Birch Bay – Bay View State Park (77,12 km)
Morgenstund hat gold im Mund – also nahmen wir gegen 7 ein kleines Frühstück zu uns – Banane, Müsliriegel und Wasser. Dann hieß es Zelt abbauen, alles einpacken und losfahren. Die Route führte uns über wenig befahrene Straßen an einer Raffinerie vorbei. Wie der Name der Straße Mountain View Road schon sagt, sollten wir einen phantastischen Blick auf die Berge haben – doch die waren noch in Wolken gehüllt. In Ferndale nutzten wir die Gelegenheit, um im ersten Laden, etwas essbares zu kaufen – Kakao, Toastbrot und eine Art Knacker – und gleich ein kleines Picknick zu machen, vielleicht nichts für Gourmets, aber für hungrige Radfahrer ganz OK. Frisch gestärkt nahmen wir nun den weniger angenehmen Teil des Wegs in Angriff, eine relative breite, aber glücklicherweise nicht stark befahrene Straße direkt neben der I5 – also Autobahnverkehr und -lautstärke direkt neben an, diverse Anstiege und Gegenwind machten die Sache nicht besser. Glücklicherweise wurden wir nicht allzu lange so gequält, sondern erreichten bald das Städtchen Bellingham. Wir spazierten kurz durch die Innenstadt und fanden sogar einen Outdoor-Laden, wo wir endlich die Gaskartuschen für unseren Kocher erwarben. Nach einem weiteren Anstieg ging’s raus aus der Stadt. Auf der linken Seite bot sich uns ein herrlicher Blick auf die Bellingham Bay. Kurz hinter der Stadt kamen wir nach Fairhaven, einen hübschen Ort mit historischen Gebäuden, kleinen Cafes und Läden. Als wir so auf unsere Karte schauten, kam ein freundlicher älterer Herr auf uns zu und bot uns seine Hilfe an. So fragten wir ihn, wo man seiner Meinung nach leckeren Fisch essen könnte. Er schickte uns zum Terminal für die Fähre nach Alaska – und tatsächlich gab es dort einen Fischimbiss. Gestärkt von Fish and Chips bzw. Crab Melts (ein Art Bouletten aus Krabbenfleisch mit Käse überbacken), konnten wir nun die diversen Steigungen des Chuckanut Drives in Angriff nehmen. Es war wirklich eine Herausforderung – wie im Reiseführer angekündigt – aber dafür wurden wir mit phantastischen Ausblicken auf die Bucht und die Inseln belohnt.
Als wir wieder nahezu „ebenerdig“ unterwegs waren und wieder Fahrt aufnehmen wollten, rief uns ein Mann am Straßenrand freundlich zu, wir sollten uns doch eine Ruhepause gönnen. Da wir bisher noch nicht sehr viel mit den „Eingeborenen“ ins Gespräch gekommen waren, nahmen wir uns jetzt einfach die Zeit für einen Plausch. Tom war jahrelang auf Tankern zur See gefahren und hatte auch sonst viel erlebt, auch mit Hollywood-Schauspielerinnen und anderen interessanten Frauen, wie er betonte. Wir unterhielten uns über Amerika, Europa, Kernenergie , also alles Mögliche. Tom stellte zwar auch die eine oder andere Frage, als „seeker of truth“ (auf der Suche nach der Wahrheit), aber die meiste Redezeit hatte er. So konnten wir wenigstens erfahren, was es mit den ganzen Protestplakaten entlang der Strecke auf sich hatte: No coal trains, coal costs us…
Wie globale Wirtschaftszusammenhänge sich doch auf lokale Gegebenheiten auswirken können. Die Auflösung des Rätsels war: Die USA wollen China in großem Stil Kohle verkaufen, „noch mehr schmutzige Energie für ein Land, das ohnehin schon genug schmutzige Energie nutzt.“, so Tom. Für die ehrgeizigen Pläne eines Milliardärs in Montana reichte die bisherige Transportkapazität nicht aus, also mussten mehr Kohlezüge fahren. Dafür sollten zu 98 % die Steuerzahler der Region tief in die Tasche greifen: es müssen Brücken gebaut und Strecken erneuert werden, damit die Züge rund um die Uhr Fahren können. Und zudem sollte die Kohle bereits in Bellingham auf große Schiffe aus China verladen werden, große Schiffe, die durch die malerischen Buchten fahren sollten und durch den Kohlenstaub beim Verladen und Transport die Heringsbänke und die gesunde Ökologie des bisher nur fast nur als Segelrevier genutzten Gebiets zerstören würden.
Gut dass wir die Landschaft noch so schön erleben konnten. Und gut dass es auch Menschen gibt, die sich dafür einsetzen, dass es so bleibt. Hoffentlich haben sie Erfolg, damit so ein schönes Abendbrot mit frischem handgemachtem Brot und leckerer Fenchelsalami – ja so etwas gibt es in Amerika! – am Ufer beim Sonnenuntergang weiter möglich ist.