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19.05.2018

 

Chester

 

Da steht man doch gern auch mal mitten in der Nacht auf. Gegen halb vier klingelte der Wecker. Um diese Zeit habe ich zwar noch keinen Appetit auf Frühstück, aber so ganz ohne was im Magen wollten wir nicht aus dem Haus. Einen kleinen Happen essen, einen Tee und dann war es auch schon Zeit, mit dem Taxi nach Schönefeld zu fahren. Der Flieger nach Manchester sollte 6 Uhr starten. Alles klappte vorzüglich und wir waren bereits kurz vor 7 Uhr Ortszeit in Manchester. Die Einreise ging erstaunlich schnell und so standen wir bald vor dem Flughafengebäude und warteten auf den Shuttlebus, der uns zu unserem Mietwagen bringen sollte. Die Fahrt dorthin war etwas abenteuerlich, denn rund um Flughafen wird wie verrückt gebaut. Mit dem Auto dauerte es etwas länger als gedacht, da es wiedermal ein Problem mit der BarclayCard gab. Wir mussten ein paar Nerven und Zeit lassen, doch schließlich fanden wir eine Lösung und konnten unser Auto, einen KIA SUV in Empfang nehmen und losfahren. Gott sei dank haben wir ein Navi! Unsere schöne große und vielbewährte Großbritannienkarte hatten wir nämlich vergessen. Und bei den vielen Baustellen, Kreisverkehren und Abzweigungen hätte es haarig werden können. Schließlich war da ja noch die Tatsache, dass der Fahrer auf der "falschen" Seite saß und wir ja auch auf der falschen Seite fahren mussten. Es ging aber alles gut. Das Wetter war phantastisch, nach einer guten dreiviertel Stunde erreichten wir Chester, die letzte englische Stadt vor Wales. Und was für eine wunderschöne Stadt!  Wir stellten das Auto im Parkhaus ab und begaben uns auf Erkundungstour. Außerdem waren wir auch ziemlich hungrig.
Chester war von den Römern gebaut worden. Hier befand sich die 20. Legion, die später auch den Hadrianswall errichtete, nachdem die 9. römische Legion bei einem Versuch Schottland zu erobern verschwunden war, und nie wieder etwas von ihr gehört wurde. "We ate them all" soll mal eine Schottin zu unserem Stadtführer gesagt haben.
Wir kamen zunächst einmal zu einen kleinen Markt mit allerlei Backwaren, unter anderem verführerisch aussehenden Pies. Da kauften wir schon mal 3 Stück zum Mitnehmen. Auf der Suche nach einem Tearoom für unser Frühstück kamen wir durch ein Einkaufszentrum mit einer Laura-Ashley-Boutique mit vielen  tollen Sonderangeboten. Da muss das Essen eben noch warten…. Schließlich fanden wir in einen hübschen Tearoom. Wir saßen in den Arkaden in der oberen Etage ("The Rows") und konnten dem Treiben auf der Straße zusehen, während wir Tee tranken und einen leckeren Scone verdrückten. Fürs Erste gesättigt, schlenderten wir noch durch die Markthalle. Gegen 2 wollten wir einen geführten Stadtrundgang machen, da blieb noch Zeit für eine Besichtigung der Chester Cathedral. Ein tolles Bauwerk, riesig groß mit einem wunderschönen Innenhof, zahlreichen Kapellenund einem reichverzierten Chorgestühl. Sehr interessant war das noch erhaltene Kirchengericht, ein viereckiger Raum mit einem großen Tisch in der Mitte und Sitzbänken darum. Dort wurden kirchliche Vergehen verhandelt und auch schonmal die Todesstrafe verhängt. Das steht im krassen Widerspruch zum Kirchenasyl, das Verfolgten gewährt wurde. Im Gegenzug mussten diese allerdings ihr ganzes Hab und Gut der Kirche überschreiben. Sie wurden dann mit einem Schiff außer Landes gebracht und blieben zeitlebens geschützt. Dies und noch vieles mehr erfuhren wir auf unserem Stadtrundgang. Chester hat auch die wohl besterhaltene zusammenhängende Stadtmauer auf der britischen Insel. Sie ist ca. 3 km lang und man kann auf ihr wunderbar spazieren. Eine Viertelstunde vor Toresschluss wurden die Einwohner gewarnt, dass sie in die Stadt zurückkehren sollten, sonst mussten sie draußen bleiben. Waliser durften nicht in der Stadt übernachten. Es heißt, dass jeder der einen Waliser nach Toresschluss in der Stadt antraf, ihn töten durfte. Von der Stadtmauer aus sieht man auch das römische Amphitheater, das erst 1926 von einem Gärtner zufällig wiederentdeckt wurde. Außerdem hat man von einem der Stadttore einen guten Blick auf das Bear and Billet Inn, einen historischen Gasthof aus dem Jahre 1664 mit dem für Chester so typischen schwarz-weißen Fachwerk. Hier soll auch John Lennons Großmutter geboren sein. Als Kind soll John Lennon viel Zeit hier verbracht haben. Ein weißes Haus fast ohne Fenster und mit einem Stein mit der Aufschrift Nowhere ganz in der Nähe soll den Song Nowhere Man inspiriert haben.
Chester liegt am Fluss Dee, hier kann man Boot fahren oder in einem der am Ufer gelegenen Pubs sitzen. Heute war natürlich alles mit britischen Fahnen geschmückt und auch zahlreiche Leute trugen Union Jack-T-Shirts, Kravatten, Hüte und Haarschmuck – schließlich fand die königliche Hochzeit von Prinz Harry statt. Ein Frau und Kind – die Queen und Prinz William gingen vorbei (natürlich alles nur Maske). Vor einem Pub saß eine Gruppe älterer Engländerinnen mit Union-Jack-Herzchen als wie Antennen. Eine der reichsten, wenn nicht gar die reichste Familie Großbritanniens stammt aus Chester und lebt auch heute noch hier – die Grosvenors. Es gibt ein nach ihnen bekanntes Luxushotel, ein Einkaufszentrum, eine Straße etc. Sie sind sehr angesehen in der Stadt, denn sie haben im Laufe der Jahrhunderte immer viel Geld für deren Erhalt gespendet. So konnten zahlreiche historische Gebäude erhalten bzw. mit historischer Fassade wiederaufgebaut werden.
Voll mit tollen Eindrücken sind wir dann in Richtung Nordwales gefahren. Nach einem Großeinkauf bei Tesco haben wir gegen 6 ziemlich geschafft unser Cottage erreicht. Die tolle Beschreibung im Internet stimmt auf jeden Fall. Vielleicht ist es etwas kleiner als gedacht, aber von der Terasse und aus dem Bett sieht man das Meer. Die Küche ist super ausgestattet und sogar frische Blumen, Milch und eine Flasche Wein standen für uns bereit. Wir verstauten unsere Sachen und genossen dann mit Meerblick unser Abendbrot auf der Terasse. Wir sahen uns noch eine Zusammenfassung der Royal Wedding bei der BBC an und fielen dann todmüde ins Bett.