Hampton – Danvers (70,2 km)

Eigentlich hatte ich heute früh überhaupt keine Lust loszufahren. Als wir wach wurden, sahen wir schon, dass sich das Wetter seit gestern Abend kein bisschen geändert hatte. Es regnete nicht, es schüttete. Das wurde auch nach dem Frühstück, das wir sehr lange hinzogen, nicht besser. Aber irgendwann mussten wir ja los, denn einen Tag einfach so im Hotel zu vergammeln, war auch keine Option. Als bereiteten wir uns mental und bekleidungsmäßig auf die Abreise vor – zwei arme Tröpfe, die von oben bis unten in Regenklamotten (einschließlich Gamaschen) gekleidet waren. Wenn man dann so im Regen vor sich hin radelt, fragt man sich schon mal: Warum tue ich mir das an, wenn ich auch irgendwo mit einem guten Buch in der Sonne sitzen könnte. Aber was will man machen, wenn man einmal unterwegs ist. Zunächst fuhren wir wieder auf die Route, die direkt am Meer entlang führte. Was hätte das für eine schöne Strecke sein können…. Zum Glück fuhren die Autofahrer sehr rücksichtsvoll, vor allem als es über die Hampton Harbor Inlet Bridge ging. Die wird nämlich gerade gebaut und daher gibt es keinen Randsreifen, d.h. Radfahrer fahren auf der Fahrbahn. Die Autos fuhren geduldig mit großem Abstand hinter uns her. Ich war so konzentriert, dass ich nicht mal daran denken konnte, dass ich eigentlich keine Brücken mag und schon gar keine, wo ein Stück Fahrbahn aus Gitter besteht. Unsere Route führte uns dann wieder von der Küste weg nach Seabrook auf den Old Eastern Marshtrail. Der Weg war glücklicherweise nicht aufgeweicht, nur ab und zu mussten wir durch ein paar Pfützen fahren. Das Wetter war immer noch unverändert. Daher war auch unser Empfang in Massachusetts sehr nass. Wir genossen es trotzdem einige Kilometer ohne Verkehr durch sehr schöne Landschaft zu fahren. An der Brücke über den Merrimack River war der Trail leider erstmal zu Ende, doch auf der anderen Seite der Brücke ging es auf dem Clipper City Rail Trail noch ein bisschen weiter, ehe wir dann wieder auf wenig befahrene Straßen geleitet wurden. Der Regen war zwar inzwischen etwas weniger geworden, aber dafür standen wir plötzlich vor einer Brückenbaustelle. Auf dem Schild am Bauzaun stand dass Fußgänger die Baustelle passieren durften, doch als wir direkt vor der Baustelle standen, war absolut kein Durchkommen. Es blieb uns nichts anderes übrig, als die etwas über 4 km lange Umleitung zu nehmen. Wir fuhren nun über kleine verkehrsarme Straßen vorbei an wunderschönen z.T. riesigen Häusern, alles sehr gepflegt. Wie man sich die noble Ostküste so vorstellt. Als wir nach über 36 km anhielten, um etwas zu essen (Cafés oder Restaurants lagen heute keine an der Strecke, aber wir hatten glücklicherweise noch Joghurt, Mandarinen und Müsliriegel), stellten wir fest, dass es gar nicht mehr regnete – das war eine Freude!

Wie überall im Land stehen in vielen Einfahrten Wahlkampfschilder für allerlei Gremien (Schulaufsicht, Finanzaufsicht, Kommune etc.), egal welche Namen darauf stehen, es sind keine Schilder umgeworfen oder beschmiert. Außerdem trifft man neben den üblichen Warnschildern „Children at Play“ ab und an auf Warnschilder mit der Aufschrift „Deaf Person Area“, „Autistic Child“, „Handicapped Child“. Doch man findet auch Aufrufe, für dies und das seine Stimme abzugeben, das die Gemeinde eigenständig bleiben soll, gegen oder für Durchgangsstraßen usw. Und natürlich sieht man an vielen Grundstücken die amerikanische Flagge wehen, aber auch immer mal wieder die ukrainische oder Schilder mit entsprechenden Solidaritätsbekundungen.

Die letzten mehr als 20 km konnten wir auf dem Border to Boston Trail auf einer ehemaligen Eisenbahntrasse fahren, vorbei an kleinen Seen, Sümpfen, ohne den Verkehr der nahegelegenen Großstadt mitzubekommen. Wir sahen eine Biberburg, etliche Vögel; einen Roten Kardinal und einen farbenfrohen orangenen Finken konnten wir auch fotografieren. Ein Schild am Rande des Trails verwies auf Grenville M. Dodge, der als einer der berühmtesten Eisenbahnbauer des 19. Jahrhunderts gilt. Er ist im nahegelegenen Puntnamville aufgewachsen. Er war Chefingenieur der Union Pacific Railroad und Bürgerkriegsteilnehmer. Mit Abraham Lincoln hatte er über die Bedeutung einer transkontinentalen Eisenbahn gesprochen und war enger Freund von Ulysses T. Grant.

Und zu unserer großen Freude zeigten sich nun endlich auch ein paar Sonnenstrahlen.

Nach etwas über 70 km erreichten wir unser heutiges Etappenziel. Schnell die Sachen und Räder aufs Zimmer geräumt, frisch geduscht und los ging es wieder, um ein Restauraunt fürs Abendbrot zu finden, denn mittlerweile waren wir sehr hungrig. Nicht weit weg von Hotel ist eine große Mal und dahinter ein 99 Restaurant, das ganz gut war. Auf dem Rückweg kauften wir uns noch etwas zum Frühstück morgen, denn das ist diesmal nicht bei der Übernachtung dabei.