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24.05.2018
Llandudno und Great Orme

Heute hatten wir bis zum Startpunkt unserer Wanderung nicht so weit zu fahren. Es ging Richtung Llandudno, einer 20.000-Seelen-Stadt an der Nordküste von Wales. Geplant war eine 3h-Wanderung auf die Great Orme, einen großen Felsen oberhalb des Städchens. Wir suchten uns einen Langzeitparkplatz im Norden der Stadt, der günstig zu unserem Wanderweg und auch für den anschließenden Stadtbummel lag. Zunächst ging es hinauf durch einen Park, vorbei an der Talstation der 1969 gebauten Seilbahn, die allerdings noch nicht in Betrieb war. Durch einen Laubengang, der schon prächtig in gelben Goldregen leuchtete, ging es zunächst auf befestigten Spazierwegen voran, dann aber auf einem immer steiler werdenden Pfad oberhalb des Skizentrums weiter auf den Great Orme, der als Halbinsel ins Meer ragt. Das Skizentrum besteht aus einem Abfahrtshang, auf dem alljährlich die britischen Kunstschneemeisterschaften ausgetragen werden.
Jetzt wurde der Wanderweg zum Pfad, und je höher wir stiegen, desto spektakulärer wurde der Blick zurück auf das Meer und die kleinere Landspitze hinter Llandudno. Es pfiff auch schon ein ordentlicher Wind, ein Umstand, den sich zwei Modellflugsportler mit ihren Segelflugmodellen zunutze machten – offensichtlich war ideales Flugwetter. Auf dem Weg entlang der grünen Hochebene waren immer wieder kleine zarte Wildblumen zu entdecken; in der Ferne war schon die mächtige Bergstation der Seilbahn zu sehen. Aber zuvor ging es wieder ein Stück herab zur Kirche St. Tudno. Begründet wurde die Kirche im 6. Jahrhundert vom Missionar Tudno, der auch der Namensgeber der Stadt Llandudno ist. Es heißt er sei einer der sieben Söhne des Königs Seithenyn gewesen und hatte einen wundersamen Wetzstein in seinem Besitz, der dem Mutigen das Schwert scharf und dem Feigen das Schwert stumpf werden ließ. Von der ursprünglichen Tudno-Kirche hat sich nichts erhalten, aber an ihrer Stelle steht eine kleine Kirche aus dem 12. Jahrhundert. Eine mehr als 1400 Jahre alte Tradition wird noch heute fortgesetzt: Gottesdienste unter freiem Himmel. Dazu gibt es außerhalb der Kirche eine Steinkanzel mit Pult und Altartisch umringt von etlichen hölzernen Bänken. An den historischen Friedhof mit der ältesten erhalten Grabinschrift von 1706 schließt sich der neuzeitliche Friedhof mit Friedhofskapelle an. Wir lassen die Kirche hinter uns und steigen langsam aber stetig auf in Richtung Gipfel des Great Orme. Über kurzgeschnittenes Gras geht es steil bergan. Im Mittelalter wurde hier Ackerbau betrieben, heute tummeln sich hier mittelalte und ältere Touristen, vorzugsweise zum Fotografieren an der Gipfelsäule oder in der Cafeteria im Besucherzentrum an der Bergstation der Seilbahn. Neben der Seilbahnstation liegt die Endstation der 1902 eröffneten Standseilbahn, die wie ein Cable Car aus San Francisco aussieht ("Tramway")
Ein wenig abseits vom ganzen Trubel machten wir unser Mittagspicknick und setzten unsere Wanderung fort. Nach einem leichten Abstieg zurück auf den alten Weg führte uns der Pfad  über Wiesen und dann an einer langen Steinmauer entlang auf die nordwestliche Spitze des Felsens zu. Von dort öffnete sich ein Blick auf das Meer. Wegen des trüben Wetters waren die Berge am anderen Ufer nur kulissenhaft zu sehen und Conwy links von uns mit seinem Castle war fast nur zu erahnen. Der Name Great Orme leitet sich übrigens aus dem altnordischen Wort "ormr" für "Schlange"ab. Den Wikingern diente die Halbinsel, die im Profil einem Schlangenkopf ähnelt, als Navigationshilfe bei ihren Raubzügen.
Jetzt ist hinter den trocken gefallenen Teilen der Bucht weit hinten linkerhand Llandudno und am rechten Ufer wieder Conwy zu sehen. Der nun sehr schmale Pfad führt nun stetig bergab bis zur Straße, von der wir sehr bald abweichen um wieder aufzusteigen. Der Weg ist nun befestiugt und bietet eine Bank nach der anderen als Sitzgelegenheit. Wir nutzen diese Gelegenheit für eine kleine Rast mit Fernblick. Wieder auf dem Weg treffen wir auf drei alte Damen, die sich besorgt erkunden, wo denn die vielen Bänke seien, die es hier mal gegeben hat. Wir konnten sie beruhigen – gleich um die Ecke. In den Haulfre Gardens oberhalb der Stadt legten wir im Tearoom eine Pause mit Kaffee und Carrot Cake und Coffee Cake ein. Durch Seitenstraßen stiegen wir weiter ab, vorbei am Haus von William Morris Hughes, Premierminister von Australien von 1915-1923. An der Talstation der Standseilbahn (Tramway) haben wir Glück – rechtzeitig zum Fototermin kommt die Bahn. Von oben hatten wir schon eine  guten Blick auf die Stadt werfen können, jetzt wollten wir sie richtig erkunden. Zurück am Auto machten wir uns ein wenig "stadtfein" (z.B. Wanderstiefel aus) und zogen los. Ursprünglich sollte Llandudno zum Hafen für Kohlefrachter und Fähren nach Irland ausgebaut werden. Der schwere Sturm, der Britannien in 1859 heimsuchte zerstörte aber die neuen Hafenanlagen. Stattdessen entwickelte sich die Stadt zum viktorianischen Seebad mit einem großen Strand mit Promenade, vielen respräsentativen Gebäuden, z.B. Hotels, im Stil der Epoche, der Königin Victoria den Namen gab. Ein Bronze-Standbild des Verrückten Hutmachers auf der Standpromenade erinnert an einen prominenten Besucher: Lewis Caroll, der mit der Familie Liddell hier Urlaub machte, für deren Tochter Alice er die Geschichten um "Alice im Wunderland"  schrieb. Im Park oberhalb der Stadt waren wir bereits auf Tweedledum und Tweedledee gestoßen.
Zu unserem Parkplatz nahmen wir den Weg über die Mole ("Pier") aus dem Jahr 1878, die mit 572 Metern die längste in Wales ist. Wie die Mole in Bangor trägt sie etliche Türmchen und Pavillions im viktorianischen Stil. Und wie in allen heutigen britischen Seebädern finden sich auf der Mole etliche Ramschläden, Karussels und andere Fahrgeschäfte sowie Imbissläden.
Nach einem kleinen Einkauf unterwegs genossen wir das Abendessen auf unserer sonnenbeschienen Terasse.