Belmullet – Ballina (94,91 km)

Ausnahmsweise wurde heute das Frühstück nicht serviert, sondern wir stellten es uns nach Belieben vom Büffet zusammen. Insofern fiel auch der Vitaminanteil gegenüber den gehaltvolleren Bestandteilen etwas größer aus.

Noch schnell “radfein” gemacht und die Fahrräder aus dem Business Center geholt, wo sie über Nacht geparkt waren (wer weiß was für Geschäfte sie dort abgeschlossen haben …), und schon ging es wieder los.

Wir fuhren auf der Küstenstraße an den südlichen Ausläufern der Broadhaven-Bucht entlang, wo drei Schafe gerade Landgang hatten – auf jeden Fall entfernten sie sich nicht weit von ihrem Boot, das wegen Nierigwasser auf dem Trockenen lag. Wir verließen die R314 und blieben an der Küste, umrundeten einen Berg, auf dem eine große Murmel auf Sockel stand – eine Radarstation der irischen Flugsicherung wie sich herausstellte. Bei Sonnenschein und weißen Wolkenbergen ergaben sich wieder traumhafte Ausblicke auf die gegenüberliegende Küste und den tief eingeschnittenen Meeresarm, dessen Verlauf wir folgten. Zum Teil war dies aber mit einer Kletterpartie verbunden, die mühsam erkurbelte potentielle Energie mussten wir dann leider wieder bei einer atemberaubenden Schussfahrt abgeben.

Bereits von oben waren uns in dem Sund ein vor Anker liegendes Schiff und emsige Bauarbeiten aufgefallen, wo irgendwelche Pfeiler und Wände verankert und Füllmaterial eingebracht wurde. Später wurde die Sache noch mysteriöser: Ein großer Bereich war wie ein militärisches Objekt mit grünen Zäunen, Innenzaun und grünen Bauten oder Container aufgebaut. Alle Zufahrten zum Ufer waren abgesperrt und mit Video / Infrarot abgesichert und Wachpersonal (IRMS) besetzt. Zudem war laut den Schildern an der Einfahrt volle Schutzbekleidung angesagt. Willkommen bei James Bond! Da wir aber nicht im Auftrag ihrer Majestät unterwegs waren, verfolgten wir die Sache nicht weiter. Später entdeckten wir an der Strecke hoch oben an Telegrafenmasten Protestschilder “Shell out” “Shell ‚raus” und “Works conducted without community consent” (gegen den Willen der Einwohner). Also geht es um irgendein fieses Projekt von Shell, das bestimmt nichts Gutes für die lauschige Bucht mit Sandstrand bedeutet. Da müssen wir wohl später noch etwas nachforschen…

Wir waren wieder auf der R314 gelandet und radelten eine ganze Weile ziemlich unspektakulär aber mit Rückwind quer durch leicht gewellte (schnauf!) Landschaft. Wir waren gut voran gekommen und erreichten schon 13.00 Uhr (nach etwa 47 km) den archäologischen Park Ceide Fields, das weltweit größte Denkmal der Jungsteinzeit. „Wenig spektakulär“, werden sich in den 1930er Jahren die Bauern gedacht haben, als sie beim Torfstechen immer wieder große Steine oder sogar Steinhaufen freilegten. Erst der Dorfschullehrer konnte sich einen Reim darauf machen. Er nutzte mehrere Sonden (ein langer dünner Eisenstab mit Griff), wie sie die Einheimischen zum Aufspüren von unverwitterten uralten Baumresten unter dem Torf (Brenn- und Bauholz war knapp!) verwendeten und stellte fest, das es sich um verschüttete Reste von Begrenzungsmauern für Acker- und Weidelandparzellen (wie sie heute noch überall in Irland anzutreffen sind) handelte. Das Besondere war allerdings, dass diese Mauern Zeugnisse von Ackerbau und Viehzucht vor mehr als 5000 Jahren und in ihrer Ausdehnung einzigartig waren. Die genaue Datierung der Funde konnte man anhand der Dicke der Torfschicht ermitteln (in 10 Jahren wächst die Torfschicht um 1 cm). Dieses und viel mehr über die Lebensweise der frühen Ackerbauern erfuhren wir aus der Ausstellung, dem Film zur Geschichte der Fundstätte und der Region, aber vor allem von einer sehr netten älteren Dame, die durch das Ausgrabungsfeld führte und auch einige Sumpfpflanzen wie z.B. Sonnentau vorstellte.

Hatte uns bisher auf dem Weg abwechselnd mal eine Regenwolke oder ein Sonnenloch begleitet, so töpfelte es hier auch mal kurz. Aber auf der weiteren Fahrt schien es als würden wir die dunklen Wolken vor uns her schieben, damit wir nichts abbekommen, aber es war wohl der Wind, der uns diesmal, von Ausnahmen abgesehen, gnädig war.

Nach ein wenig Auf und Ab erreichten wir kurz Ballycastle, um bald wieder Richtung Küste abzubiegen. Der größere Bogen, den wir nun entlang der Küste schlugen, hatte sich wirklich gelohnt. Es eröffneten sich tolle Ausblicke vor, neben und hinter uns auf die Klippen, über die grüne Landschaft, Buchten mit gelbem Sand und den Hinterlassenschaften der See, Prielen und Pfützen.

Wir erreichten Killala. Darüber thronte ein mächtiger irischer Rundturm aus dem 12. Jahrhundert, dessen Zweckbestimmung auch heute noch im Dunkeln liegt – Wachturm, Machtdemonstration, Kultstätte? Auch in anderer Hinsicht war die Stadt für die irische Geschichte bedeutsam. Die Stadt war 1798 von einer französisch-irischen Streitmacht unter dem französischen General Humbert erobert worden, gegen die vielfache Übermacht von 4000 Engländern. Die Einwohner denken mit Dankbarkeit an die französichen Unterstützer des irischen Freiheitsgedankens zurück – in Killala steht eine Humbert-Büste und eine Schule ist nach ihm benannt. Erst viel später beim weiteren Vormarsch musste sich Humbert 13.000 Engländern geschlagen geben.

Auch wenn die nun von uns gefahrene Nebenstrecke immer wieder bergauf und bergab ging, gaben wir uns noch lange nicht geschlagen; wir fuhren weiter bis Ballina. Eigentlich wollten wir kurz vor der Stadt zelten, aber mittlerweile hatten sich wieder die Wolken über uns zusammengebraut und es fielen die ersten Tropfen. Also fuhren wir in die Stadt, nahmen dort im „The Loft“ Quartier. Unser überraschend geräumiges Zimmer lag tatsächlich im Dachgeschoss. Nach der „rituellen“ Reinigung vom Straßenstaub – eine heiße Dusche wirkt Wunder – machten wir uns schnell auf die Nahrungssuche, den drohenden üblichen Küchenschluss von 20.00 Uhr vor Augen. Wir entschieden uns daher für „The Junction“ an der nächsten Kreuzung (wie der Name schon sagt) und unkomplizierte nicht-ganz-Fast-Food (eben wie bei einem amerikanischen Familienrestaurant – nicht McDonald’s!). Dann drehten wir noch eine Runde durch die inzwischen von der tief stehenden Abendsonne (Überraschung!) verzauberte Stadt mit der Kathedrale aus dem 18./19. Jahrhundert und den Überresten einer Augustinerabteil von 1425. Letztere war, ebenso wie die Abtei von Moyee, die wir nach Killala passiert hatten, durch die Engländer zerstört worden, da alle irischen Klöster auf Geheiß Heinrichs VIII, neuer Herrscher über die neue Anglikanische Kirche und damit über das unterworfene Irland, aufzulösen waren.

Auf dem Rückweg über den Fluss Moy nahmen wir von unserem Spaziergang nicht nur einige
Bilder und Eindrücke mit, sondern noch ein kleines Guinness aus dem Laden an der Ecke – zur Inspiration versteht sich…