Port Orford – Harris Beach National Park (91,44 km)
Wir haben unser heutiges Etappenziel erreicht – den Campingplatz im Harris Beach National Park in Brookings, der letzten Stadt im Staate Oregon vor der kalifornischen Grenze. Nach dem Abendbrot sind wir den Fußweg Richtung Küste gegangen und sitzen jetzt auf einer Bank mit Blick auf einige kleinere und einen großen Felsen, die von den heranrollenden Ozeanwellen umtost werden. Eigentlich sind die Felsen auch nie ganz zu sehen. Immer wieder umfängt sie wabernder Nebel, dessen kalten Hauch wir selbst hier oben auf dem Hang spüren. Dieser Nebel hat uns schon seit heute Mittag begleitet. Aber alles der Reihe nach.
Nach unserem selbst arrangierten Frühstück im Hotel – vorher hatte ich noch die Bremsklötze an unseren Rädern geprüft und einige gleich gewechselt – „sattelten wir unsere Drahtesel“ und ritten los. Erstmal gab es zur Einstimmung einen gehörigen Anstieg. Die Sonne schien aber gleich am Morgen sehr freundlich, so dass wir uns für die Kurzvarianten von Radlerhose und winddichter Radlerjacke entschieden. Winddicht war nicht so verkehrt weil es bei Abfahrten und den kurzen Waldstrecken immer etwas „frischer“ war. Wir blieben jetzt ständig auf der US 101, die leider ganz schön befahren war. Stellenweise hatte sie auch durch einige Abbrüche gelitten, oder es klafften große Risse im Belag, so dass eine der oft vorhanden zwei Bergaufspuren gesperrt war. Selbst wir mussten an einigen Stellen vom Randstreifen auf die Straße ausweichen. Nicht immer war übrigens ein Randstreifen in der nötigen Breite vorhanden. Die 101, obwohl wichtige Fernstraße, wand sich auch ganz schön durch die Berge, es gab nur wenige steilere Anstiege, dafür aber lang gezogene Kletterstrecken für uns. Insgesamt vermeldet das GPS einen Gesamtanstieg von 1397m (also ein kleiner Gipfel im Mittel- oder Hochgebirge). Und immer wieder Blicke auf die Küste. Später wurden diese seltener, da öffnete sich ab und zu im Waldstreifen zwischen Straße und Küste ein Fenster als Teil des „Scenic Corridor“ Immer wieder waren „Viewpoints“ und „State Parks“ ausgeschildert. Einmal folgten wir aus Neugier der Ausschilderung „Geisel Monument State Park“ und landeten in einem Waldstück mit der Familiengrabstätte Geisel. Laut Inschrift war die Familie durch Indianer massakriert worden. Interessant, von so einem persönlichen Schicksal zu erfahren, allerdings sind wir auf unserer gesamten Route auf kein Denkmal für die Indianer gestoßen, denen von „weißer Hand“ Ähnliches widerfahren ist.
In Gold Beach, nicht ganz auf der Hälfte machten wir gegen 13.00 Uhr unsere Mittagsrast. Wir hofften, dass wir bis 14.00 Uhr wieder weg sein würden, denn da sollten an der ganzen Südküste von Oregon in einem „Tsunami Evacuation Drill“ alle Sirenen ertönen und die Evakuierung vor einer herannahenden Flutwelle geprobt werden. Unser Fischgenuss (gebratener frischer Snapper bzw. überbackener Kabeljau) sowie das Dessert – Cherry Crunch (fast wie ein misslungener weil auseinandergelaufener Kirschstreuselkuchen – man muss dem Kind nur einen Namen geben!) wurden noch nicht gestört. Selbst auf der Strecke haben wir bis weit nach 14.00 Uhr keine Sirenen gehört. Der „Tsunami“ kam nicht. Stattdessen zeichnete sich am Horizont, als wäre es ein genialer
Regieeinfall für die Rettungsübung, zwischen Meeres- und Himmelblau ein hellgrauer Streifen ab. Als dieser Streifen immer weiter gen Küste vorrückte, wirkte er nun wie ein weißer Vorhang. Die Nebelschwaden zogen mit rasanter Geschwindigkeit über das Ufer. Über den Highway 101 fliegen die Nebelfetzen und werfen auf der Fahrbahn schmale Schattenstreifen.
Und dieser Nebel hüllte auch später bei den kurzen Ausblicken auf Buchten und Felsen selbst größte Brocken in weiße Watte.
Inzwischen ist vor uns aus dem Nebel der große Felsen komplett wieder „aufgetaucht“. Aber die Sonne hat sich schon verabschiedet und beim letzten Licht des Tages trollen wir uns ins Zelt, in den Schlafsack.
Kalifornien wir kommen!