Belfast – Rockland (64,74 km)

Heute sollte es laut Höhenprofil eine anstrengende Etappe werden, zudem könnte es immer mal wieder regnen. Also hatten wir uns nicht allzuviel vorgenommen und auch schon ein Hotel in Rockland vorgebucht. Von den bunten Häusern von Belfast, wie sie vom Schild an der Stadtgrenze gegrüßt hatten, war leider nicht viel zu sehen. Es war äußerst diesig, aber noch kein Nieseln oder Regen. In Belfast wollten wir uns etwas Leckeres zum Frühstück suchen – angezeigt wurden ein Café und ein Diner. Am anderen Ufer des Passagassawakeag River lag das Stadtzentrum. Zum Glück mussten wir nicht hoch und über die Fernstraßenbrücke, sondern wir kamen bequem über die Fußgängerbrücke im Hafen- und Werftgelände an, wo der Harbor Walk entlangführte. Dann zweigten wir hoch auf die Hauptstraße ab, zum Frühstücken. Im Café gab es leider nur süßes Gebäck und so schoben wir die Räder ein paar Schritte weiter zu Traci’s Diner, der gut besucht war. Mit einem leckeren Veggie-Omelett mit extra Toast statt Pommes und Kaffee bis zum Abwinken waren wir gut gestärkt und gerüstet für die Berg- und Talfahrt.

Wir kletterten nun ganz ordentlich wieder auf über 100 m hinauf – auf (glücklicherweise) einsamen Straßen. Wir kamen sogar an einer Winery (Weingut) vorbei, aber der Tasting Room hatte noch nicht geöffnet und wäre uns auch nicht sehr zuträglich gewesen. Und es ging wieder hinunter zum Megunticook Lake. Bis zu unserem Zwischenziel Camden zog es sich ganz schön, auch wegen des Auf und Ab. Camden ist ein beliebtes Ziel für noble Segler und auch größere Windjammer. Im Hafen lagen auch zwei Mehrmaster, allerdings noch nicht aufgetakelt mit gelegtem Mast. In den Straßen mit vielen Geschäften herrschte emsiges Treiben. Uns war jedoch nicht nach Shoppen, sondern einem leckeren Imbiss in einem netten Café, gar nicht so einfach. Aber über die Straße grüßte ein großes Schild „Buttermilk Kitchen“, also schauten wir mal rüber. Auf der Frühstückskarte standen Blueberry Buttermilk Pancakes. Sicherheitshalber fragte ich noch einmal nach (Yes we serve them all day round) und dann parkten wir unsere Räder. Die Pancakes wurden vom Koch selbst serviert mit dem Kommentar „best pancakes in the world“ und so gut schmeckten sie uns auch. Aus der Stadt heraus schlängelten wir uns kurz die Bay View Street entlang, bis es wieder hoch und runter ging. Manchmal reichte der Schwung ganz gut für den nächsten Anstieg, manchmal eben doch nicht. Die Regenjacken, die wir in Camden angezogen hatten, weil uns hier die Sonne verlassen hatte, konnten wir schon wieder ausziehen.

Wir passierten Rockport und genossen den schwer erarbeiteten Fernblick. Auch hier gab es schöne historische Gebäude, sogar ein Opernhaus. Zumindest besagte das eine Inschrift. 1892 wurde das Opera House gegründet, finanziert mit öffentlichen Anteilscheinen. Nach Nutzung als YMCA-Klubhaus, Versammlungshalle und Basketballhalle wurde das Gebäude restauriert und wieder mit einer Bühne versehen, ergänzt um Versammlungs- und Klubräume (Das Morgen-Yoga hatten wir gerade verpasst). Und ein kleiner Zettel an einem Laterenpfahl erregte noch unsere Aufmerksamkeit; er erinnerte daran, dass nach der amerikanischen Verfassung alle Menschen Anspruch auf ein rechtmäßiges Verfahren haben, auch wenn der GröPraZ das ignoriert.

Hinter Rockport kletterten wir auf über 120 m. Als wir verschnauften, fragte uns ein Mann mit einem Pickup, wo wir hinwollten, ob wir uns auskennen und gab uns einen Tip: Vor der Abfahrt nach Rockland, könnten wir noch einen kleinen Spaziergang machen und einen Blick von oben Richtung Rockland und über das Meer genießen. So stellten wir unsere Räder hinter der Steinmauer mit dem Eisentor an der Zufahrt ab, wechselten die Bewegungsart und nahmen den Weg über das öffentliche Land – mit Test-Anbaufläche für wilde Blaubeeren – zur Spitze des Beech Hill. Auch wenn es ein wenig trüb war, hatte sich der Aufstieg gelohnt, wir sahen das Meer mit kleinen Inseln davor und Richtung Rockland auch schon den Chichawaukie Pond, wo wir später entlangfahren sollten. Auf dem „Gipfel“ stand ein Feldsteinhaus, das 1913 vom norwegischen Landschaftsarchitekten Hans O. Heistad als Stil-Mischung aus einer norwegischen Berghütte und einem amerikanischen Blockhaus als Schutzhütte für die Feld- und Waldarbeiter entworfen hatte.

Zurück bei unseren Rädern wurden wir mal wieder „ausgefragt“, wo es denn hingehen sollte usw. Immer wieder hatten wir dieses nette Interesse verspürt, bereitwillig Auskunft gegeben und die „Bewunderung und Anerkennung“ genossen, immer begleitet von guten Wünschen und wohlgemeinten Warnungen vor irgendwelchen Verrückten (Autofahrern oder so).

Unser Ziel Rockland war weniger elegant aber nicht weniger berühmt als Camden. Auch hier sind Windjammer-Events beliebt, nicht zuletzt auch wegen der Geschichte als „Schoner-Hauptstadt“, wo viele Schiffe vom Stapel gelassen worden sind. Wir fuhren erst einmal schnurstracks zum Hotel, wo auch unsere Räder einen sicheren Platz in einem Abstellraum bekamen. Angesichts des wechselhaften Wetters wollte ich noch einmal nach einer besseren Regenjacke schauen und so ging ich erfrischt schon einmal die Main Street entlang zum Sportladen, der 17.00 Uhr schließen sollte. Eine gute Jacke war schnell gefunden und so ging ich Birgit entgegen. Wir trafen uns auf halber Strecke, schauten schon mal nach einem Lokal für das Abendessen und bummelten noch ein wenig die Hauptstraße entlang. Leider konnten wir nur von außen schauen, denn die Geschäfte und erstaunlich vielen Kunstgalerien waren alle schon geschlossen.

Nach einem kurzen Schlenker zur Pier entschieden wir uns für das Rockland-Café, wo es natürlich Hummer, aber auch andere Fischspezialitäten gab. Z.B. eine richtig gute Seafood Chowder mit Muscheln, Hummer- und Krabbenfleisch.

Inzwischen hatte es heftig zu regnen und zu donnern begonnen, so konnte ich meine Regenjacke auf dem Rückweg zum Hotel gleich testen.