Tarbert – Loop Head Rundfahrt (87,22 km)
Das deftige irische Frühstück im Hotel „The Ferryhouse“ wurde ein wenig mit irischer Geschichte gewürzt, in diesem Fall der wechselvollen Vergangenheit des Hauses. Die breiten Fenstersimse ließen auf die tatsächlich ziemlich breiten Mauern aus der Bauzeit des Hauses Mitte des 18. Jahrhunderts schließen. Nach der Familie O’Conner gehörte das Anwesen einem protestantischen Grundbesitzer, wie vieles in der Gegend. Irgendwann war das Haus aber nicht mehr interessant, erst recht mit der Gründung der Republik Irland. Der Besitzer war wieder ein O’Conner, der sich allerdings wegen der Weltwirtschaftskrise nicht mehr halten konnte und nach Kanada auswanderte. Das Haus stand lange leer und verfiel – im heutigen Frühstücksraum wuchs ein Baum – bis es sogar abgerissen werden sollte. Da kam der noch in Irland ansässige Zweig der Familie wieder ins Spiel und übernahm das was nach übrig war. Nach und nach wurde ab 1994 das Hostel für Wanderer und andere Reisende daraus. Anfangs lief der Tourismus auch noch ganz gut, mit der nächsten Krise wurde es weniger. Aber die Leute erschlossen sich neue touristische Ziele; wer hätte gedacht, dass jemand einen Ausflug auf die Halbinsel zum Loop Head macht. Wir zumindest hatten das vor.
Aber erst hieß es die Fähre zu schaffen – gemütliches Frühstück hin oder her.
Den Fluss Shannon hatten wir ja schon einmal in Limerick über eine Brücke gequert, jetzt war er aber beindruckend mächtig und breit. Hinter zwei großen Bussen rollten wir auf die ganz gut gefüllte Fähre – Fußgänger gab es nicht und wir waren die einzigen Radfahrer. Irgendwie schienen wir einen Umweltbonus zu haben, wir fanden niemand bei dem wir die 5 Euro pro Person loswerden konnten. (Wir investierten sie später in die Führung und Besichtigung des Leuchtturms am Loop Head.)
Am anderen Ufer angekommen fuhren wir eine ganze Zeit Hauptstraße, was angesichts einiger rasenden Ir(r)en sehr anstrengend war. Wir waren froh, als wir dann wieder Nebenstraße fahren konnten.
Einen kleinen Umweg machten wir noch, zur „West Clare Railway“.
Ein alter Reisewaggon diente als Cafè, hatte aber laut „Fahrplan“ erst am 13:00 Uhr geöffnet.
Auf den Gleisen werkelte jemand an einer kleinen Rangierlok, während aus dem Schornstein einer historischen grünen Dampflok (deutsches Fabrikat – wie der Mann im Café erklärte) bereits kleine dunkle Dampfwölkchen aufstiegen. Keine Gefahr! Schließlich stand davor auch noch eine alte Feuerwehr der Eisenbahngesellschaft.
Nach etwa 45 km erreichten wir den Zeltplatz Green Acres und schlugen für 32 Euro unsere Zelte mit direktem Blick auf den Shannon und die See in der Ferne auf. Wir waren die einzigen mit Zelt, auf dem Platz standen hauptsächlich die großen stationären Wohnwagen mit mehreren „Zimmern“, quasi ein aufgebockter Bungalow mit Rädern, wie man sie auch in Großbritannien sieht.
Nach dem Aufbau und einer kurzen „Kaffeepause“ ohne Kaffee mit unseren restlichen Scones und etwas Obst – in der Sonne ! – machten wir uns auf eine kleine Radtour bis zu Spitze der Halbinsel „Loop Head“. Da unser “Häuschen” schon stand begnügten wir uns mit leichtem Gepäck.
Inzwischen waren wir durch die Sonne so verwöhnt, das wir sogar „in kurz“ fahren konnten, auch wenn es immer mal wieder etwas zuzog und leicht frisch wurde. Die Strecke führte nicht direkt an der Küste entlang, auch wenn wir sie oft gut sehen konnten. Es gab doch einige fordernde Anstiege, so dass uns eigentlich nur bei der einen oder anderen Abfahrt kühler wurde.
Ein Abstecher nach Carrigaholt mit einer alten Mole und einem alten Turm, der uns eigentlich da hin gelockt hatte, bescherte uns eine echte Überraschung. Ungläubig hatten wir die Werbung für Delfin-Bootstouren zur Kenntnis genommen, und jetzt sahen wir selbst welche! Immer mal wieder war eine Flosse oder sogar kurz die Schnauze und der Rücken mit Rückenflosse zu sehen.
Unser Hauptziel, der Leuchtturm „Loop Head“ am Kap, dem westlichsten Punkt des County Clare, war gut besucht. Wir ließen uns zu einer Besichtigung überreden und stiegen hinauf, sahen die großen Linsen, die Lampe und vom offenen Rundgang die imposanten Klippen der Küste.
Der Weg zurück führte uns auf einer kleineren Straße ein Stück auf der anderen (der Atlantik-) Küste der Halbinsel entlang. Hier ergab sich auch mal ein überraschender Blick in eine Klippenbucht, in der schräg gestellte und abgestufte riesige Gesteinsplatten lagen, als hätte sie ein angetrunkener Steinmetzgeselle so nachlässig abgestellt, dass sie wie Dominosteine umfielen.
Natürlich mussten wir uns das genauer ansehen – der Pfad hinunter in diese Bucht erleichterte die Sache.
Und dann gerieten wir selbst auf der Nebenstraße noch in einen Stau – eine Kuhprozession bei der 54 Kühe schön gemütlich in Zweierreihen Richtung Stall und Koppel trotteten. Wäre da nicht der Sohn des Bauern gewesen, der sie sanft mit dem Traktor vor sich her trieb, es hätte länger gedauert. So gab es für uns eine Pause und für Jürgen Gelegenheit zu einem Schwatz mit dem Bauern.
Die Tour beschlossen wir (fast, eigentlich noch 8 km vor dem Zeltplatz) in einem offensichtlich für seine Fischgerichte mehrfach ausgezeichneten – und gut besuchten – traditionsreichen Restaurant „The Long Dock“. Das Essen war lecker, Bier und Cranberrysaft auch, und auch dieser Ort hatte etwas an Geschichte zu bieten. Als es noch ein einfacher Pub war, nutzte die Wirtin, eine gewisse Mrs. Heris eine versteckt hinter der Theke angebrachte Fahrradluftpumpe, um das Bier noch einmal richtig durchzuwirbeln, zu „belüften“.
Gut gestärkt waren die letzten Kilometer jetzt ein Kinderspiel.
PS: Es ist jetzt schon nach zehn und immer noch hell …