Ogunquit – Hampton (52 km)

Heute morgen regnete es. Wir gaben dem Regen noch etwas Zeit es sich anders zu überlegen und gingen erst einmal zum Frühstück. Trotzdem es sich um ein sogenanntes „complimentary continental breakfast“ handelte, war das Angebot sehr gut. Es gab vor allem ein nicht nur süßes Müsli, frisches Obst, gekochtes Ei, Mehrkorntoast und auch ganz leckeren Fruchtjoqhurt. Eine Hotelangestellte schaute auch immer nach und füllte auf.

Bis wir uns für den Regen „feingemacht“ hatten, hatte er inzwischen aufgehört. Aber es war trotzdem ziemlich kalt, so dass sowohl die dicken Fahrradhosen als auch die Regenjacken als Windschutz ihre Berechtigung hatten.

Da wir gestern wegen der Unterkunft bereits von der Route abgewichen und an der Küste gelandet waren, setzten wir den Weg entlang der Küste fort. Ohne Regen fuhr es sich auch recht angenehm, ab zu gab es mal kleinere Anstiege. Wir fuhren auf der Shore Road und da es zwar windig (zum Glück kein Gegenwind!) aber nicht zu neblig war, hatten wir auch reizvolle Ausblicke auf die Küste, die Strände und das stürmische Meer.

Es zog sich aber immer mehr zu – der Leuchtturm von Cape Neddick war kaum zu sehen. Der lange Sandstrand von York war nur von einer einsamen Möwe besucht. Die für einen Küsten- oder Badeort üblichen Geschäfte mit Krimskrams und „Strandbedarf“ waren noch geschlossen; überall wurde noch gezimmert oder Vorbereitungen für die Saison getroffen.

Von der York Road bogen wir jetzt auf die Route 103 ab und überquerten den York River auf die Harris-Insel und wieder herunter. Nun ging es wieder im Landesinneren ohne Uferblick weiter, auch mit einigen Steigungen und Abfahrten. Erst in Kittery Point sahen wir wieder das Meer und überquerten die Brücke zwischen Spruce Creek und Back Channel. Links führte eine Straße auf Seavey’s Island, wo sich auch heute noch eine Werft der US-Marine, die Portsmouth Naval Shipyard befindet. Die Werft wurde 1800 gegründet und ist die älteste noch aktive Werft der Navy. 1814 wurde lief hier als erstes Kriegsschiff die USS Washington mit 84 Kanonen vom Stapel. Im ersten Weltkrieg wurden hier U-Boote konstruiert und gebaut – diese Spezialisierung blieb bis nach dem 2. Weltkrieg bis 1969 erhalten, als das letzte in einer staatlichen Werft gebaute U-Boot vom Stapel gelassen wurde. Die Schiffbautradition in dieser Region von Maine reicht aber schon länger zurück; hier wurden Klipper wie auch Kriegsschiffe für den Kampf gegen die Briten gebaut.

Auch wenn die Werft nach Portsmouth benannt ist, liegt sie noch in Maine. Erst jetzt überquerten wir die Memorial Bridge und damit die Grenze zu New Hampshire.

Auf dem Weg zum Strawbery Banke Freiluft-Museum kamen wir durch die historischen Straßen am 1716 gebauten Warner House vorbei, das seine Bekanntheit vor allem einem Blitzableiter verdankt, der durch dessen Erfinder (Benjamin Franklin) persönlich installiert worden sein soll.

Das Freiluftmuseum vereint 45 Häuser aus verschiedenen Epochen über 350 Jahre, die fast original so in einem Viertel (Puddle Dock) erhalten geblieben sind. Darunter sind das Aldrich-Haus, das an die Kinderzeit des Schriftstellers, Poeten und Verlegers erinnert, worüber auch Mrs. Aldrich, seine Ehefrau, die in Person (eine freundliche Laiendarstellerin in historischem Kostüm) anwesend ist, einiges zu berichten weiß. Ein anderes Haus zeigt den Alltag einer jüdischen Einwandererfamilie aus der Ukraine nach 1912. In einem anderen Gebäude kann man etwas über die Konflikte der Siedler mit den indigenen Einwohnern wie den Wabanaki erfahren, und die immer wieder von den Siedlern und ihrem Machtapparat gebrochenen Versprechen und Friedensverträge (Wer schickt jetzt diese Immigranten zurück? 😉

In einem Eckladen konnte man sowohl das Angebot und auch die Einschränkungen in den Kriegsjahren sehen, neben dem Preis wurden auch die dazu nötigen Lebensmittelmarken aufgelistet und die sparsame Verpackung wegen Metallmangels. In einem Doppelhaus wurden zwei Epochen direkt gegenübergestellt: das Leben und Arbeiten einer Familie im 19. Jahrhundert und der Alltag einer Familie aus den 1950er Jahren (einschließlich Radio- und Fernsehprogramm).

In anderen Häusern wurden der Schiffbau oder auch die Techniken beim Hausbau dargestellt.

Allerdings war es in den Häusern fast genauso kalt wir draußen; auch die Auskunftspersonen waren nicht zu beneiden – mit Ausnahme der Dame am angeheizten historischen Backofen. Wir suchten uns daher ein warmes Plätzchen in einem Restaurant, wo wir vor der Weiterfahrt noch etwas essen, uns ausruhen und aufwärmen konnten.

Zugleich konnten wir ein wenig den Regen „aussitzen“, als es weiterging goss es nicht mehr sondern es herrschte Nieselregen. Auch wenn wir nun wieder auf der Route waren, machte es bei dem Wetter wenig Sinn, die Küste entlang zu fahren. Wir wichen darum wieder mal von der vorgeplanten Strecke ab und fuhren auf einem Rad- und Spazierweg auf einer ehemaligen Eisenbahnstrecke – dem Seacoast Greenway – schnurstracks Richtung Hampton, wo ich während der Mittagspause ein Hotelzimmer reserviert hatte. Die Strecke war landschaftlich sehr reizvoll und durchquerte eine Feucht- und Schutzgebiete – bei Sonne bestimmt noch schöner.

Nach einer nicht so langen aber feuchten Etappe konnten wir nun unser trockenes und warmes Hotelzimmer genießen, während es draußen weiter regnete…