09.09.2014

Colmar-Strasbourg

75 km

 

Heute standen wir doch ein wenig zerknittert auf. Wir waren wohl doch zivilisatorisch sehr verwöhnt und dem rustikalen Nachtlager im Zelt ein wenig entwöhnt. Aber irgendwann hatte uns wohl doch das monotone Autobahngeräusch gegen den Vollmondschein eingelullt und etwas erholsamen Schlaf beschert.

Das Zelt war feucht, von innen wie von außen, und die Sonne stand leider noch nicht hoch genug, um die letzte Feuchtigkeit verfliegen zu lassen.

Während Birgit die Erlebnisse des gestrigen Tages in das Netbook hämmerte – alles für unsere geneigten Leser (also euch !) – baute ich um sie herum schon ein wenig ab: alle Taschen aus dem Zelt, die Iso-Mattenn eingerollt, Kissen zusammengedrückt und verpackt, Schlafsäcke zusammengezurrt, usw.

Geplant war ein Frühstück im Café am Supermarkt kurz hinter der Brücke über die Ill. Das Zelt schüttelten wir noch ein wenig ab, damit noch etwas Feuchtigkeit entfleuchte – es war dennoch gut nass. Aber jetzt musste es erst einmal weitergehen. Mit einem Croissant, einem Pain au Chocolat, Kaffee und Orangensaft erreichten wir zwar bei weitem nicht den Vortagesstandard, aber wir konnten erstmal gut gestärkt losradeln.

 

Eigentlich wollten wir entlang der Ill bis Strasbourg fahren, dann hätten wir sogar die mittelalterliche Stadt Sélestat kennen gelernt. Laut Openfietsmap und GPS gab es zwar Wege oder Straßen, die immer mal wieder dicht am rechten Ufer der Ill entlang liefen, aber der gute Radweg am Anfang zweigte irgendwann mal nach rechts ab und führte in Richtung Artzenheim, also wieder zurück auf den Rheinradweg. Da es auf dem Asphaltweg gut rollte und der Weg auch gut ausgeschildert war, blieben wir auf dem Radweg und wurden auch bald belohnt. Der Radweg führte am Canal de Colmar entlang bis zum Canal du Rhône au Rhine. Dort ging der weitestgehend offene Wasserlauf in einen alleenartig baumbesäumten Kanal über. Hier trafen wir auch wieder auf mehr Radfahrer oder ganze Gruppen von Radfahrern. Und wir sahen nicht nur Schwäne, sondern Haubentaucher, Blesshühner, blauschimmernde Libellen. Mitten im Wald lag die eine oder andere Staustufe biss der Kanal ziemlich flach war. Erst viel später gab es richtige Schleusen, die mit einem Zugseil an einer Stahltrosse quer über dem Kanal bedient wurden. Ein Schiff in Fahrt haben wir aber nicht angetroffen, am Uferrand hatten einige Ferienboote oder große holländische Wohn-Lastkähne festgemacht. Aber das war erst hinter Sundhouse, wo wir zum Mittagessen „festgemacht“ hatten. Das Lokal war voll; Handwerker, Bauarbeiter und andere Reisende wie wir gönnten sich eine Mittagspause und die meisten auch das Menu du jour: Wir nahmen lieber einen großen Salat und Apfelschorle – leichtere Kost zum Fahrradfahren.

 

Mehr und mehr änderte sich auch der Charakter der Landschaft, der Kanal wirkte immer mehr wie ein Stadtkanal. Und in Illkirch war er nur noch ein Verkehrsweg neben drei anderen: Links vom Kanal donnerte der Verkehr auf der Route Nationale dahin, am Kanal entlang radelten immer mehr „nichttouristische“ Radfahrer und rechts von uns verlief auch eine Straße. Die Radwege waren aber gut gekennzeichnet. Zum Glück war unser Hotel nicht weit von unserem Kanal entfernt, wir mussten „nur noch“ die richtige Brücke nehmen!

Nach einer erholsamen und ausgiebigen heißen Dusche rafften wir uns doch auf zu einem Rundgang durch Strasbourg. Die „Barrage“ ein überdachter Flussübergang und Bollwerk, das die dahinter liegende Stadt schützte, lag quasi um die Ecke, von der Aussichtsebene hatte man einen einen schönen Blick auf die Brücken und Wehrtürme der Stadt in Richtung „Petite France“. Das warme Sonnenlicht des Spätnachmittags schärfte die imposanten Konturen des Straßburger Münsters und taucht die Gebäude in den altehrwürdigen Gassen in ein Spiel von Licht und Schatten.

Für eine Bootsfahrt war es inzwischen schon zu spät. Also suchten wir uns ein Restaurant für unser wohlverdientes (=erstrampeltes) Abendessen. Eine Weinstube machte auf uns einen besonders guten Eindruck, irgendwie ein Familienbetrieb. Kellner und Kellnerin waren wohl schon seit der Gründung des Hauses dabei, aber viel flinker und aufmerksamer als man es heute (leider nicht mehr) erlebt. Wir entschieden uns für einen Crémant als Apéritif, eine Karaffe Eau de Table und einen Elsässer Weißwein und Bäeckoffe – einen Kartoffel-Fleisch-Gemüse-Topf, Birgit nahm allerdings die Fisch-Variante. Dann teilten wir uns eine riesigen Dessertteller. Die Portion war reichlich, der Abend so schön, also gab es noch einen Obstler (Zwetschge und Mirabelle) als Verdäuerli.

Nach diesem schönen Ausklang und einem Abendspaziergang ins Hotel konnten wir gut einschlafen.