Ellsworth – Belfast (62 km)

Als ich heute morgen wach wurde, nahm ich als erstes die ans Fenster klopfenden Regentropfen war und drehte mich einfach noch mal um. Leider war es eine Stunde später auch nicht besser. Steffen war jetzt auch wach, also gingen wir erstmal frühstücken. Das Angebot war ganz OK, aber dieses unsägliche Einweggeschirr. Zum Glück haben wir unsere Campingbestecke immer parat, so konnten wir wenigstens unseren Toast mit einem Messer schmieren, bei dem man keine Angst haben muss, dass es gleich zerbricht. Das Einzige was sich in den 30 Jahren seit uns unserer ersten Reise in die Staaten diesbezüglich geändert hat, ist dass die Teller nicht mehr aus Plastik sondern aus Pappe sind. Auf diese Weise Wasser und Kosten sparen zu wollen, halte ich für eine sehr merkwürdige Milchmädchenrechnung.

Wir zogen uns also gleich regenfest an (zum Glück regnete es nicht so stark, dass wir Gamaschen und Regenhosen brauchten) und fuhren wieder auf unsere Route. Dabei stellten wir fest, dass Ellsworth auch einen ganz hübschen historischen Stadtkern hat. Gesten hatten wir nur das Gewerbegebiet wahrgenommen. Es ging gleich gut los, die ersten 10 km ging es gefühlt immer bergan, mal mehr mal weniger steil und auch mal fest gerade. Wir kamen so ins Schwitzen, dass wir uns erstmal umzogen. Doch dann wurde es leichter, denn nun ging es über lange Strecken mal mehr und mal weniger steil bergab. Dann wurde es wieder kalt. Die Strecke führte größtenteils auf dem Highway Nr. 1 entlang. Zum Glück war er nicht stark befahren und hatte außerdem einen sehr breiten Randstreifen, der sogar ziemlich gut in Schuss war und wir gelegentlich auf über 40km/h kamen. Ja mit der Qualität des Straßenbelags ist es hier auch so eine Sache, wenn man Glück hat kann man super fahren, aber es gibt auch Abschnitte, da muss man höllisch aufpassen (Schlaglöcher heißen auf englisch pot holes, wohl weil in manchen ganze Töpfe verschwinden können). Es gibt abgebrochene Ränder und tiefe Risse, aber das kennen wir ja schon aus Kalifornien. Nach 35 km erreichten wir Bucksport. Eigentlich wollten wir gemütlich durch den Ort bummeln und in einem Café etwas Leckeres essen, doch just in diesem Moment ging ein ordentlicher Regenschauer nieder. Wir fuhren schnell unter das schützenden Dach einer Tankstelle und suchen über Google nach einem Café. Auf Verona Island (über der Brücke) lag die Sweets Cheeks Bakery, die sogar geöffnet sein sollte. Das war sie auch und das Angebot sah sehr verlockend aus, leider gab es keine Sitzplätze. Welche Enttäuschung! Doch wir durften auf einer Bank im Laden Platz nehmen, Kaffee gab es zwar auch nicht mehr, aber wenigstens Tee. So saßen wir im Laden und verspeisten genüsslich unsere Cheesecakes mit Kirschen bzw. Blaubeeren und noch jeder eine halbe Kokos-Schoko-Schnitte. Die Kunden, die in die Bäckerei kamen, sahen uns an, fragten wohin wir fuhren und wünschten uns eine gute und sichere Fahrt. Eine Mitarbeiterin der Bäckerei erzählte, sie sei nach der High School mit ihrer Mutter nach Deutschland in deren Heimatstadt Altötting gereist, wo sie noch immer Familie hat, und wäre am liebsten da geblieben.

Als wir weiter fuhren, hatte sich der Regen wieder gelegt. Wir mussten nun über die Penobscot Narrows Bridge. Wegen Bauarbeiten war nur eine Spur befahrbar, also blieb keine Zeit, sich groß Gedanken zu machen. Brücken sind ja so gar nicht mein Ding, aber wir haben es geschafft und sind sicher am anderen Ufer angekommen. Dort befindet sich gleich um die Ecke auch der Fort Knox State Park mit dem Penobscot Narrows Bridge Observatory. Bei der Vorbereitung unserer Reise hatte ich ein Video über die Brücke und die Aussicht von oben gesehen und wäre gerne hochgefahren (es gibt einen Aufzug). Doch bei dem Wetter machte das keinen Sinn. So besuchten wir wenigstens das Fort Knox, benannt nach Generalmajor Henry Knox, dem ersten Kriegsminister und Befehlshaber der Artillerie während der amerikanischen Revolution, der seine letzten Lebensjahre übrigens in Thomaston in Maine verbracht hatte. (Das als Lagerort der Goldreserven berühmtere Fort Knox befindet sich in Kentucky und ist übrigens auch nach dem General benannt). Infolge der Amerikanischen Revolution und des Krieges gegen die Briten von 1812 stießen feindliche Schiffe in den Penobscot River vor. In beiden Kriegen gelang es den Briten, die Kontrolle über den Fluss zu gewinnen und in Schlachten das Land für die englische Krone zu erkämpfen. Doch mit dem Sieg der Amerikaner über die Briten ging auch die Präsenz der Briten zu Ende. Doch die amerikansche Regierung erkannte, dass erneute Angriff auf einen ungeschützten Pensobscot wahrscheinlich waren. So wurde der Bau eines Forts an der Stelle des heutigen Fort Knox ab 1825 in die Verteidigungsplanung aufgenommen. Doch es dauerte 25 Jahre bis die ersten Gelder flossen. Der Bau des Forts begann im Mai 1844, er kostete fast eine Million Dollar und zog sich über 25 Jahre hin. Gelder wurden vom Kongress nur sporadisch zugewiesen und schließlich wurden die Arbeiten 1864 eingestellt, ohne dass das Fort fertig war. Das Fort war zweimal in kriegerische Auseinandersetzungen verwickelt: während des Bürgerkriegs und des Spanisch-Amerikanischen Kriegs. Dies und vieles Mehr erfährt man in der Ausstellung im Besucherzentrum und beim Rundgang im Fort.

Die Anlage ist sehr gut erhalten und man kann die Kasematten, Munitionslager, Unterkünfte der Offiziere, der einfachen Soldaten, die Bäckerei etc. besichtigen.

Bis zu unserem Motel heute waren es nur noch etwas über 25 km. Wir fuhren über Stockton Springs nach Searsport, einem hübschen kleinen Hafenstädtchen, in dem sich auch das Penobscot Marinemuseum befindet, das aber erst Mitte Mai öffnet. Unterwegs sahen wir diesmal keine Trump- sondern eine Regenbogenfahne und zwei Schilder mit der Aufschrift „resist“ (widersteht). Außerdem kamen wir an auffällig vielen Bookshops vorbei. Wir waren inzwischen ziemlich hungrig und da kam das Angler’s Restaurant (das als erschwingliches Familien-Seafood-Restaurant angepriesen wurde) gerade richtig. Wir aßen Krabbensuppe und Schellfisch bzw. Muscheln. Nun konnten wir gut gestärkt die letzten knapp 10 km zu unserem Yankee Clipper Motel zurücklegen.