Calais – Machias (77 km)
Heute ging es auf die erste „richtige“ Etappe. Es dauerte seine Zeit bis wir wieder richtig in der Routine drin waren: Fahrradsachen an, alles richtig eingepackt und los. Richtig eingepackt war wichtig, denn es regnete leicht und es sollte immer mal wieder Schauer geben. Leider mussten wir ohne Frühstück los, im Motel gab es nichts und so setzten wir unsere Hoffnung auf Walmart – vielleicht gab es da ein kleines Café. Leider nein, und so beschränkten wir uns auf die nötigen Einkäufe, Bagel (Mehrkorn heißt hier „Everything“), Tomaten, Mozzarella-Cheddar-Käsestangen, Smothies, Joghurt, Ananas und eine SIM-Karte und Guthaben zum Aufladen.
Einen Teil davon verzehrten wir bei einem improvisierten „Frühstück“ gleich vor dem Laden. Aber ohne Kaffee 🙁 Außerdem ärgerte sich Birgit, dass wir schon soviel Zeit vertrödelt hatten.
Dann doch die Rettung: im kleinen miltown coffee gabe es erstmal einen großen Americano und einen Zimtscone. Und noch eine gute Nachricht: Wir gewannen eine Stunde, weil bei Birgits Handy und der darüber synchronisierten Uhr wegen der Grenznähe kanadische Zeit angezeigt wurde.
Unsere Laune besserte sich gleich und so machten wir uns zuversichtlich wieder auf den Weg. Auf recht einsamen Straßen genossen wir die raue, beeindruckende aber nasse Natur: Seen und Marschland, überflutete Waldstücke und immer mal wieder Regen. Links und rechts der Straße erstreckte sich nun ein Wildreservat – Zutritt streng verboten, außer an den Aussichtspunkten und Schutzhütten. Was auf einem hohen Nest auf einem Mast von Ferne auch ein Weißkopfseeadler hätte sein können entpuppte sich dank Teleobjektiv dann als Fischadler. Schwarzbären sind uns aber nicht begegnet, nur viel später – kurz vor unserem Etappenziel – sprang ein Reh vor Birgit über den Weg.
Rechts von der Straße sah man noch die Schienen einer stillgelegten Eisenbahnstrecke. Später verlief auf dem ehemaligen Bahndamm ein Rad- und Wanderweg, den wir eigentlich bis zum Etappenziel fahren wollten. Aber ein Hinweisschild warnte wegen des möglicherweise vollgesogenen Bodens vor der Benutzung – eigentlich war der Weg also gesperrt. Bei früheren Radtouren hatten wir erlebt, dass man dergleichen Warnungen lieber ernst nehmen sollte. Außerdem führte der Pfad durch einige moorähnliche Waldabschnitte – die Räder wollten wir nicht durch den Modder schieben! Also blieben wir auf der gut ausgeschilderten Hauptroute des East Coast Greenway, nun meist auf kleineren Straßen. Hier fuhren zwar kaum Autos, aber es ging immer wieder auf und ab – sehr anstrengend. Eine Pause auf einem Balken im feinen Regen und weiter ging’s. Ab und zu kamen wir mal an einem Haus vorbei, mal sogar an mehren, quas dem Ortszentrum. Allerdings lag überall auffallend viel Schrott und Sperrmüll herum, selbst vor den schönsten Holzhäusern… Und Schilder mit Wahlkampfparolen pro Trump, die zum Teil nicht einer gewissen Ironie entbehrten, z.B. „Trump – Security, Kamala – Crime“ (Wer stand eigentlich schon mehrfach vor Gericht? …)
Aber es gab auch freundliche Begegnungen. In Dennyville mit einer hübschen kleinen Bibliothek und einer historischen weißen Holzkirche winkte uns der Pfarrer freundlich zu, als wir nach einem Anstieg verschnauften und „Kühlwasser“ auffüllten, und so ergab sich eine kurze Unterhaltung über das feuchtkalte Wetter, die noch nicht begonnene Saison und den Aufenthalt seines Vaters als Sanitäter der US Army in Deutschland. Quasi mit dem Segen der Kirche fuhren wir weiter. Ein jüngeres Paar winkte uns freundlich zu. Jetzt wurde der Verkehr aber wieder dichter und so wichen wir letztendlich für die letzten 5 Kilometer doch auf die ehemalige Eisenbahntrasse aus, weil wir so am Flussufer entlang fahren und uns einige Steigungen und Kurven ersparen konnten. Endlich am Motel angekommen, bezogen wir unser schönes Zimmer mit Flussblick. Nach einer warmen Dusche zogen wir noch einmal zu Fuß durch den Regen, allerdings nur ein paar Schritte über die Straße und genossen bei Mason’s Brewing Co. wirklich leckere Pizza mit dünnem knusprigem Boden, dazu ein Bier aus Maine vom Fass (ich) bzw. ein alkoholfreies dunkles Bier aus der Gegend (Birgit), von dem nicht einmal die Bedienung wusste, das es auf der Karte stand.
Zurück im Motel warten wir noch eine ganze Weile damit beschäftigt, eine Übernachtungsmöglichkeit für morgen zu finden, weil die meisten Unterkünfte und auch Zeltplätze erst Mitte bzw. Ende Mai öffnen.