Rockland - Waldoboro (58,5 km)
Tja, eigentlich sollte es heute eine anstrengende, aber schöne Etappe werden mit tollen Ausblicken auf die Küste und die vorgelagerten Inseln, doch das Wetter hat uns einen dicken Strich durch die Rechnung gemacht. Nach dem Frühstück im Hotel haben wir uns mit der Abreise viel Zeit gelassen in der stillen Hoffnung, es klart wenigstens etwas auf. Zuerst fuhren wir zu Walgreens, einer Drogerie- bzw. Apothekenkette, um Wasser und Insektenschutzmittel zu holen. Während Steffen draußen wartete, interessierte sich ein älterer Herr für unsere bepackten Fahrräder und unsere Reise. Bei Erwähnung unseres Tourziels Washington D.C. sagte er, dass er dort geboren sei, vor über 80 Jahren. Er ist auch gern Rad gefahren, aber jetzt geht es leider nicht mehr. Hier in Maine fahren die Leute ja noch rücksichtsvoll, ganz anders in den Großstädten. Er war noch als Fahrradkurier in New York unterwegs – zum Teil haben sie sich an die Busse drangehängt, um besser durchzukommen. Alles eingekauft, doch die Abfahrt ließ sich nicht länger aufschieben, 60 km wollen schließlich gefahren werden, zumal es wieder ordentlich bergauf und -ab gehen sollte. So fuhren wir die ersten reichlich zehn Kilometer im dichten Nebel (Sichtweite max. 30 m). Der klarte schließlich etwas auf, dafür regnete es dann etwas mehr. Was soll man machen: wenn man eine solch lange Radtour plant, kann man nicht wegen etwas Regen eine Pause einlegen. Also Augen zu (natürlich nur im übertragenen Sinn) und durch. Wir fuhren stoisch auf unserer Route und kamen auch ganz gut voran. In South Thomaston, an der Brücke über den Weskeg River stießen wir auf ein eigenartiges U-Boot-Denkmal. Es erinnert an Captain George Kittredge, einen Marineoffizier, der sich nach seiner Pensionierung in Maine niedergelassen hatte und kleine, batteriebetriebene U-Boote für den zivilen Markt baute. Wer sich wohl freiwillig in ein solches Gefährt gesetzt haben mag? Nach etwa 30 km (ca. der Hälfte der heutigen Strecke) erreichten wir das hübsche Städtchen Thomaston. Zum Glück gab es hier einige geöffnete Restaurants bzw. Cafés. Wir entschieden uns für das Flipside Café, sehr gemütlich mit bestricktem Pfeiler, vielen Büchern und Kunst an der Wand. Das Essen war einfach (Sandwiches aller Art) und sehr lecker. Wir ließen uns Zeit. Mit unserem Outfit fielen wir natürlich auf und wurden auch hier, nach unserer Route (woher, wohin etc.) gefragt. Mit besten Wünschen für eine sichere und gute Fahrt bei hoffentlich besserem Wetter, verließen wir schließlich diesen gastlichen Ort. Wir zogen uns noch schnell unsere neuen Regenjacken an (die anderen waren völlig durch) und fuhren weiter, vorbei an sehr schönen, großen Häusern, die man fast als Villen bezeichnen könnte und die auch schon ziemlich alt waren. Auf einem Parkplatz am Saint George River hielten wir nochmal an, um nochmal einen Blick in die Landschaft zu werfen. Außer uns stand noch ein PKW da. Schließlich stieg eine Frau aus uns fragte uns, ob sie nicht ein Foto von uns machen sollte. Eine gute Idee, fanden wir. Und so kamen wir ins Gespräch. Sie erzählte, dass sie mit ihrem Mann eine ganze Zeit in Deutschland (in K-Town, also Kaiserslautern) gelebt hat. Erst wollte sie überhaupt nicht dahin, später wäre sie am liebsten geblieben. Man trifft erstaunlich viele Leute, die Deutschland kennen, weil sie selbst oder Familienangehörige dort gedient haben. Mit besten Wünschen verabschiedeten wir uns und fuhren weiter. Es waren zwar keine dreißig Kilometer mehr bis zu unserer Unterkunft, aber die hatten es wirklich in sich. Das ständige auf und ab, steile Anstiege, schlechter Straßenbelag und für die kleinen Nebenstraßen auch relativ viel Verkehr, wobei die allermeisten Autofahrer wirklich sehr rücksichtsvoll fahren, weiträumig überholen und im Zweifelsfall geduldig hinter einem herfahren, wenn man sich mit 5-6 km/h so einen Berg hochquält. Schließlich erreichten wir Waldoboro, unser heutiges Etappenziel. Die einzige Übernachtungsmöglichkeit, das Waldoboro Inn ist ein historisches Gebäude, sehr hübsch, etwas Besonderes, auch weil man sich selbst einchecken und das bei der Buchung versprochene Frühstück selbst zubereiten muss. Reichliche Zutaten stehen bereit, auch eine Erfahrung. Das Abendessen haben wir in der Narrows Tavern um die Ecke zu uns genommen. Ein gemütlicher Pub, sehr gut besucht mit sehr gutem Essen „Landeskunde“ pur. Um die Ecke befindet sich das Waldo Theater, das bei seinem Bau im Jahre 1935 als das modernste seiner Art außerhalb der großen Städte galt. Es war im Art Deco gestaltet und steht unter Denkmalschutz. Heute finden hier allerlei Kulturveranstaltungen statt, so zum Beispiel eine Aufführung des Films „Manche mögens heiß!“ mit anschließendem Gespräch mit Ben Curtis, dem jüngsten Sohn von Tony Curtis.
Gerade kam auch noch unsere Gastgeberin vorbei, die uns erzählte, das hier im Haus im Winter öfter Pop-up Kochevents stattfinden, das es einen Artist in Residence gab, der das Bad in unserem Zimmer gestaltet hat und dass in ca. zwei Wochen die Saison beginnt und dann das Haus fast immer ausgebucht ist.