Healdsburg – St. Helena (65,78 km)

Der Mensch lebt nicht vom Wein allein, daher habe ich mich nach Ankunft in unserem Motel noch einmal aufs Fahrrad geschwungen, um noch etwas zum Abendbrot einzukaufen. Nach einer einstündigen Tour auf dem Weingut Beringer, mit Verkostung, wollten wir erst einmal unser Quartier beziehen und uns erfrischen. Auf dem Weg dahin ließen wir allerdings St. Helena hinter uns – die nächste Einkaufsmöglichkeit in etwa einer Meile Entfernung entpuppte sich aber als Nobel-Delikatessen-Geschäft. Leckeres Brot und frisches Obst sowie – zur Abwechslung mal – Bier aus einer Brauerei im Napa Valley ergänzten unsere Käse und Salami-Vorräte zu einem entspannten Abendbrot nach dem Bad im Pool und Faulenzen und Lesen auf der Sonnenliege.

 

Der Tag sollte heute wieder heiß werden, also starteten wir nach dem Frühstück zeitig – viertel neun waren wir schon unterwegs, damit wir noch vor der Mittagshitze ein gutes Stück Strecke hinter uns haben. Erstes Ziel war der versteinerte Wald („Petrified Forest“). Die ersten 25 Kilometer kamen wir gut voran, dann hieß es aber von der Straße im Tal abbiegen und „klettern“. Der Wald lag nämlich auf über 300m Höhe, also ging es lange Strecken bergauf. Hier gab es auch keine extra Fahrradspur mehr, so ließen wir öfter die dicken Lastwagen und anderen Autos vorbei, die sich bergauf hinter uns angesammelt hatten.

Ich habe schon einmal 2 oder 3 versteinerte Baumstümpfe gesehen und war beeindruckt wie sich Holz in Stein verwandelt kann. Aber heute haben wir 20 m lange Stämme gesehen. Und so sind Namen wie „Riese“, „Königin“ oder „Robert Louis Stevenson“ durchaus angemessen. Und auf einem versteinerten Baum saß sogar eine versteinerte Eidechse, huch, wohl doch nicht, weg war sie!

Die erdzeitlich-geologischen Phänomene beschäftigten uns weiter: es ging zum „Old Faithful Geyser (of California)“ – einem von drei gleichnamigen Geysiren in der Welt, die ihre Betitelung als „treue alte Seele“ dem Umstand verdanken, dass sie zuverlässig immer im gleichbleibenden Abstand eine heiße Wasser-Dampfsäule an die Erdoberfläche und in die Höhe schießen lassen.

Hier musste man sich auf maximal 40 Minuten Wartezeit einrichten, und siehe da …

Wir waren schon so gut wie in Calistoga, eine Stadt, die ihre Gründung dem „Recycling“ der Hütten der chinesischen Silberminenarbeiter nach Ende des Silberbooms (Silverado) verdankt.

Als in der Region außer Felsenkellergraben für die aufkommende Weinindustrie nicht mehr viel los war, zogen viele der chinesischen „Gastarbeiter“ weiter nach San Francisco und begründeten dort Chinatown.

Auch wir zogen nach einer Mittagspause in Calistoga weiter und radelten auf der Silverado Trail
Road östlich des Napa-Flusses im Weintal entlang, ein wenig ab vom Hauptverkehr auf der anderen Seite. Zugegeben, es war auch bergiger und anstrengender. An unserer Strecke lagen etliche ausgedehnte Weinbauflächen, aber weniger auf Weintouristen ausgerichtete Weingüter. Wir hatten uns aber auch vorgenommen bestenfalls erst kurz vor dem Ziel noch einmal Wein zu probieren, am bestem aber mit Tour, um etwas mehr über den Weinbau in der Region zu erfahren. So genossen wir das eigene, sehr südliche Flair der Gegend: Olivenbäume, Oleander, Palmen oder Kakteen hier und da und … Weinstöcke, vor dem grün-orangelben Hintergrund der Berge. Auf Höhe St. Helena querten wir das Tal hin zur Hauptstrecke und konnten dem einladenden Charme eines älteren Feldsteingemäuers nicht widerstehen, dem Weingut Freemark Abbey. Trotz der Tradition von 125 Jahren hatte das Weingut mit einer Abtei (abbey) nichts zu tun, diese Name ist in der wechselvollen Geschichte des Weinguts irgendwann aus den Namen der drei neuen Besitzer entstanden. Ursprünglich das erste von einer Frau geführte Weingut (ihr Gatte war vor Anlage der Weinberge verstorben), wechselte das Gut öfter den Besitzer und ist aber nun seit 2006 im Familienbesitz. Beim Tasting, das Birgit und ich uns „teilten“, waren durchweg alle der vier Sorten (Sauvignon Blanc, Chardonnay, Syrah und Cabernet Sauvignon) nach unserem Geschmack – jede mit eigenem Charakter und einfach lecker! Da wenig Kundschaft da war, fragten wir die junge Frau gehörig aus, welche Geschmacksrichtungen in Amerika bevorzugt werden, wer die Kunden sind. Das Napa Valley, so erfuhren wir, ist eigentlich für die trockeneren Weine berühmt, und bei Rotwein vor allem für die Cabernets – im Gegensatz zu Sonoma, wo der Pinot Noir dominiert (weil er dort besser gedeiht) und auch schon mal der eine oder andere süßere Wein dabei ist.

Ein sehr angeregtes „Tasting“ mit netter Unterhaltung, das wir, ganz überraschend, am Ende nicht einmal bezahlen mussten.

Ganz anders bei Beringer: dort gab es ein „Welcome Center“ wo man Tourinfos bekommen konnte. Der Weintourist konnte wählen zwischen Verkostung, 30min-Tour mit Tasting oder 1h-Tour – mit entsprechenden Preisunterschieden.

Wir waren weiter neugierig und wollten natürlich noch mehr Hintergrundinformationen und „Weinterminologie“ aufsaugen – also 1h Tour. Es ging in die Kellergewölbe im Vulkangestein – heutzutage aber mit etwas aufgesprühtem Beton gestützt.

Die Gebrüder Beringer (wohl deutscher Abstammung aus dem Mainzer Raum,) hatten das Weingut einst begründet, heute gehört das Weingut zu einem australischen Konzern. Vom Keller, mit einem ersten Probeschluck aus dem Fass, führte die Tour zu einigen Reihen von Weinstöcken auf dem Gelände, ein Blick auf die Trauben des neuen Jahrgangs quasi. Einige Besucher, wie auch wir, stellten ganz konkrete Fragen und so erfuhren wir zum Beispiel auch, wie man im heißen Kalifornien einen Riesling so „hinbekommt“, das er dem aus dem kalten Deutschland nahe kommt: nach der Lese wird er gekühlt. Beim Dessertwein verlässt man sich mangels Frost auf eine bestimmte Schimmelpilzkultur, die den „Eiswein-Effekt“ bringt.

Abgerundet war die Führung durch eine Verkostung: Weiß-, Rot- und Dessertwein, jeweils begleitet von einer Art Grissini-Stange, einem Stück Käse und einem Praliné aus weißer Schokolade mit Aprikosen-Füllung, „jummee!“ wie der Amerikaner sagt (hmmm, lecker).