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Hospental – Gletsch

29,95 km / 958 Höhenmeter

Wir wussten, dass uns heute nicht die längste aber wahrscheinlich die schwerste Etappe bevorstand. Also freuten wir uns auf ein gutes Frühstück, bevor wir losrrollen konnten. Alles war bereits gepackt und so konnen wir frisches Brot, Schinken, Wurst und Käse und Frühstücksei in Ruhe genießen. Nebenbei erfuhren wir etwas über die Situation der Hoteliers im Ort. Winter- und Sommertourismus hält sich so die Waage. Einige Hotels sind aber geschlossen oder schon wieder so gut wie Pleíte – ein ehemaliges Objekt der Schweizer Armee wurde zwar umgebaut, nicht aber die Elektroheizung – viel zu teuer! Andere sind verkauft, aber um sie zu öffnen, müsste saniert werden. Die eine "Ruine" konnten wir später in Galenstock sehen. Wie kamen wir darauf? Bei der Planung mussten wir schon feststellen, dass das Belvedere-Hotel in  der Nähe des  Rhone-Gletschers nicht mehr geöffnet hat – später, fast am Ziel sollten wir sehen, dass auch dieses Haus renovierungsbedürftig war. Aber unser Quartier in unserem Etappenziel Gletsch war schon gebucht.
Bis Realp gab es nur eine mäßige Steigung. Eigentlich wollten wir noch etwas Proviant einkaufen, aber es gab wohl doch keinen  Lebensmittelladen oder er lag sehr versteckt abseits der Route. Hier in Realp gab es eine "Autoverlade", einen Autozug, mit der man die Passtraße vermeiden konnte. Und hier war auch der Anfangspunkt der Furka-Dampfbahn (Bergbahn), die zum Teil mit historischen Dampfloks oder betagten Dieselloks betrieben wird. Die Wirtin in der Pension hatte uns am Morgen noch einen Zeitungsartikel gezeigt: Eine historische Dampflok war aus Vietnam wieder zurückgekauft worden und in vielen Stunden "Fronarbeit", also freiwilligen Arbeitsstunden unzähliger Helfer auch aus Deutschland und den Niederlanden restauriert worden. Letzte Gelegenheit, es sich anders zu überlegen! (Die Dieselzüge nehmen wohl Fahrräder mit.)  Hinter Realp begannen die Serpentinen und es ging stetig bergan. Wenigstens konnten wir bei der einen oder anderen Verschnaufpause die tolle Aussicht genießen. Unten im Tal war ganz winzig die Bahnstrecke zu sehen, ein Bach, der von den gegenüberliegenden Bergen in dünnen "Silberfäden" Zulauf erhielt. "Zulauf" hatte auch die Passtraße. Quälten wir uns anfangs noch fast ungestört bergauf, kamen nun immer mehr Motorräder, ab und zu Einheimische, aber auffallend viele Sportwagen die Berge hinunter- oder heraufgedüst. Am Hotel Tiefenbach, wo wir Rast machten, stellte sich ein Mann am Fußgängerüberweg nur die Frage, wieviele Millionen wohl da jetzt gerade vorbeigefahren waren – erst der 10. Sportwagen in einer langen Folge von Porsche, Ferrari und Lotus hatte angehalten. Aber in den Bergen kletterten nicht nur Radfahrer die Steigungen hoch – wir sahen oben am Hang etliche Ziegen im Gebüsch. Und ein Hinweisschild wusste von einem Projekt "Wanderziegenherde" zu berichten, mit dem der Verbuschung von natürlichen Trockengebieten entgegengewirkt werden sollte.
Hinter Tiefenbach setzten sich die langen Anstiege fort, eine wilkommene Rast ergab sich an einem Wasserfall, über den sich die wilden Wassermassen durch die Straßenbrücke ins Tal ergossen. In der Ferne waren schon einige Mobilfunk- und andere Masten zu sehen und so wähnten wir uns bald am Ziel, zumal laut GPS nur noch etwas über 200 Höhenmeter zu überwinden waren. Aber vor dem Furkapass kam es noch ganz schön "dicke": scharfe Haarnadelkurven, die wir beim besten Willen mit vollem Gepäck nicht mehr hochradeln konnten – also Schiebestrecke. Aber dann konnten wir doch noch ein Stück radeln, bis zum Hotel Furkablick. Eigentlich waren wir schon am höchsten Punkt – nanu nicht einmal ein Schild? Des Rätsels Lösung kam später: Hier gab es am Straßenrand ein Schild "Wilkommen im Wallis", direkt vor einer malerischen Bergkulisse mit schneebedeckten Riesen im Hintergrund – wie eine Werbekulisse. Und hier, an der Grenze zwischen den Kantonen Uri und Wallis, das Schild "Furkapass" (2429m) als Fotomotiv. Allerdings konnte man es fast nur noch erahnen, so viele Touristen hatten sich mit Aufklebern darauf verewigt. Irgendwelche Überbleibsel aus dem hier 1964 gedrehten James-Bond-Film "Goldfinger" konnten wir aber nicht entdecken. Ab hier ging es sanft, dann in Serpentinen bergab. Wegen unserer gut beladenen Räder nutzten wir schon ganz schön die Bremsen. Wir passierten das erwähnte Hotel Belvedere und stellten unsere Räder auf dem Parkplatz des gegenüberliegenden Gebäudekomplexes mit Imbiss- und Souvenirladen ab. Von der Terasse hatte man schon einen ganz guten Blick auf den Rhonegletscher und den Gletschersee. Aber gegen einen Obulus von 9 Franken konnte man näher an den Gletscher heran und in einem Eistunnel "unter den Gletscher kriechen". Hier führte eine kleine Wegeschleife unter den Eismantel des Gletschers, der von oben zum Teil mit einem sonnenabweisenden Vlies abgedeckt war, wodurch die Schmelze im Sommer um etwa 50 % reduziert werden kann. Wie überall in den Hochgebirgen war auch der Rhonegeletscher stark geschrumpft, der letzte größere Vorstoß, dem ein Beton-Geräteschuppen zum Opfel fiel, datierte von 1985. Der Eistunnel wird jedes Jahr neu in das untere frische Gletschereis gehauen. Oben über den Bergen flog unterdessen ein Hubschrauber des Schweizer Heeres an langem Seil Lasten auf einen Berg, vielleicht Baumaterial zur Bergsicherung. Ein kleinerer grüner Hubschauber landete sogar kurzzeitig auf dem Gletscher.
Wir machten uns an die Abfahrt. Von oben war nicht nur die Rhone gut zu sehen, die uns nun bis ans Mittelmeer begleiten wird, sondern auch unser Hotel, das wir nach einer endlosen Bergabfahrt mit vielen Spitzkehren erreichten. Anscheinend hatten wir nicht nur den Pass sondern auch eine Zeitschranke in die Vergangenheit überwunden. Das Hotel Glacier du Rhone wirkte von außen schon wie ein altes Kur- oder Grandhotel. Der Weg zum Zimmer im 3. Stock – nein es hat keinen Lift – führte über Holzbohlen – oder dielenbedeckte Gänge. Und im Zimmer erwartete uns schweres altertümliches Mobiliar, im Bad eine alte geschwungene weiß emaillierte Wanne und ein Keramikwaschbecken mit Antik-Armaturen. Mal sehen wer heute abend das Essen serviert – der Kellner aus dem Grand Budapest Hotel?
Das Essen war sehr gut, die Köche – wie wir nach dem Essen aus einem Zeitungsartikel -erfuhren, hatten schon bei Schubeck und Mälzer gekocht. Und früher haben hier immerhin schon Queen Victoria und der portugiesische Thornfolger logiert.