Boston – Plymouth (63,2 km Fahrrad + 18,5 km Fähre)
Tja mit den Plänen ist das so eine Sache. Eigentlich wollten wir ja dem East Coast Greenway folgen und der führt von Boston aus mit der Fähre nach Provincetown auf Cape Cod und weiter über die Halbinsel. Das wäre sicher schön gewesen, aber wir waren ja schon mal da, kurz nach Steffens 30. Geburtstag mit dem Auto, es war kalt und verschneit.
Leider fährt die Fähre nur in der Saison und die beginnt in diesem Fall erst am kommenden Wochenende. Aber zum Glück sind wir ja flexibel und so habe ich gestern, während Steffen unsere Erlebnisse in Boston aufschrieb, eine neue Route geplant. Nachdem wir unsere Sachen zusammengepackt, ausgecheckt und Steffen unsere Räder wieder aus den Katakomben der Hoteltiefgarage geholt hatte, fuhren wir nur um die Ecke, denn dort befand sich der Fährhafen und 09.10 Uhr sollte eine Pendlerfähre nach Hingham, einem Vorort von Boston fahren. So konnten wir Boston noch eine Weile vom Wasser aus genießen, ohne teures Geld für eine Hafenrundfahrt auszugeben und ersparten uns ein paar Straßen-Kilometer durch den Ballungsraum Greater Boston.
Nach etwa 40 min legten wir an und nun ging es wieder auf’s Rad. Fast, denn die erste Pflicht des Tourenradlers ist es, für ausreichend „Kraftstoff“ zu sorgen, d.h. ordentlich zu frühstücken. So fuhren wir zu Bruegger’s Bagel, der an einer vierspurigen Hauptstraße lag, was uns bis dahin etwas Nerven kostete. Aber die Bagel waren wirklich lecker, reichhaltig und ganz frisch, dazu Kaffee und O-Saft. Damit konnten wir erstmal einige Kilometer vorankommen. So ganz ohne Benutzung stark befahrener Hauptstraßen kamen wir leider nicht aus, aber es gab auch einige traumhaft schöne Abschnitte entlang der Küste: Strände, Marschland, tolle Grundstücke und Villen. Als wir auf einem Parkplatz hinter Cohasset hielten, war eine Frau gerade damit beschäftigt, einen Teil des Dünen abzusperren. In der Nähe lag ihr Rucksack mit einem Schild „Ask me about the birds“ (Fragen Sie mich nach den Vögeln). Damit war sicher gemeint, man sollte sie fragen und nicht die Möwe, die sich lustigerweise gerade da hingestellt hatte. Das tat ich auch. Im Meer gab es einige Felsen, auf denen man mit bloßen Augen sah, dass es sich dort viele Vögel bequem gemacht hatten, vor allem verschiedene Arten von Kormoranen, Seeschwalben und Möwen. In dem abgesperrten Dünenbereich sollen Spitzschwanzammern brüten, die fast nur an der Küste von Massachusetts vorkommen und unter Naturschutz stehen. Wir sprachen noch ein wenig über ihre Arbeit und unsere Tour, dann ging es auch schon weiter. Entlang der Straße befanden sich großzügige Grundstücke mit sehr schönen Häusern, es wurde viel gewerkelt, Gärtner, Maler, Zimmerleute waren damit beschäftigt die Anwesen für die kommende Saison hübsch zu machen, ob für die Eigentümer oder Gäste wer weiß. Zwischendurch mal eine Brücke über einen Fluss, etwas Marschland, aber eigentlich ging ein Ort in den anderen über. Nur in Scituate gab es so etwas wie ein Zentrum. Als wir einen Fotostop einlegten, kamen wir mit einem Mann ins Gespräch, der sich für unsere Räder, die Tour und deren Verlauf interessierte und uns erzählte, dass er mit seinem Rad (eine Art Fatbike) kürzlich durch Vermont geradelt sei. Wenn wir dort verbeikämen, sollten wir unbedingt Bier trinken, es sei das Beste in ganz Amerika, aber im Café vor uns gibt es ganz tolle Sandwiches, die könnten wir doch sicher auch vertragen eine sehr gute Idee. Wir holten uns zwar keine Sandwiches, aber einen Wrap bzw. eine Schale Müsli mit Joghurt und Früchten. Die genossen wir in der Sonne vor dem Café. Weiter ging es dann auch ein Stück durch den Wald; auch ein paar moderate Steigungen waren dabei. Insgesamt fuhr es sich gut, nur als wir am Schulcampus von Marshfield vorbeikamen, wurde es etwas stressig, weil offensichtlich gerade die Schule aus war und zahlreiche Autos und Schulbusse auf die Straße kamen. Dann ging es nochmal auf der Hauptstraße nach Kingston doch das letzte Stück nach Plymouth konnten wir gemütlich auf einem sehr schönen Radweg fahren. Im Hotel angekommen, machten wir uns schnell frisch und zogen uns um, denn wir wollten noch etwas von dieser geschichtsträchtigen Stadt sehen. Direkt vor unserem Hotel ist das alte Hafendorf mit hübschen kleinen Geschäften und Restaurants. Uns zog es erstmal zum Hafen. In der Tavern on the Wharf aßen wir sehr gut. Danach machten wir noch einen Spaziergang. Schließlich müssen wir diesen historischen Ort ein bisschen kennenlernen. Mal sehen, ob wir uns morgen noch für ein Museum entscheiden. Die Mayflower (d.h. ein Nachbau) liegt hier vor Anker und kann besichtigt werden. Uns reichte ein Blick von außen. Unvorstellbar, wie in dem nur 32 m langen Schiff über 100 Passagiere (oft als Pilgrim Fathers oder Pilgerväter beschrieben, obwohl auch Frauen und Kinder dabei waren) die Überfahrt aus England gewagt und 1620 hier angelandet sind. Gleich in der Nähe unter einem von Säulen im griechischen Stil getragenen Dach befindet sich der Plymouth Rock, der Stein, den die Pilgerväter bei ihrer Ankunft in der neuen Welt als erstes betreten haben sollen. Außerdem gibt es Denkmale für berühmte Passagiere der Mayflower. Selbst einige historische Häuser aus dem 17. Jahrhundert gibt es noch. Wir kamen auch am sehr edlen Haus der Mayflower Society vorbei, indem sich die direkten Nachfahren der Mayflower-Passagiere noch immer treffen, ob auch Richard Gere oder George W. Bush hierherkommen, ist uns nicht bekannt, aber sie gehören wohl zu dem illustren Kreis der direkten Nachkommen.
Alles in allem ist Plymouth ein hübsches Städtchen, in dem man viel entdecken und erleben kann.