Bangor Calais (Anreisetag 3)
Das war’s wohl erstmal mit dem schönen Wetter. Als ich heute morgen aus dem Fenster schaute, sah es sehr nass und unfreundlich aus in Bangor (in Potsdam wäre der Regen deutlich willkommener). Das sollte sich auch den ganzen Tag über nicht ändern, allein die Intensität des Regens (von stark bis sehr stark, und gelegentlich nur leicht stark). Das Frühstück im Hotel war – sagen wir – amerikanisch. Es gab Pappteller und Plastikbesteck, sowie Pappbecher für Kaffee und Plastikbecher für Wasser und Saft, naja, und der Rest war auch nicht viel besser.
Da der einzige Bus erst am Nachmittag und mit einem riesigen Umweg nach Calais fährt, haben wir uns ein Uber-Auto gemietet. Der Fahrer, Trenton, kam sehr pünktlich und nachdem wir unser ganzes Gepäck im Wagen verstaut hatten, fuhren wir zügig nach Calais. Das Wetter wurde nicht besser, aber die Fahrt war angenehm. Wir unterhielten uns über dies und das: die Beerdigung des Papstes (wir hatten uns gestern schon über die Fahnen auf Halbmast gewundert, aber es nicht mit dem Papst in Verbindung gebracht), die wirtschaftliche und demografische Lage im ländlichen Maine (die Jungen ziehen weg und kommen manchmal als Rentner zurück, aber es fehlt an Betreuungseinrichtungen und -personal, man versucht das Problem mit sogenannten „travelling nurses“ (reisenden Krankenschwestern), die für einen bestimmten Zeitraum vor allem aus Florida hierher kommen, in den Griff zu bekommen), Stephen King (der in Bangor aufgewachsen ist und hier gelebt und auch an der hiesigen Uni unterrichtet hat, aber aufgrund der Folgen eines Fahrradunfalls jetzt aus gesundheitlichen Gründen in Florida lebt), das Wetter, das Reisen und die Natur… So erreichten wir nach einer knapp zweistündigen Fahrt das ACE Home Depot Calais, einen Baumarkt mit UPS Station, an den wir am 16.4. unsere Räder geschickt hatten. Diese wurden bereits am Montag ausgeliefert. Nach einer kurzen Schrecksekunde und etwas Suchen, waren sie gefunden. Die Kartons sind tatsächlich unversehrt hier angekommen. Nun musste alles ausgeräumt und wieder zusammengeschraubt, d.h. Pedale montiert, Lenkerstange angebaut ausgerichtet, Sattel eingesetzt und Vorderrad montiert werden. Natürlich dauert es immer länger als man denkt, aber dankenswerterweise durften wir die Räder im Lager zusammenbauen und unsere Taschen im Geschäft lagern, denn es regnete noch immer unaufhörlich. Dummerweise löste sich mit der Luftpumpe gleichzeitig das Ventil und schwups war die ganze Luft raus und wir mussten von vorne anfangen zu pumpen. Nach über zwei Stunden war es endlich vollbracht – danke Steffen – und die großen Transporttaschen waren auch zu kleinen Päckchen geworden. Im strömenden Regen fuhren wir los. Zunächst zu Walgreens, einer Apotheken- und Drogeriekette, um dort vielleicht eine US-SIM-Karte zu besorgen (leider Fehlanzeige), dann zum Supermarkt und Outdoorladen, um Campinggas und etwas Obst und Proviant zu besorgen. Auf Kaffeetrinken verzichteten wir, denn inzwischen waren wir so nass, dass uns erstmal umziehen und die Sachen zum Trocknen aufhängen wollten. Wir fuhren zu unserem Motel. Anders als bei der Reservierung am Telefon vereinbart, erhielten wir kein Zimmer im frisch renovierten Trakt, sondern das preiswertere Zimmer im alten Trakt. Wahrscheinlich wollte man nicht, dass wir mit unseren nassen Klamotten und den Rädern (die man hier in der Regel mit ins Zimmer nimmt) die schönen neuen Zimmer beschädigen, wofür wir auch volles Verständnis haben. Das Zimmer ist einfach, aber sauber. Man kann sich Tee und Kaffee zubereiten, und eine Mikrowelle ist auch vorhanden. Wir zogen uns schnell trockene Sachen an, machten uns einen Kaffee. Dazu gab es leckere Chocolate Chip Cookies und frische Erdbeeren. Steffen schrieb unseren gestrigen Blogbeitrag fertig. Auf Wetterbesserung hofften wir vergeblich. Wir wollten wenigstens etwas von Calais sehen und einen Blick über den Fluss auf die kanadische Seite werfen. Also Regensachen wieder an und los. Der St. Croix River, der die Grenze zu Kanada bildet, hatte gerade Ebbe, aber dafür stand der Fussweg am Fluss an einigen Stellen unter Wasser, so dass wir schnell wieder zur Straße gingen. Das historische Viertel von Calais ist klein, aber ganz hübsch. Im Regen wirkt allerdings alles etwas trostlos. So dehnten wir den Spaziergang auch nicht weiter aus, sondern erkundeten das Restaurantangebot. Im Pub, der zum zweiten Motel im Ort gehört, aßen wir schließlich Abendbrot. Der Raum hat die Atmosphäre einer Bahnhofshalle, es gibt eine Theke, an der ein paar Stammgäste ihr Bier trinken, und zahlreiche Tische, die aber fast alle leer sind. An den Wänden hängen zahlreiche Fernsehmonitore. Auf dreien läuft Basketball, auf einem Autoschrauberfilme, den anderen Werbung, dazu ertönt leise Rockmusik. Die Speisekarte ist erfreulich vielfältig. Steffen entscheidet sich für die vielgepriesene Lobster Roll (Baguette mit Hummerfleisch und Pommes) und ich nehme eine Seafood Chowder (cremige Suppe mit sehr vielen Meeresfrüchten) sowie Süsskartoffelpommes, dazu Cider bzw. Bier. Es schmeckt sehr lecker, und ist erstaunlich günstig. In unserem Zimmer montiert Steffen noch die GPS-Halterungen an die Räder, während ich schreibe und hoffe, dass der Regen aufhört…