Inverness – Nairn
41,68 km
Heute starteten wir recht gemütlich in den Tag, da es eher eine kürzere Etappe werden sollte. Nach einem kurzen Abstecher bergauf zum Inverness Castle mit einem tollen Blick über die Stadt und in die Ferne in die Highlands, wohin übrigens auch die Staute von Flora Macdonald schaut. Sie wurde berühmt, weil sie dem Pretendenten auf den Thorn von Schottland und England, Bonnie Prince Charlie, nach der verlorenen Schlacht bei Culloden zur Flucht verhalf. Und vor dem Schloss steht noch eine Figur (im Stile der Buddy Bears oder anderer Stadtmaskottchen) die dort gar nicht hinzupassen scheint, die schottische Comicfigur „Oor Wullie“. Die Besonderheit die Bemalung mit einem Motiv des Ben Nevis. Ein weiterer kleiner Umweg führte uns zum Bahnhof, wo Birgit gleich die Fahrkarten und – das Wichtigste ! – die Fahrradreservierung für den durchgehenden Zug von Aberdeen nach Newcastle besorgte. Fahrkarten lassen sich zwar online buchen, nicht aber die (kostenlose) Reservierung für die wenigen Fahrradplätze im Zug (siehe Hinfahrt).
Nach Ergänzung unser Wasservorräte verließen wir, immer der Ausschilderung der Radroute folgend, auf „Schleichwegen“ also Nebenstraßen, die Stadt. In einem grünen Parkstück lauerte ein Ungeheuer – ein Drache war kunstvoll in einen Baumstamm geschnitzt. Nächstes Ziel war Culloden, wofür wir ganz schön klettern mussten. Dies war ja nichts Besonderes mehr. Besonders war, dass wir erstmals auf der Tour die Ärmel von unseren Radfahrjacken und die Hosenbeine abmachen konnten, weil richtig schön und lange die Sonnne schien.
Vorbei an Culloden House (ein Nobelhotel) und Culloden Moor machten wir die 500 m „Umweg“ zum Culloden Battlefield. Hier endete 1746 in einer einstündigen kurzen aber blutigen Schlacht der Jakobitenaufstand von 1745, angeführt von Charles Edward Stuart genannt Bonnie Prince Charlie. Im Besucherzentrum kann man mit Audioguide und anhand der Erläuterungen, Multimediabeiträge und Exponate sowohl die diplomatischen und politischen Hintergründe – insbesondere der Krieg zwischen Frankreich und Großbritannien – als auch den Verlauf des Aufstands und der letzten Schlacht nachvollziehen. Beeindruckend und erschreckend der kurze Film, mit dem man in die Schlacht „eintauchen“ kann (Battlefield Immersion Experience). In der Mitte eines quadratischen Raumes stehend blickt man nach allen vier Seiten zunächst auf eine weitläufige verwaiste Wiese, über die der Wind pfeift. Plötzlich sieht man auf der einen Seite in der Ferne almählich eine Menschenreihe immer näher kommen, die Truppen der Jakobiten. Auch auf der anderen Seite tut sich etwas: die Regierungstruppen rücken vor. Und plötzlich ist man als Zuschauer mittendrin, sieht wie die Kanonen auf beiden Seiten abgefeuert werden, wie sich die vorrückenden Reihen lichten, und die Reihen der Musketenschützen. Und dann ist man von Kämpfenden umgeben, bis schließlich etliche Kämpfer am Boden liegen und man nur noch die betretenen und erschöpften Blicke der siegreichen Rotröcke sieht. Draußen auf dem weitläufigen Schlachtfeld markieren rote Fahnen die Aufstellung der Regierungstruppen, die blauen Fahnen für die Jakobiten lassen sich fast nur erahnen. Auf dem sonst leeren Schlachtfeld – ein Rundgang dauert ca. 30 Minuten – steht weit hinten ein Turmrest und vorn eine Hütte. Letztere ist das Überbleibsel einer Farm, die sich damals hier befand. Innen stellt der National Trust for Scotland, der unter anderem den Erhalt und die Aufarbeitung der für Schottland und die europäische Geschicht wichtigen historischen Stäte finanziert und betreibt, die neuzeitliche „Schlacht“ um Culloden dar: „Immobilienentwickler“ gegen die Bewahrer der geschichsträchtigen Umgebung von Culloden.
Nach der jakobitischen Niederlage wurde den Schotten per Gesetz das Recht zum Tragen von Waffen und Nationaltracht (Tartan) verboten. Jakobiten und deren vermeintliche Unterstützer wurden verfolgt, schon wer weiße Rosen (das Symbol der Jakobiten) in seinem Garten hatte, war verdächig. Ein „Musterprozess“ mit Vernehmung verdächtiger Besucher fand gerade in einem Ausstellungsraum statt. Viele wurden vor die Wahl gestellt: Auswandern oder Bestrafung. Viele gingen ins Ausland, was vielleicht auch die große Zahl der amerikanischen Besucher erklärt, die hier nach ihren Vorfahren suchen. Auf dem Weg zum Besucherzentrum erinnern z.T. von internationalen Clanverbänden gestiftete Gedenkplatten an die Opfer aus schottischren Clans. In der Ausstellung werden die Opfer auf beiden Seiten genannt, so wie auf beiden Seiten auch Schotten kämpften.
Auf der Wiese vor der Ausstellung „stellten“ sich drei echte „Highland Cattle“ Rinder den Fotografen. Ob es sich dabei um Angestellte des National Trust for Scotland handelt, ist nicht bekannt.
Nach so vielen Eindrücken waren wir froh, dass es jetzt auf ruhigen Wegen durch Wald und Flur weiterging. Allerdings kletterten wir nach der einen oder anderen Abfahrt wieder ganz ordentlich bis wir wirklich weitestgehend auf ebener Strecke und bergab Richtung Nairn rollen konnten. Plötzlich setzte Regen ein. In der Hoffnung es handele sich um den gewohnten täglichen Schauer zogen wir nur unsere Windjacken über. Die Hoffnung wurde enttäuscht und so rollten wir doch recht durchnässt in Nairn ein. Da der Regen nicht nachließ, beschlossen wir in Nairn zu bleiben und fanden auch in der Innenstadt ohne große Umwege ein Hotel. Nachdem wir uns „trockengelegt“ und eingerichtet hatten, zogen wir noch einmal los. Wir aßen zur Abwechslung einmal indisch und machten noch einen ausgedehnten Spaziergang durch die Stadt. Von einem Fischerdorf, das sogar die russischen und deutschen Märkte mit Salzheringen belieferte, wandelte sie sich zu einem beliebten Badeort. Auch heute ist Nairn ein beliebtes Ausflugsziel. Am Strand waren noch einige wenige Spaziergänger unterwegs. Auf dem Rückweg zum Hotel durch ruhige Nebenstraßen sahen wir etliche imposante Häuser z.T. in neogotischer Steinarchitektur, die möglicherweise auf die Zeit als repäsentatives Seebad zurückgehen.