Nairn – Elgin
48,31
km
Heute morgen grüßte uns anhaltender schottischer Regen. So blieb uns nichts anderes übrig als Regenhosen, Regenjacken und Gamaschen anzuziehen uns trotzdem auf den Weg zu machen. Es hätte eine sehr schöne Etappe werden können, denn die Route führte über kleine Nebenstraßen ohne nach bisherigen Maßstäben nennenswerte Anstiege. Auch waren wieder einmal schöne Waldabschnitte dabei, leider aber alles zu feucht. So kamen wir triefnass am Brodie Castle an – Zeit und Gelegenheit, dem Regen für mehr als eine Stunde zu entfliehen und stattdessen in die Geschichte des Gebäudes und des namensgebenden Clans einzutauchen.
Als wir uns dem Gebäude näherten, weil wir auf dem Parkplatz weder Radständer noch einen Hinweis auf Abstellplätze entdecken konnten, kam eine freundliche Dame und bot uns an wir könnten die Räder in einem Torbogen am Café unterstellen. Dann gingen wir durch das Café und den Souvenirshop zur Kasse. Eine reichliche halbe Stunde mussten wir uns noch gedulden bis zur nächsten Führung, die wir im Café bei Tee und Espresso warteten. Das Café ist in der alten viktorianischen Küche untergebracht, mit vielen kupfernen Töpfen und Pfannen und zwei imposanten gusseisernen Herden mit etlichen Klappen und Türchen.
Leider durfte im Castle selbst nicht fotografiert werden, daher gebe ich hier mal den Link zur offiziellen Website an, wo auch Fotos zu finden sind:
https://www.visitscotland.com/info/see-do/brodie-castle-p256691
Brodie Castle wird seit 1979 vom National Trust for Scotland verwaltet. Der letzte hier ansässige Brodie, Ninian, hatte lebenslanges Wohnrecht; er starb 2003 im Alter von 90 Jahren. Bevor er wegen des Todes seines älteren Bruders unfreiwillig zum Clan Chief wurde, war er Bühnenschauspieler. Daren erinnert ein Gemälde am Aufgang zu den oberen Räumen im Schloss. Es zeigt ihn mit einem großen weißen Hasen (Harvey), als Anspielung auf seine Lieblingsrolle als liebenswerter Sonderling Elwood P. Dowd, der gern mit seinem Freund Harvey, ein 2,10 m großer weißer Hase (allerdings für alle anderen Menschen unsichtbar) in seiner Lieblingskneipe ein Bier trinkt. (Das Bühnenstück von Mary Chase wurde 1950 mit James Stewart als Elwood von den Universal Studios verfilmt.)
Ansonsten ist die Familiengeschichte des Brodie Clans nicht weniger bewegt, den es bereits mehr als 800 Jahre gibt. Brodie Castle wurde 1567 als Feste gebaut und im 17. Jh. und im 19. Jh. erweitert. Die ursprüngliche Schutzfunktion kann man noch an der Dicke der Mauern erkennen, wie sie am Durchgang zum viktorianischen Anbau sichtbar wird. Anhand der Gemälde und Sammlerstücke wird bei der Führung sehr lebendig die Familiengeschichte und das Alltagsleben geschildert. Ein der drei prunkvollen großen chinesischen Porzellanschalen im Erdgeschoss zeigt z.B. deutliche Risse und Sprünge. Die männlichen Sprösslinge der Familie nahmen sie als Ziel und versuchten sie vom obersten Treppenabsatz (neben dem Kinderspielzimmer) zu treffen. Ein Gemälde trägt ebenso deutliche Spuren von Schabernack: Das Porträt weist zwei deutliche Löcher auf, die von Katapultgeschossen herrühren. Zu Zeiten des Jakobitenaufstands gaben übrigens die Brodies den Regierungstruppen und Lord Cumberland auf ihrem Weg nach Culloden Quartier und blieben darum von Repressalien verschont.
Den 2018 eröffneten Spaß- und Spielgarten (Playful Garden), wo für den 29. Juni ein Familienfest mit einem riesengroßen weißen Hasen angekündigt ist, haben wir wegen des weiter anhaltenden Strippenregens nicht besichtigt. Nicht entgangen ist uns aber der kunstvoll gestaltete große Piktenstein an der Zufahrt zum Castle (Rodney’s Stone), der mehrfach den Standort auf den Ländereien der Brodies gewechselt hat, bis er 1840 hier aufgestellt wurde. Und noch ein bedeutsamer Ort liegt auf dem Land der Brodies: die Stellen an der im Drama von Shakespeare Macbeth den drei Hexen begegnet.
Weiter ging es durch den Regen, vorbei an der Benromach Distillery und dem Naturschutzgebiet entlang des Flusses Findhorn, wo viele Vogelarten eine Bleibe haben aber auch das imposante aber giftige Herkuleskraut wächst, vor dessen Berührung wegen der drohenden Verätzungen eindringlich gewarnt wird.
Eine schöne Strecke, die wir leider nicht so genießen konnten. Vor Elgin ging es wieder ordentlich bergauf, im flachen Geländer hatten wir dafür teilweise mit Gegenwind zu kämpfen. Endlich waren wir am Hotel angelangt, das wir angesichts des miesen Wetters unterwegs online gebucht hatten.Wir bezogen ein sehr schönes Zimmer in einem alten Seitenflügel – dem Old Coach-House.