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20.05.2018
Newborough
Nach einem soliden Frühstück mit Corned Beef, Schinken, Stilton Cheese, Bagette und Bagel, Erdbeeren und Joghurt waren wir für unsere erste Wanderung gut gestärkt. Die Sonne hatte uns ein wenig verlassen, es war recht trübe. Also entschieden wir uns für eine kombinierte Wald- und Küstenwanderung. Mit dem Auto fuhren wir eine gute halbe Stunde nach Newborough und starteten vom Parkplatz unsere 4h-Wanderung. Zunächst ging es vorbei an der kleinen Kirche St. Peter and Paul mit Friedhof, dann an der archäologischen Stätte Llys Rosnyr, diese war allerdings vom Wanderpfad nicht zu erreichen. Zunächst passierten wir noch einige Fußgängerschleusen (sehr eng mit Rucksack!) und querten ein privates Weidegrundstück bevor wir in den wundervollen Mischwald des Newborough Forest eintauchten. Zunächst konnten wir den gut beschilderten Wanderwegen folgten, dann ging es auf anderen Pfaden weiter, dank der guten Wegbeschreibung in unserem Rother-Wanderführer und den dazugehörigen GPS-Tracks. Nun waren auch mehr Leute unterwegs – wir näherten uns der Küste. Jetzt öffnete sich der Blick auf den breiten Sandstrand und die Caernarfon Bay – im Hintergrund als großer Schatten die Berge auf dem Festland. Wir waren ja auf der großen Insel Anglesey (Ynys Mon) unterwegs und wanderten nun am Strand entlang zur Gezeiteninsel Llanddwyn Island (auf Walisisch: Ynys Lllanddwyn). Wir zogen unsere Wanderstiefel aus, testeten auch kurz die Wassertemperatur und liefen barfuß durch den Sand. In den Sandstrand ragten große Felsbrocken; hier war Lava an die Öberfläche getreten und erstarrt. Die schmale Landzunge zur Insel war noch nicht überspült so dass wir trockenen Fußes auf die Insel gelangten. Vom Hauptweg weg kraxelten wir einen schmalen Pfad hinauf, von dem wir auf die steile Küste mir der einen oder anderen lauschigen Sandbucht herunterblickten. Auch hier hatten wir wieder Gatter zu passieren – diesmal sehr schön geschnitzte mit Folkloremotiven. Denn auf den Hochflächen und steilen Hängen weideten tatsächlich Kühe. Von Ferne waren schon der Leuchtturm und davor die Ruinen einer Kirche und zwei große Kreuze zu sehen. Die Kirche St. Dwynwen war eine Pilgerstätte und eine der reichsten auf Anglesey bevor sie nach dem Bruch Heinrich VIII mir der katholischen Kirche an Bedeutung verlor und nach dem Abbruch das Dachstuhls für Baumaterial Wind und Wetter ausgesetzt war und verfiel. Die Kirche war der heiligen Dwynwen gewidmet. Sie war eine Königstochter, die bereits versprochen war, sich aber in einen Prinzen, Maelon Daffodril, verliebte. Als er von ihrer Verlobung erfuhr, wurde er zornig und griff sie an. Zur Strafe für diese Sünde erstarrte er zu einem Eisblock. Aus Verzweifling lief Dwynwen in den Wald und betete. Ihr erschien ein Engel, der ihre drei Herzenswünsche erfüllte: Maelon sollte wieder aufgetaut werden (er arbeitete später bei bofrost), sie wollte unglücklichen Liebenden helfen und nie heiraten müssen. Sie lebte fortan als Nonne und gilt seitdem in Wales als Schutzpatronin der Liebenden.
Der Leuchtturm markiert die Einfahrt in die Menai Strait; die Pilger damals mussten sich noch mit viel Gottvertrauen an die schwere Überfahrt zur Insel machen. Wir genossen vom Fuße des Leuchtturms aus noch einen schönen Rundumblick auf die Bay bevor wir uns auf den Rückweg machten. Faszinierend waren die ins Wasser ragenden Felsformationen aus erstarrter Lava, aber auch die Kühe hoch oben am Berghang. Inwischen hatte die Flut den Landweg überspült und so hieß es also: Schuhe aus, Hosenbeine hochkrempeln und durch. Erfrischt kamen wir an der anderen Seite an und trockneten unsere Füße im Sand auf dem langen Weg am Strand entlang. Hier war jetzt auch viel mehr los, es badeten sogar einige Hartgesottene. Die Kitesurfer vom Vormittag waren inzwischen verschwunden. Wir verließen den Strand auf dem Weg zum Parkplatz – der ursprüngliche Weg durch die Dünen war wegen Abbruchs gesperrt. Schuhe an, wie auch die Familie uns gegenüber auf der Bank – Vater, Mutter jugendliche Tochter und Sohn – die sich offensichtlich auf Walisisch unterhielten. Also ist Walisisch nicht nur was für alte Leute.
Jetzt ging es hinter den Dünen weiter, links der Wald rechts viel Sand, der Newborough Warren. Gut abgezäunt erstreckte sich eine leicht hügelige Dünenlandschaft, allerdings mit Wiesen und Strächern, nur gelegentlich von einem Sandflecken unterbrochen. Hier weideten auch Pferde vor der Silhouette der Berge im Hintergrund. In den leichten Senken des Warren sammelt sich die Feuchtigkeit und so ist die hügelige Landschaft trotz des sandigen Untergrunds sehr grün und bietet vielen Tierarten, insbesondere kleineren Vögeln, einen Lebensraum. Kaninchen und Vieh sorgen für die Verbreitung der Wiesenblumen und Kräuter. Der Weg führte nun wieder in bebaute Gegenden. Einmal bogen wir falsch ab und am anderen Ende der eingezäunten Weider erhoben sich die Kühe und nahmen nebeneinander Aufstellung. Bevor die Kühe aber "vorrückten" hatten wir uns lieber einen anderen Weg gesucht. Bald war wieder die Kirche in Sicht – diesmal kamen wir von der richtigen Seite um uns Llys Rosnyr anzusehen. In ganz Nordwales gab es solche Gebäudekomplexe, wo der walisische Prince of Gwynedd Station machen konnte – quasi eine Pfalz. Mit dem Eindringen der Engländer wurden landesweit neue englische Burgen errichtet, die Herzogspfalzen verloren ihre Bedeutung und verfielen. Lange blieb Lllys Rosnyr unter dem Sand verweht verborgen und wurde erst spät wiederentdeckt, als besterhaltenes achäologisches Denkmal seiner Art.
Da wir schon einmal in der Nähe waren, wollten wir noch eine ganz besondere Sehenswürdigkeit besuchen – den Ort mit dem längsten Ortsnamen im Vereinigten Königreich (und ich glaube auch in Europa). Als erstes begegnete uns der Name werbewirksam auf dem Schild eines VW-Händlers im Ort. Am Shopping-Center am Bahnhof ist sogar die englische Übersetzung mit aufgeführt. Und am Bahnsteig ste´ht unter dem Stationsnamen die richtige Ausssprache. Es geht um: Lllanfairpwllgwyngyllgogerychwyrndrobwllllantysiliogogogoch.
Das wäre mal ein Wort für Scrabble, selbst wenn man keine Vokale gezogen hat.
Ein offizielles Ortsschild mit diesem Namen sucht man übrigens vergebens, aus einem einfachen Grund: der Ort heißt eigentlich nur Lllanfairpwllgwyngyll. Ein Witzbold verlängerte ihn im 19. Jahrhundert, in der Hoffnung damit viele Touristen anzulocken. Hat wohl geklappt…
Auf dem Rückweg hielten wir noch in Bangor. Auf der Suche nach einem netten Stadtzentrum waren wir nicht sehr erfolgreich, die Hautstraßenläden und das Shopping-Center hatten schon geschlossen – es war ja schließlich Sonntag. Also fuhren wir zur Victorian Pier, einer Mole, die weit in die Menai Strait hineinragt. Rechts und links auf der Mole waren kleine Pavillions integriert: ein Maler hatte dort sein Atelier mit Blick aufs Wasser. Ein kleines Café mit einer Speisekarte, wo wir sicher etwas Leckeres auch zum Abendessen gefunden hätten – das Problem: es war bereits voll besetzt mit dem älteren Betreiber-Ehepaar und drei Gästen and den zwei kleinen Tischchen und draußen war es einfach zu frisch.
Andere Restaurants in der Nähe der Mole hatten nicht geöffnet, also fuhren wir zu unserem Ferienhaus zurück, stellten das Auto ab und machten uns´zu Fuß auf die Suche nach einem Pub oder Restaurantt, wo wir zu Abend essen konnten. In der Nähe hatten leider nur ein Chinese, ein Pizzaladen und ein Inder geöffnet, alles allerdings nur mit Lieferservice oder zum Mitnehmen ("Takeaway"). Wir entschieden uns für Indisch, bestellten und gingen noch 20 Minuten spazieren. Dann zogen wir mit unserem Essen nach Hause, genossen es zusammen mit einem Ginger Ale und beschlossen den Abend mit einem Schluck Weißwein und Käseplatte…