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27.04.2017
San Diego
Nach dem Frühstück liefen wir zur nun schon bekannten Bushaltestelle und hielten schon einmal die abgezählten Dollarscheine für zwei Tagestickets bereit. Zunächst stiegen wir vor dem Kreuzfahrtterminal aus und gingen zu dem Kai, wo der Flugzeugträger USS Midway als Museumsschiff vor Anker lag. Die Midway wurde nach der Schlacht von Midway 1942 benannt, die durch den amerikanischen Sieg gegen eine japanische Übermacht die Wende im Seekrieg im Pazifik einleitete. An die damaligen Ereignisse wurde in einem kurzen Film anhand von Einzelschicksalen "The Voices of Midway" erinnert. Bei allem vordergründigen oder unterschwelligen Patriotismus bringt es ein überlebender Zeitzeuge auf den den Punkt: "Hier trafen Zivilisationen in einem Konflikt aufeinander, die offensichtlich doch nicht so zivilisiert waren… Und selbst für eine noch so gerechte Sache ist das Leben des Einzelnen ein hoher Preis, den niemand zahlen sollen müsste."
Dieser Gedanke tritt allerdings aufgrund der Zahlen und schieren Dimensionen dieser "schwimmenden Stadt" mit 4500 "Bewohnern" auf 305 x 79 m zu schnell in den Hintergrund und überlässt der Begeisterung oder zumindest dem Erstaunen über dieses Riesenräderwerk aus Schiffstechnik, Fliegerei und Operationsführung das Feld. Von 1945 bis 1992 war die USS Midway im Einsatz, unter anderem 1991 als Flagschiff für den Fliegereinsatz während der Operation Desert Storm. Überall auf dem Museumsschiff stehen meist ältere freundliche Herren bereit, die selbst einmal auf diesem Flugzeugträger oder einem anderen Schiff gedient hatten und daher besonders kompetent und bereitwillig Auskunft gaben. Viele Bereiche waren zu besichtigen: Flugdeck, Hangar, Brücke, Funkraum, Maschinenraum, die Kammern und Unterkünfte mit den vielen Reihen von Kojen in drei Etagen. In einigen Bereichen wurde noch gearbeitet; es gibt immer etwas zu tun – seit 2004 gibt es das Museumsschiff, 2010 waren es 5 Milliionen Besucher, seit 2012 sind es jährlich über 1 Million Besucher. Eine gehörige Portion Patriotismus ist natürlich immer dabei: Auf dem obligatorischen Erinnerungsfoto am Eingang, das man gegen ein paar Dollar mit nach Hause nehmen kann, weht im Hintergrund fast über die ganze Breite die amerikanische Flagge.
Wie sich in kurzer Zeit die Geschichte drehen kann, erfuhren wir auch in der Historic Old Town San Diego. Als die zwei einzigen zahlenden Gäste genossen wir eine sehr interessante Führung durch den State Park (mit freiem Eintritt) – eine junge Frau in historischem Kostüm brachte uns die Geschichte und die Personen dieser Zeit an ausgewählten Gebäuden nahe. So die Geschichte der Frau Machado, die nacheinander drei Staatsangehörigkeiten besaß ohne einmal umgezogen zu sein: Spanisch – bis 1821, Mexikanisch – bis zum Mexikanisch-Amerikanischen Krieg 1846-48 und danach Amerikanisch.
Davor hatte bereits Juan Rodriguez Cabrillo das Gebiet "entdeckt" – sicher eine interessante Neuigkeit für die hier schon lange lebenden Kumiai. Der Kartograph Sebastian Vizcaino entdeckt die Gegend erneut und benannte diesen Ort nach dem Heiligen San Diego de Alcala. Aber es dauerte einige Jahre, bis sich die spanische Krone so richtig für diese nicht so attaktive Gegend interessierte – schließlich war hier kein Aztekengold zu holen. Erst 1769 landeten spanische Truppen wieder hier an, begründeten einen Stützpunkt (Presidio), und Pater Junipero Serra begann hier seinen Weg zur Errichtung einer Reihe von Missionen in Kalifornien. Bis 1820 hatte sich hier ein Pueblo entwickelt.
Erst weit nach 1821 gelangte die Kunde von der mexikanischen Unabhängigkeit in den Norden – die bis dahin spanischen Soldaten mussten sich entscheiden, ob sie nun Mexiko dienen oder zurück nach Spanien wollten. Und die 40er Jahre verlangten neue Entscheidungen, einige wohlhabende mexikanische Familien verloren im Ergebnis des Mexikanisch-Amerikanischen Krieges alles, andere hatten geschickt taktiert und blieben obenauf, z.B. die Familie Estudillo mit dem größten Anwesen in der Old Town. Später wurde das Haus berühmt als vermeintlicher Schauplatz des als romantisch missverstandenen Romans "Ramona" von Helen Hunt Jackson, der eigentlich auf das schwere Leben und die Rassenidskriminierung eines schottisch-indianischen Waisenmädchens aufmerksam machen sollte. Zu den Lehmziegelhäusern mit Putz aus Muschelkalk kamen Fertigteilhäuser aus dem amerikanischen Osten und auch das erste Backsteinhaus in Kalifornien, das die Angehörigen eines Mormon Battalion mangels anderer Beschäftigung errichtet hatten. Sie waren eigentlich von Joseph Smith hierher entsandt worden, um in Mexikanisch-Amerikanischen Krieg zu unterstützen. Als Gegenleistung erhoffte sich Smith das Wohlwollen der amerikanischen Regierung gegenüber seiner Glaubensgemeinschaft. Aber bis die Mormonen nach langem Fußmarsch angekommen waren, war der Krieg schon vorbei. Es hielt sie auch nur ein Jahr in San Diego, dann zogen sie weiter. Mit dem kalifornischen Goldrausch und der Begründung der New Town näher an der Bucht von San Diego verlor die Old Town an Bedeutung. Erst mit dem besagten Roman und dem daran anknüpfenden Aufschwung des Tourismus wurde das Estudillo-Haus restauriert; der Zuckermagnat Spreckels kaufte das Anwesen 1907. 1930 wurden einige Häuser als "spanisches Dorf" rekonstruiert um dem aufkommenden Autotourismus zu entsprechen. 1968 wurde Old Town zum State Park. Heute sind in den Gebäuden Museen und Läden, Cafés und Restaurants untergebracht.
Einem weiteren Kapitel in der multikulturellen Geschichte konnten wir uns noch widmen – dem Italian Village in San Diego. In diesem Stadtteil, der natürlich von italienischen Einwanderern und ihren Nachkommen geprägt wurde, gibt es heute noch viele italienische Restaurants, Wein- und Lebensmittelgeschäfte. Und man spricht dort wirklich noch Italienisch wie wir uns im Vorübergehen überzeugen konnten.
Nach dem Abendessen machten wir noch einen Spaziergang zum Santa Fe Depot, um uns noch einmal zu unserer morgigen Zugfahrt mit Amtrak nach San Clemente zu informieren. Aber davon morgen mehr…