den Kindern unterwegs, als wir auf der Durchreise die Gastfamilie unsere Tochter in Sion (Sitten) besuchten. Auch Sion kannten wir also bereits und machten nur einen kurzen sentimentalen Abstecher in die Innenstadt der Hauptstadt des Kantons Wallis. Hinter Sion wurde der Gegenwind, der uns schon die ganze Zeit ins Gesicht blies, immer stärker, selbst Baumreihen, Büsche oder Obstplantagen am Wegesrand boten nicht viel Schutz. Wir hätten es wissen müssen: Im Reiseführer stand, dass bei schönem Wetter hier der Wind talaufwärts weht. Aber mit diesem "Windkanal" hatten wir nicht gerechnet. Mit der Aussicht auf weitere stürmische Kilometer – auch Zelten wäre bei dem Sturm sicher kein Vergnügen wenn nicht gar gefährlich – nahmen wir Quartier im ersten (und wahrscheinlich besten) Hotel in Saillon – mit angeschlossener Wellnesslandschaft (Sauna, Thermalbad)! Hatten wir uns aber auch schwer erkämpft! Und die Tagesleistung war ja auch ok, trotz Wind.