Portland („Ruhetag“)

Der Blick aus dem Hotelzimmer heute morgen: Waschküche! Wir nahmen dies als Inspiration, um ein wenig Wäsche zu waschen. Selbst im Holiday Inn gab es eine Guest Laundry mit einer großen Waschmaschine und einem Trockner der gleichen Dimension. Dazu musste ich nur jeweils 2,50 $ in Vierteldollarmünzen („Quarters“) einwerfen, die ich an der Rezeption eingewechselt hatte.

Allerdings haben die Waschmaschinen nur drei Waschstufen (weiß/Baumwolle; Knitterschutz – Perm/Press, Fein – Delicate) und drei Temperatureinstellungen (Hot, Warm, Cold). Beim Trockner sind es sogar nur die drei ersten Einstellungen. Nach Münzeinwurf konnte ich das Programm auswählen, Delicate ok aber cold nahm er irgendwie nicht gleich. Trotz der Anzeige „Reselect Cycle“ konnte ich die Termperatur nicht anpassen. Und dann ging gar nichts mehr, so dass die Rezeption einen Techniker schickte, der dann noch einen „Obertechniker“ holte – der einen Reset versuchte – und noch einen älteren Techniker, der wusste wie man einen kostenlosen Waschgang anstößt (mein Geld war ja schon in der Maschine). Nach dem Frühstück sollte der Waschgang auf jeden Fall fertig sein, aber da lag die Wäsche noch klitschnass in der Trommel. Zwei Durchläufe im Trockner wärmten die Wäsche gerade mal an, so dass ich im Bad unsere Campingwäscheleine spannte und noch alles aufhängte, bevor wir los konnten. Inzwischen hatte es aufgeklart und die Sonne war rausgekommen – gute Bedingungen für eine Stadtrundfahrt mit „Trolley“ (ein Bus im Stil einer alten Straßenbahn), die wir online für 13.30 Uhr gebucht hatten. Wir schlenderten also gemütlich hinunter zum Hafen und gönnten uns unterwegs noch ein Eis. (Wenn schon mal die Sonne scheint!) Der Busfahrer, der gleichzeitig der Reiseführer war, stellte sich erst einmal ohne Mikro vor: ein hier geborener und damit echter Portländer, der nie weiter als 12 Meilen über die Stadtgrenze hinausgekommen war. Gregory hatte erst Reisen verkauft und dann in der Sauregurkenzeit mit Stadttouren angefangen. Seit 1984 ist er damit im Geschäft und hilft jetzt noch aus, obwohl er schon lange in Rente ist. Während in New York und anderswo Reiseführer ein Textbuch zum Auswendiglernen bekommen, erzählt er einfach über Portland – so als würde er guten Freunden auf dem Rücksitz seines Autos seine Stadt zeigen. Im Winter, wenn nichts los ist, schreibt er übrigens Krimis, wo die Mordopfer an prominenten Orten der Stadt „ausgestellt“ werden…

Aber uns wollte er ja nur die Stadt zeigen, die 1866 anlässlich des Freudenfestes über das Ende des Bürgerkriegs in einem Großfeuer abbrannte. Zehntausende waren obdachlos und die Army errichtete vor den Toren eine Zeltstadt. In nur einem halben Jahr waren 53 % der Stadt bereits wieder aufgebaut – diesmal aus Ziegeln. Unser Bus hieß Phoenix und auch das Stadtwappen trägt diesen Vogel, wohl als Referenz auf die aus der Asche wiedererstanden Stadt, so wie dies auch schon in früheren Kämpfen gegen die hier ansässigen Abenaki und später die Franzosen und Briten geschehen war. Als sich Maine 1820 von Massachussetts abspaltete, nachdem sie dies vorher gründlich durchgerechnet hatten, war Portland sogar kurzeitig Hauptstadt des neuen Bundesstaats. Portland wurde ein wichtiger Handelshafen; insbesondere mit der Karibik tauschte man landwirtschaftliche Produkte aus Maine gegen Rohrzucker und dessen „Endprodukte“, also hauptsächlich Rum. Infolgedessen herrschte in den Straßen eine, nun ja, gewisse fröhliche Stimmung, die dem Bürgermeister als frommer Quäker gegen den (Eich)strich ging. Er brachte in Maine das Alkoholverbot voran. Maine wurde damit der erste „trockene“ Staat, und weitere Staaten folgten. Schließlich nahm sogar der US Congress 1917 das vollständige Alkoholverbot als 18. Amendment zur Verfassung an, das die Prohibition einleitete. Allerdings wurde diese bald wieder aufgehoben. Dem Staat entgingen erhebliche Steuereinnahmen und zudem wurde ein ganzer krimineller Wirtschaftszweig gefördert – die Mafia und Al Capone verdienten gut an der Umgehung dieses Verbots. Aber auch die traditionelle Ruski’s Tavern in Portland ließ sich etwas einfallen: aus Tavern wurde Bakery.

Übrigens sieht man heute überall in Maine – auch an Fernstraßen – Läden und Kioske, die Canabis anbieten, als „Medicinal“ oder „Recreational“ – aber nicht auf der High Street, wo unser Hotel liegt 😉

Die Busroute führte kreuz und quer über die gesamte Halbinsel, auf der Portland erbaut wurde. Zu Fuß hätten wir unmöglich die ganzen schönen und interessanten Ecken gesehen und das eine oder andere architektonische Kleinotte, u.a. aus der Zeichenfeder von John C. Stevens, wäre uns entgangen. Auch die berühmte Eisdiele, die in der kurzen Saison wetterabhängig öffnet und damit auch medienwirksam ein Orakel darstellt (wie das Murmeltier in Punksatoney).

Über die Casco Bay Bridge ging es jetzt zum offiziell ersten Leuchtturm in den Vereinigten Staaten, zum Portland Head Light. 1787 wurde durch Masschusetts Geld für den Bau eines Leuchtturms bewilligt. 1790 wechselte die Zuständigkeit für den Bau und Betrieb von Leuchttürmen von den Bundesstaaten zur Bundesebene. Damit wurde mit seiner Fertigstellung in 1791 dieser Leuchtturm der erste in Bundesverwaltung, der auch von George Washington inspiziert wurde.

Am Leuchtturm hatten wir einen kurzen Aufenthalt, bevor es wieder zurück zum Ausgangspunkt ging.

Wir wollten noch mehr über Portland und die amerikanische Kunst erfahren und setzten das straffe „Ruhetags“-programm mit dem Besuch des Portland Museum of Art fort, das im Kunstviertel in der Nähe der Kunst- und Designhochschule und um die Ecke von unserem Hotel lag. Wir starteten in der obersten Etage, wo das Thema Natur und Tierwelt modern, klassisch und auch plastisch künstlerisch umgesetzt worden war. Das Gebäude und die Präsentation der Kunstewerke waren sehr ansprechend, auch von der thematischen Gliederung her. Sowohl die Begleittexte zu den Kunstwerken, zum Teil auch kommentiert von Lehrenden der Kunsthochschule, als auch die kritische Kommentierung zu den Hintergründen der Kunstwerke und Darstellungen der jeweiligen Epoche gaben einen guten Eindruck von den Entwicklungen und Widersprüchen. Der Abwesenheit der Ureinwohner in den romantisierenden Darstellungen des „Wilden Westens“ (oder im Falle von Maine, urwüchsigen Ostens) wurden z.B. kunstvolle Handwerkserzeugnisse, wie Körbe und anderes Flechtwerk, ein Kanu und Videoinformationen zu den Künstlern entgegengesetzt.

Ein weiteres Thema war „Passagen“, dazu wurden auch europäische Kunstwerke von Monet, Picasso u.a. in Beziehung gesetzt, um den bedeutsamen Austausch amerikanischer und europäischer Kunst zu illustrieren. Der moderne Bau des berühmten Architekturbüro Pei schließt sich an das historische McLellan House aus dem Jahre 1801 an, das noch historische Gestaltungselemente wie Tapeten, Malereien, Holzschnitzereien und Decken zeigt, aber ebenfalls für Ausstellungen genutzt wird. Die meisten Kunstwerke hat das Museum übrigens aus Schenkungen, Stiftungen und über Spenden erhalten, ebenso wie der Neubau und Restaurierung größtenteils mit privaten Mitteln finanziert wurden.

Natürlich ging es wieder durch den Museumsshop nach draußen, aber wegen unserer Gepäckbeschränkungen durch die Radtour, konnten wir eh‘ nur bewundern und nichts kaufen.

Die vielen Eindrücke mussten jetzt aber noch kulinarisch gefestigt werden, und so genossen wir noch einmal … Seafoad in Becky’s Diner. Für das Angebot und die guten Preise sprachen die vielen Einheimischen, die hier aßen.