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Uyeasound – Hermaness und zurück

47,9 km Radfahren, 7 km Wandern

Nachdem wir, das Zelt und die Schlafsäcke ihren ersten Härtetest überstanden hatten, sollte es heute nicht so weit gehen – nur ein Tagesausflug. Während Birgit noch der Chronistenpflicht nachkam, machte ich schon einmal in der gut ausgestatteten Küche der Jugendherberge das Frühstück. Wir hatten gut und relativ lange geschlafen und so kamen wir erst relativ spät los. Das sollte aber ausreichen für einen Tagesausflug: Zunächst sollte es bis zum Ende des Nordseeradwegs gehen und dann wollten wir noch zum Naturschutzgebiet Hermaness. Die „schlechte“ Nachricht: Beides liegt im Norden – also Berge und Gegenwind. Die gute Nachricht: Da wir das Zelt und alles andere „Gedöns“ an der Jugendherberge zurücklassen konnten, reisten wir mit leichtem Gepäck – jeweils einer Fahradtasche. Wie erwartet ging es ordentlich berauf, aber wir wurden mit weiten Rundblicken über die karge Landschaft und dem einen oder anderen Fernblick auf das Meer belohnt. Auch die Sonne war uns gnädig, sie kam immer öfter hinter den Wolken hervor. Wie immer von den vielen kleinen Lämmchen am Wegesrand bestaunt, die offentsichtlich erst nach einem „Ordnungsruf“ des Mutterschafs ihre Neugier gegen einen gebührenden Sicherheitsabstand eintauschten. Jetzt waren auf den Weiden auch immer wieder Shetlandponys in den verschiedensten Farben zu sehen, selbst zwei kleine Fohlen fast wie Schaukelpferde. Wir passierten Baltasound und kamen an einem berühmten Buswartehäuschen vorbei: Bobby’s Shelter. Das Häuschen war komplett möbliert: Stuhl, Tischchen, Kamin, Kommode und Bücherregal. Auf der Kommode ein Telefon, auf dem Tischchen eine Mikrowelle, alles ausgiebig mit Kunst- und anderen Objekten dekoriert. Davor ein Bild und ein Blumenkasten mit frischen Blumen.

Ein paar Schritte weiter ein anderes Kapitel: Eine Gedenktafel erinnert an die Besatzung eines britischen U-Boots, das 1917 auf eine deutsche Mine gelaufen war, die die Zufahrt zur U-Boot-Patrouillenbasis in Baltasound sperrte.

Auf dem weg lag jetzt der weit und breit einzige Laden, wo wir unsere Lebensmittelvorräte ergänzen konnten. Bezeichnenderweise hieß er auch „Final Checkout“, also etwa „letzter Einkauf … vor der Wildnis“.

Und noch mehr Geschichte am Weg! Am Ufer des Harold’s Wick kurz vor der danach benannten Ortschaft stand ein großen geschwungenes Holzboot, das sich als Nachbau eines Wikingerbootes entpuppte. Es stand vor einem ebenfalls imposanten Nachbau eines Langhauses, das mit Grasnarbe gedeckt und am Übergang zu den Balkenwänden mit Birkenrinde abgedichtet war. Vorbild dafür waren etliche Ruinenfunde in der Region. Shetland war die erste Basis von der aus die Wikinger auf ihren Eroberungszügen gen Süden zogen. Von der skandinavischen Besiedlung zeugen noch viele Ortsnamen und Begriffe in der Alltagssprache von Shetland: Kirke (Kirche), Hamar, Wick (Bucht) usw.

In Haroldswick führte eine Straße direkt am Ufer der Bucht entlang, wo Seeotter zu sehen sein sollten (daher der Name;-). Aber leider tummelte scih dort nur eine Robbe. Aber keine Zeit mehr für „Otterspotting“ (toller Scrabble-begriff, wenn man fast nur O und T hat), wir wollten ja noch Seevögel sehen! In Nordwick endet (oder beginnt) der Nordseeradweeg direkt am Ufer der Bucht, wahrscheinlich für die mit Wikingerboot aus Norwegen anlandenden Radtouristen.

Zurück auf die Hauptstraße und weiter Richung Hermaness, vorbei an einer Siedlung der Royal Air Force für das Personal, das die weithin sichtbare „Radarkugel“ auf dem gegenüberliegenden Berg betreut. Teile der Siedlung sind aber inzwischen als „Resort“ umgewidmet.

Das Besucherzentrum ist seit diesem Jahr geschlossen, auf das Serviceangebot mit Gästebuch, Fundbüro und einem Infoblatt über die Tierwelt und einer Karte der Wanderrouten muss man dennoch nicht verzichten – alles ist in einer Blechkiste untergebracht, deren Deckel mit einem großen Stein beschwert ist. Auf dem zunächst durchgängig beplankten Pfad ging es hoch auf den Berg zu den Klippen. Und hier konnten wir bereits die ersten Seevögel aus der Nähe bewundern: Die in Erdfarben gut getarnten Raubmöven von imposanter Größe. Die letzten Meter vor zum Weg oberhalb der Steilküste führten über vollgesogene und daher sehr schwammige Wiese. Auffällig waren hier die vielen Schafe, die unbekümmert oberhalb der steil abfallenden Klippen herumturnten. Nicht nur am Rande der Klippen sondern auch von schräg vorn und oben wurde es ungemütlich: es regnete ins sehr fein ins Gesicht und dazu blies ein kräftiger Wind. Daher verzichteten wir auf eine längere Wanderung und schmulten nur noch einmal über den Klippenrand, ob wir nicht doch einen Papageientaucher sehen, aber leider nein. Wieder am Parkplatz zogen wir uns noch eine weitere Bekleidungsschicht unter und machten uns auf den Rückweg. Der Fahrtwind hatte Hosen und Jacken zwar bald getrocknet, aber später setzte der feine Regen wieder ein. Wieder in Baltasound fuhren wir zum weit und breit einzigen Restaurant (eigentlich Hotel mit Essensangebot). Bis zur Öffnung um 18.00 Uhr war noch Zeit, die wir uns mit einem Blick auf die Reste des einst bedeutenden Heringshafens vertrieben.Hier erinnert sogar ein Stein an die erste schwedische Kirche, die schwedische Fischer 1907 hier errichteten – damals war der Hafen wichtiger Anlaufpunkt für skandinavische Heringsfischer. Wir wählten zum Abendessen keinen Hering, sondern Steak mit Vorspeise und Dessert. So waren die letzten feuchten Kilometer bis zurück zur Jugendherberge wenigstens zu ertragen.
Am Nebentisch nahm eine Gruppe von 6 offensichtlichen Vogelfreunden Platz, alle bewaffnet mit riesigen Teleobjektiv-Kameras und großen Ferngläsern. Man tauschte sich aus wer welchen Vogel vor die Linse bekommen hat. Vor dem Essen wurde es noch einmal ernst. Als hätte ein Lehrer gesagt: „Hefte ‚raus“, nahm sich jeder seine Blätter vor und dann wurde auf Abfrage des – offensichtlich – „Obervogelkundlers“ abgeglichen und notiert.