„Ruhetag“ in Bremerhaven

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Nach einem leckeren späten Frühstück begaben wir uns gemütlich am Jachthafen entlang zum Deutschen Auswandererhaus. Dabei erlebten wir schon die erste Attraktion. Die Schranke an der Fußgängerbrücke senkte sich, das Schleusentor öffnete sich und eine große Kogge (ein Ausflugsschiff) fuhr hinein und machte fest. Wir beobachteten noch, wie sich das zweite Tor öffnete und die Kogge auf die Weser hinausfuhr.

Während gestern vor dem Auswandererhaus eine riesige Schlange stand, konnten wir heute ohne anstehen hinein. An der Kasse bekamen wir einen Boardingpass auf dem der Name einer ausgewanderten Person aufgestempelt war. Mit einer Art Chipkarte (wie man sie aus Hotels kennt) konnte man sich an verschiedenen Hörstationen über das Leben und die Auswanderung dieser Person informieren. Zuerst kommt man in einen Warteraum, der dem der 3. Klasse eines Segelschiffs nachempfunden ist, wo man ein paar allgemeine Informationen über die Auswanderung erfährt. Mehr als 7 Millionen Menschen aus deutschen Ländern und Osteuropa sind über Bremerhaven ausgewandert. Die meisten nach Nordamerika, aber auch eine ganze Reihe nach Argentinien oder Australien. Weiter ging es in eine Art Archiv. An den Wänden standen Regale mit Schubfächern, in den die Unterlagen der Auswanderer aufbewahrt wurden. Einige der Schübe konnten man öffnen und Bilder, Briefe oder Urkunden einzelner Personen ansehen. Die Regale waren nach Epochen geordnet, so gab es Informationen zu Auswanderungen Mitte bis Ende des 19. Jahrhunderts, Anfang des 20. Jahrhunderts, während und nach dem 1. Weltkrieg, der Zwischenkriegszeit, während und nach dem 2. Weltkrieg bis 1954. In diesem Jahr schloss auch das Einwanderungszentrum auf Ellis Island vor New York, weil ab diesem Zeitpunkt die meisten Einwanderer (oder Auswanderer – je nachdem von welcher Seite man es betrachtet) mit dem Flugzeug kamen. Neben vielen den Informationen zu Einzelschicksalen gab es immer auch Hörstationen, die die Auswanderung in den konkreten historischen Kontext einordneten (Hungersnöte, Missernten, Krieg, politische Verfolgung, Judenpogrome, Wirtschaftskrisen). Nach diesen schon sehr umfangreichen Informationen ging es nun über eine Stiege ins eigentliche Schiff. Dabei wurden Kabinen und ein Speiseraum für Passagiere der 3. Klasse auf verschiedenen Schiffstypen nachempfunden, einschließlich der Geräusche (von Schnarchen, Stöhnen, Babygeschrei bis Seekrankheit). An einigen Bullaugen konnte man draußen die Wellen sehen. All das vermittelte doch einen ziemlich realistischen Eindruck. Weitere Stationen waren die Ankunftshalle auf Ellis Island und Grand Center Terminal, der New Yorker Hauptbahnhof, von dem die Züge in alle Teile Nordamerikas abfuhren und den sehr viele Einwanderer zur Weiterreise nutzten. Beide Gebäude waren sehr realistisch dargestellt (ich habe sie von meinem New York-Aufenthalt vor 2 Jahren noch gut in Erinnerung). An einer Station konnte man die Fragen beantworten, die Einwanderer in die USA nach ihrer Gesundheitsprüfung beantworten mussten, ehe über ihre Einreise entschieden wurde. Bei Einwanderern aus Deutschland wurde diese in der Regel genehmigt, zumal sie ja das Auswandererschiff ohnehin nur mit einem gültigen Visum benutzen konnten. Im letzten Raum wurden nochmal auf die Einzelschicksale eingegangen, d.h. wie es den Personen in den USA ergangen ist. Haben sich ihrer Träume erfüllt, waren sie glücklich, sind sie geblieben? Auch die Geschichte und Erlebnisse von Auswanderern in Brasilien, Argentinien oder Chile wurden beleuchtet, oft auch anhand von Briefen der Ausgewanderten in die alte Heimat. Nach dieser anstrengenden Reise mit soviel Informationen brauchten wir erstmal einen Kaffee. Da das Wetter heute sogar ziemlich schön war, genossen wir diesen auf der Terrasse des Auswandererhauses zusammen mit einem leckeren Stück Pflaumen- bzw. Aprikosentorte.

Bei einem kurzen Bummel durch das Einkaufszentrum stießen wir auf das PassageKino. Da wir vom vielen Herumlaufen etwas pflastermüde waren, entschieden wir uns für einen Kinobesuch, unseren ersten seit Beginn der Corona-Krise. Wir sahen Meister Cheng in Pohjanjoki, ein warmherziger Film von Karismääki über einen chinesischen Koch in Finnland mit wunderschönen Bildern und einem interessanten, oft komischen Aufeinandertreffen verschiedener Kulturen. Übrigens waren wir die einzigen Kinobesucher, aber das tat unserem Filmgenuss keinen Abbruch. Gut gelaunt und ausgeruht gingen wir nun zum Weserdeich. Auf dem Weg zu unserem Hotel kamen wir an der Strandhalle vorbei, wo wir bei einem sehr reichhaltigem und leckerem Buffet zu Abend aßen. Nach einem kurzen Spaziergang erreichten wir dann unser Hotel.