Machias – Prospect Harbor (78 km)
Wie froh waren wir, dass wir heute nicht mit Regen geweckt wurden. Als wir aus unserem Fenster auf den Fluss schauten, sahen wir noch die sich zurück ziehenden grauen Wolken, aber das Blau wurde immer deutlicher. Da es im Motel kein Frühstück gab, folgten wir der Empfehlung der Dame an der Rezeption und fuhren zum Gewerbegebiet, wo es ein kleines unscheinbaren Hüttchen mit sehr gutem Frühstück geben sollte. Dafür nahmen wir auch eine Abweichung von unserer Route in Kauf, denn ohne Frühstück ist nicht gut Radfahren, meint zumindest Birgit. Zuerst schauten wir uns noch die Wasserfälle genauer an, die wir gestern bei dem Regen nur in der Ferne gesehen hatten. In einem Supermarkt holten wir uns noch etwas Proviant, denn die Einkaufsmöglichkeiten sowie Cafes und Restaurant sind sehr dünn gesät. Das Café befand sich wirklich in einem sehr unscheinbaren Holzhüttchen und bietet auch nur Platz für zwei Leute. Dank des schönen Wetters konnten wir uns auf eine der zahlreichen Holzgarnituren setzen, die noch unfertig (z.T. übereinander gestapelt) herumstanden. Wir entschieden uns für ein Breakfast Sandwich mit allem plus Tomate (Käse, Spiegelei, Gyros, Knoblauchreme) plus Kaffee. Wir mussten eine Weile warten, da offensichtlich sehr viele Leute dort ihr Frühstück bestellen und dann abholen. Es schmeckte hervorragend und bildete eine gute Grundlage für die kommende Berg- und Talfahrt. Unsere Route folgt nun (heute war erst der Anfang) häufig dem Highway No. 1. Diesen gibt es hier genauso wie in Kalifornien. Uns ist aufgefallen, dass die Autofahrer sehr rücksichtsvoll fahren, mit großem Abstand überholen und wenn die Sicht gerade ungünstig ist, auch geduldig hinter uns herfahren. Sowohl auf dem Highway No. 1 als auch auf den kleinen Straßen ging es ziemlich stark auf und ab. Manchmal konnte man den Schwung einer Schussfahrt nutzen und rollte fast von alleine den nächsten Berg hoch. Doch leider gab es manchmal auch gerade an der untersten Stelle eine Kreuzung oder einen tollen Fluss/See, die unbedingt fotografiert werden mussten… Da wir heute entgegen unserer ursprünglichen Streckenplanung deutlich länger fahren mussten (Grund ist wie bereits gestern erwähnt die komplizierte Suche nach einer verfügbaren Unterkunft, die wir zum Glück in Elsa’s Inn at the Harbor noch gefunden haben), schien uns die Abkürzung, die der Sunrise Trail bot, ganz verlockend. Die Strecke war auch wunderschön, leider fuhr sie sich bescheiden. Offensichtlich hatte vor uns noch jemand die Sperrung des Trails ignoriert. Die breiten Fahrspuren, erleichterten uns das Vorankommen etwas, aber insgesamt war es sehr mühsam und kostete viel Kraft, zumal auch dieser Weg nicht ohne die eine oder andere Steigung auskam.
Insgesamt ging es ganz gut voran und so langsam wurde es Zeit für ein Picknick. Einen Platz dafür zu finden war gar nicht so einfach. Ein weitläufiges Grundstück reihte sich an das nächste und einfach so wollten wir uns auch nicht an den Straßenrand setzen. Es ist wie verhext, wenn man eine Bank braucht, ist weit und breit keine zu sehen, wenn man sie nicht braucht, stehen sie überall rum. Wahrscheinlich wollte man uns einfach bis Cherryville locken, denn als wir in den Ort hineinkamen, stand auf einem freien Platz ein Tisch mit zwei Bänken. Zwar hatten wir von hier keine gute Sicht auf den Narraguagus River, der etwas weiter unten entlang floss, aber wir konnten uns ausruhen, und im Lebensmittelladen neben sogar noch O-Saft und Eis kaufen. Steffen hätte gern Blaubeereis aus Maine geholt, aber dieses gab es leider nur in riesigen Bechern, aber auch das Eis mit Schokoladen- und Erdnussbutterklumpen war sehr lecker. Nach dieser süßen Vorspeise gab es noch Bagel mit Tomaten und Käsestangen, und zum Nachtisch Joghurt. Nun konnten wir mit neuer Kraft den Rest der Strecke in Angriff nehmen. Auch heute sahen wir wieder einige Schilder und Fahnen mit „Trump2024″ bzw.“Trump/Vance“. Die Wahl ist lange vorbei. Was wollen die Leute damit zeigen? Ob die Regierung den Leuten hier etwas Gutes tut, halte ich für eher unwahrscheinlich, wer weiß. Die Leute, mit denen wir bisher ins Gespräch gekommen sind, schienen die gegenwärtigen Entwicklungen kritisch zu sehen.
Am späten Nachmittag erreichten wir unsere Unterkunft. Sie wird von einer sehr netten älteren Dame betrieben, die allerdings sehr überrascht war, weil sei erst kurz zuvor vom Buchungsportal die Nachricht zu unserer Buchung bekommen hatte. Kein Problem, sagte sie, sie müsse nur das Zimmer noch fertig machen. In einer halben Stunde könnten wir rein. So schlossen wir erstmal unsere Räder an, und gingen zum Harbor. Es war gerade Ebbe, einige Boote lagen vor Anker. Eine der beiden Hummer-Kooperativen hat ihren Sitz hier. Eine riesige Figur mit einer Hummerbox in der Hand trohnt über allem. Eine Dame aus dem Haus gegenüber sagte uns, dass die Pier der Gemeinde gehöre und man ruhig daraufgehen und Fotos machen könnte. So verbrachten wir die Zeit. Unser Zimmer ist sehr hübsch, etwas verschnörkelt, ein typisches traditionelles B&B. Wir unterhielten uns noch eine Weile mit unserer Wirtin, einer „Zugereisten“. Als solche gilt man, wenn man nicht schon seit Generationen in der Gemeinschaft der Hummerfischer lebt. Es ist eine enge Gemeinschaft, in der jeder jeden kennt, man alles übereinander weiß. Man hilft sich untereinander, wenn man dazu gehört. Das Leben der Hummerfischer ist hart, die Lizenzen knapp und teuer (zwischen 10 und 15000 Dollar). Das Durchschnittsalter der Fischer liegt bei 65 Jahren. Die Kinder helfen schon früh mit (so ab 8 Jahren), erst mit ganz kleinen Jobs, dann kommen immer mehr Aufgaben dazu, aber eine Lizenz kann man in der Regel erst bekommen, wenn der Vater seine abgibt. Viel Geld geht in die Ausrüstung, Boote mit viel Technik. In der Regel gilt „kleines Haus, aber großes Boot“. Daher sind die Wohnverhältnisse für Amerika eher bescheiden.
Da das nächste Restaurant mindestens 2 Meilen, zudem steil bergauf, entfernt war, beschlossen wir, uns mit unseren restlichen Vorräten zufrieden zu geben und uns auf das Frühstück zu freuen.